2013 hat sich Giovanni Trapattoni in den Ruhestand verabschiedet, und zwar "zähneknirschend" und trotz vieler Angebote, wie er sagt. Er sei aber "kein Highlander", auch wenn er den Geruch des frisch gemähten Rasens auf dem Trainingsplatz und die Achterbahn der Emotionen an den Spieltagen vermisse.
Trap ist in Sorge um den Fußball
Doch wichtiger ist ihm inzwischen die Familie, und in ihrem Kreis genießt er die Erinnerungen an die unvergesslichen Momente seiner Laufbahn, auch an seine Wutrede 1998 in München. Trapattoni sagt es vor seinem 80. Geburtstag am 17. März mit einem guten Schuss Selbstironie so: "Wenn ich mir das Video heute anschaue, muss ich immer schmunzeln und denke: Giovanni, damals hast du wirklich ganz schön am Rad gedreht."
Natürlich muss der Mister dieser Tage wieder viel über seine Wutrede sprechen, aber Stolz empfindet er dabei keineswegs. Gut 21 Jahre liegt sein dreieinhalb Minuten langer Beitrag zum Legendenschatz der Bundesliga und des Fußballs insgesamt zwar schon zurück. Doch rund um seinen Ehrentag, an dem der FC Bayern in der Bundesliga den FSV Mainz 05 empfängt, ist sein damaliger Ausbruch wieder allgegenwärtig.
Kultrede macht Trapattoni zur Legende
Erinnert wird zum runden Geburtstag des Italieners an die spektakulärsten Auszüge seiner durch und durch spektakulären Schelte. "Schwach wie eine Flasche leer", "Was erlauben Strunz?" und sein finales "Ich habe fertig" gingen am 10. März 1998 in die Geschichte ein und - gerade wegen der grammatikalischen Kuriositäten - auch in die deutschen Redewendungen. Die SPD nutzte Trapattonis Schlusssequenz 1998 gar für ein Plakat im Zuge der Abwahl des damaligen Kanzlers Helmut Kohl.
Trapattonis berühmter Monolog bei der Pressekonferenz war der prägendste Moment seiner beiden Amtszeiten beim FC Bayern, in denen er 1997 Meister wurde und 1998 Pokalsieger. Doch "Il Trap", die Trainerlegende aus Cusano Milanino nördlich von Mailand, wird beim deutschen Branchenführer und anderswo längst nicht nur wegen seiner Titel und Kultrede verehrt.
Als einen "Mister sondergleichen" und "wirklich tollen Menschen, von denen es im Trainergeschäft in der Form nicht viele gibt", bezeichnete der aktuelle Münchner Coach Niko Kovac Trapattoni am Freitag, den er einst in Salzburg hautnah erlebte. Er hob dessen „emotionale Intelligenz und Empathie“ hervor und verglich ihn mit Gentleman Ottmar Hitzfeld. Ähnlich äußern sich viele Weggefährten. Sogar jene, auf die Trapattoni damals mit seiner emotionalen Explosion zielte.
Wie Mehmet Scholl, der neben Mario Basler und Thomas Strunz besonders viel Zorn auf sich gezogen hatte, und der den Signore nun als "besonderen, großen Menschen" und "Vaterfigur" ehrt. Auch wegen jener Werte, für die Trapattoni noch heute kämpft. Ganz modern in den sozialen Netzwerken, auf denen er seit Kurzem mit Hilfe eines Enkels vertreten ist.
Geburtstag "ohne Brimborium"
"Auf diese Weise möchte ich jene Werte vermitteln, die mich zu dem gemacht haben, was ich heute bin", sagt er, "um die Jugend für wichtige Themen zu sensibilisieren, muss man sich auf diesen Plattformen bewegen." Posten will er sogar an seinem Geburtstag, den er zu Hause mit seiner Frau Paola und seiner Familie "ganz schlicht" feiern will, wie er im kicker ankündigt, "ich mache jetzt nicht extra ein Brimborium".
Dass Trap noch lange nicht fertig hat, wird deutlich, wenn er die aktuelle Generation der Fußballer an die wirklich wichtigen Dinge des Lebens erinnert. "Seid Botschafter von gesunden Werten", appelliert er auch wegen ihres Einflusses auf die Jugend und beklagt, dass das schöne Spiel "immer intensiver die Form eines reinen Business assimiliert".
Dadurch bestehe das Risiko, "ähnlich wie in der Finanzwelt, immer weiter von der Realität abzudriften. Leider kümmert sich kaum noch jemand um den pädagogischen Wert des Sports." Ihn störe, "dass der Fußball sukzessive einige fundamentale Werte wie Bescheidenheit" verloren habe, wie "die Gesellschaft im Allgemeinen".
Es sind mahnende Worte des Misters, der aus ärmlichen Verhältnissen stammt und gegen den Willen seines Vaters mit dem Fußball anfing. Dieser habe ihm "einfach alles" und "immenses Glück" geschenkt, sagt Trapattoni, einer der erfolgreichsten Trainer der Geschichte.
Trapattoni bricht alle Rekorde
Das war nicht abzusehen, als er mit 14 Jahren zum Probetraining zum AC Mailand fuhr, dort mit 20 sein Profidebüt gab und es als sogenannter Außenläufer zu zwei Meistertiteln, einem Pokaltitel, dem Weltpokal, dem zweimaligen Gewinn des Europapokals der Landesmeister und dem Europapokal der Pokalsieger brachte. Hinzu kamen 17 Länderspiele sowie die Teilnahmen an der WM 1962 und an Olympia 1960.
Schon mit 34 Jahren begann er seine Trainerkarriere beim AC Milan, mit 37 wechselte er zu Juventus Turin und wurde im ersten Jahr bei der "Alten Dame" prompt Meister und UEFA-Pokal-Sieger. Er blieb zehn Jahre und kehrte später noch einmