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Jens Lehmann - Oliver Kahn: So giftig war ihre Rivalität

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Jens Lehmann - Oliver Kahn: So giftig war ihre Rivalität

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Lehmann - Kahn: So giftig war ihre Rivalität

Zwei Jahre lang liefern sich Jens Lehmann und Oliver Kahn ein Duell um den Platz im DFB-Tor. Es ist der Höhepunkt einer Rivalität zwischen zwei Ausnahmetorhütern.
Oliver Kahn spricht über Jens Lehmann: "Als Nummer zwei ungemütlich" Zwei Jahre lang lieferten sich Lehmann (l.) und Kahn ein Duell um das DFB-Tor
Oliver Kahn spricht über Jens Lehmann: "Als Nummer zwei ungemütlich" Zwei Jahre lang lieferten sich Lehmann (l.) und Kahn ein Duell um das DFB-Tor
© Getty Images
Manuel Habermeier
Zwei Jahre lang liefern sich Jens Lehmann und Oliver Kahn ein Duell um den Platz im DFB-Tor. Es ist der Höhepunkt einer Rivalität zwischen zwei Ausnahmetorhütern.

Es ist der 30. Juni 2006. Ganz Deutschland ist im Bann der Heim-WM und das DFB-Team kämpft um den Einzug ins Halbfinale. Gegen Argentinien soll es im Berliner Olympiastadion das nächste Kapitel des Sommermärchens geben.

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Nach einem hart umkämpften Spiel ist es schlussendlich Jens Lehmann, der mit zwei gehaltenen Elfmetern die Vorschlussrunde perfekt macht. Ein ganzes Land liegt sich jubelnd in den Armen und versinkt in Euphorie.

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Aber die bemerkenswerteste Szene dieses Abends fand bereits vor dem Elfmeterschießen statt. Deutschlands Keeper saß im Mittelkreis auf dem Rasen und suchte seine innere Ruhe. Da ging ausgerechnet Oliver Kahn auf ihn zu, umarmte ihn und wünschte seinem Rivalen Glück. "Das war auch eine sehr schöne Geste und nach der Vorgeschichte verständlich, dass das die Leute emotional berührt hat. Der Konkurrenzkampf hatte ja zwei Jahre gedauert", erinnerte sich Lehmann später an diesen Moment.

2004 - Der Beginn der Rivalität

Die Anfänge der Rivalität liegen noch in der Völler-Ära. Als der ehemalige Topstürmer noch DFB-Trainer war, kam es vor der EM 2004 bereits zu einer Krise. "Ich wüsste nicht, was wir reden sollen. Ich habe keine 24-jährige Freundin. Ich habe ein anderes Leben", beschrieb Lehmann zu Jahresbeginn 2004 sein Nicht-Verhältnis mit Kahn.

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Kahn konterte klar und deutlich. "Ich hatte es nie nötig, mich in meiner Karriere auf ein mittlerweile dermaßen niedriges Niveau herabzulassen. Das ist ja fast schon unglaublich. Er kann nicht damit umgehen, dass er die Nummer zwei ist. Er kann das nicht verkraften. Deswegen verlässt er jetzt wahrscheinlich den Boden des guten Geschmacks. Ich bin bis zur WM 2006 die Nummer eins in der Nationalmannschaft, und er muss das akzeptieren."

Der danach ausgehandelte "Burgfrieden" zwischen Deutschlands beiden besten Torhütern hielt ebenfalls nur wenige Tage. Vor allem Oliver Kahn hatte keinerlei Interesse an einer von Völler angekündigten Aussprache. Doch trotz all dieser Vorfälle war die Hierarchie im DFB-Team klar geklärt. Kahn war die Eins, Lehmann musste sich mit der Zwei arrangieren. "Dass Olli die Nummer eins ist, ist klar", bestätigte Völler vor der EM nochmal.

EM-Debakel und Neustart unter Klinsmann

Dies sollte sich aber nach dem Turnier in Portugal ändern. Deutschland scheiterte bereits in der Gruppenphase und Rudi Völler erklärte nach dem Debakel seinen Rücktritt. Jürgen Klinsmann übernahm und sollte das Team für die Heim-WM neu aufbauen. Dafür rief er einen Konkurrenzkampf auf allen Positionen aus - auch im Tor. Eine Gelegenheit, die Jens Lehmann dankbar annahm.

Zwei lange Jahre ließen Kahn und Lehmann keine Gelegenheit aus, um Spitzen gegen den Konkurrenten zu verteilen und die eigenen Ansprüche auf den Stammplatz im DFB-Kasten kundzutun. Damit hob sich die Rivalität auf eine völlig neue Ebene, die man sich heutzutage mit dem klaren Nummer eins-Status eines Manuel Neuers gar nicht mehr vorstellen kann.

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Konkurrenzkampf bis zur Heim-WM 2006

Aber genau diesen Konkurrenzkampf wollte Jürgen Klinsmann entfachen, als er 2004 bei seinem Amtsantritt erklärte, dass es keine klare Nummer eins gibt. Sowohl Kahn als auch Lehmann sollten sich bis zur Heim-Weltmeisterschaft 2006 präsentieren, um den begehrten Platz zwischen den Pfosten zu ergattern.

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Dabei wurde dieser Konkurrenzkampf auch zunehmend in den Medien ausgetragen. Vor allem Jens Lehmann, der als Herausforderer von Platzhirsch Kahn auftrat, zeigte sich als lautstarker und angriffslustiger Rivale. Zu Beginn der Auseinandersetzung stellte er seine internationale Erfahrung in den Vordergrund.

Lehmann baut auf internationale Erfahrung

Während Kahn seine ganze Karriere in der Bundesliga verbrachte, wagte Lehmann den Schritt nach England und schloss sich 2003 dem FC Arsenal an. "Dort (bei Borussia Dortmund, Anm.d.Red.) hätte ich mein Niveau gehalten und mein Ding durchgezogen. Roman Weidenfeller war noch zu jung, um mir Konkurrenz zu machen", erklärte er den Grund für seinen Wechsel in die Premier League.

Daher macht er vor allem Arsene Wenger für seine Berufung ins DFB-Tor verantwortlich. "Ich bin ihm sehr dankbar. Wenn er mich nicht nach England geholt hätte, wäre ich nie Nummer eins im deutschen Tor geworden. Er hat das Optimale aus mir rausgeholt."

Ein Medienduell bis zuletzt

Bis es zu dieser Ernennung kam, füllten er und Kahn aber noch zahlreiche Seiten der Boulevard-Presse und machten dieses Duell zum alles beherrschenden Thema vor der WM 2006. Vor allem die Aussagen der beiden nach dem letzten Testspiel im März 2006 zeigten die Vehemenz, mit der jeder den Stammplatz für sich beanspruchte.

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"Ich gehe fest davon aus, dass ich spiele", zeigte sich Kahn felsenfest von seiner Position überzeugt. Nur fünf Meter entfernt in der Mixed-Zone diktierte sein Rivale den Journalisten folgenden Satz in die Mikros und Notizblöcke: "Ich denke, ich habe gute Karten."

Doch viele Experten und Fans vermuteten, dass der Konkurrenzkampf ein Motivationstrick von Klinsmann war, um aus Kahn seine bestmögliche Leistung herauszukitzeln. Die Mehrheit glaubte nicht wirklich daran, dass Lehmann das Duell gewinnen könnte.

2006 - Klinsmann erklärt Lehmann zur Nummer Eins

Als Jürgen Klinsmann seine endgültige Entscheidung pro Lehmann verkündete, war der Aufschrei im Land auch dementsprechend groß. Ein Torwart, der noch kein großes Turnier gespielt hatte, sollte ausgerechnet im eigenen Land das deutsche Tor hüten. Oliver Kahn, der 2002 die Nationalmannschaft noch fast im Alleingang bis ins WM-Finale gebracht hatte und zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde, war nur für die Bank vorgesehen - unvorstellbar.

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Eigentlich konnte der Titan darauf nur mit dem sofortigen Rücktritt aus dem DFB-Team reagieren. Aber es kam anders. In einer eigens dafür einberufenen Pressekonferenz erklärte Kahn, dass er als Ersatztorwart am Turnier teilnehmen werden. Dem ewig umstrittenen Torhüter des FC Bayern Münchens flogen daraufhin die Sympathien aller Fußballfans in Deutschland zu. Die größte Hassfigur aller Nicht-Bayernfans wurde über Nacht zum Sympathieträger im deutschen Fußball.

Kahn und Lehmann bekommen den Sport-Bambi

Endgültig unsterblich machte er sich eben mit seiner Geste vor dem Elfmeterschießen gegen Argentinien. Der ewig getriebene und vom Ehrgeiz fast zerfressene Kahn unterstützte ausgerechnet den Konkurrenten, der ihm die größte persönliche Niederlage seiner Karriere zugefügt hatte.

Dafür erhielten er und Lehmann 2006 den Sport-Bambi für ihre Leistungen und Teamgeist. "Oliver Kahn und Jens Lehmann sind ein Vorbild dafür, wie der Kampf um eine gemeinsame Sache über persönliche Rivalität siegen kann", begründete die Jury die Entscheidung.

Mit Karriereende werden beide ruhiger

Mittlerweile haben die beiden Ausnahmetorhüter ihre Karrieren längst beendet und mit etwas Abstand sehen sie auch ihre Rivalität gelassener. Lehmann beschreibt die Phase als seine "emotionalste und lehrreichste Zeit" seiner Karriere und konnte sogar etwas Positives daraus mitnehmen. Er habe damals das Meditieren für sich entdeckt. "Täglich 30 Minuten meditieren war richtig anstrengend. Aber auch erfolgreich! Man bekommt anscheinend eine Ausstrahlung, die auf andere wirkt und sie Vertrauen in einen bekommen lässt nach dem Motto: Der kann's."

Auch Kahn hat heutzutage für seinen ehemaligen Konkurrenten warme Worte übrig. "Er war immer jemand, der auch mal querdachte und seine eigene Meinung hatte. Das könnte jetzt sehr hilfreich sein", kommentierte der Titan Lehmanns zwischenzeitliches Engagement als Co-Trainer beim FC Augsburg.

Es scheint so, als wenn die einstigen Erzrivalen zumindest ein kollegiales Verhältnis zueinander haben. Eine schöne Entwicklung, zu der man beide nur beglückwünschen kann.

Ganz ist die Rivalität noch nicht vergessen

Doch so ganz kann man die Spuren des Konkurrenzkampfes nicht vergessen, weshalb hin und wieder die alte Rivalität nochmal durchbricht. In seiner Autobiographie "Der Wahnsinn liegt auf dem Platz" hob Lehmann Kahns seltene Fehler hervor. "Oliver Kahn hat in einem Interview mal erzählt, dass er, um sich zu konzentrieren, irgendwann angefangen habe, während eines Spiels immer nur zum Ball zu gucken. Erst da habe ich wirklich verstanden, warum Kahn viele Situationen nicht schon vorher gesehen und entschärft hat: Wer nur auf den Ball guckt, weiß allein, wo er ist, nicht, wo er sein wird."

Oliver Kahn hingegen hatte in einem Interview mal erklärt, dass es in Deutschland nie wieder eine Torwart-Ära wie die von Sepp Maier, Toni Schumacher, Bodo Illgner oder ihm selbst geben werde. Der Name Lehmann wollte ihm dabei nicht über die Lippen gehen. Auch bei Lehmanns Engagement beim FCA konnte er sich nach dem Lob eine kleine Spitze nicht verkneifen. "Den Plan, ins Trainergeschäft einzusteigen, hatte er schon länger. Und er ist ja so alt wie ich, also musste er sich langsam beeilen."

Es ist also ruhiger geworden um die einstigen Erzrivalen. Aber das Feuer lodert immer noch. Man darf also gespannt sein, ob und wann es wieder in ihnen ausbrechen wird - womöglich gibt's neues Reibungspotenzial nun wo Kahn zum Boss des FC Bayern München erkoren ist und Lehmann (als Nachfolger von Klinsmann) in den Aufsichtsrat des ambitionierten Rivalen Hertha BSC gerückt ist.

Aber mit der Geste vor dem Elfmeterschießen haben sie gezeigt, dass aus einer Rivalität etwas noch Größeres entstehen kann - Respekt und gegenseitige Anerkennung. Allein damit haben sie sich in Fußball-Deutschland unsterblich gemacht.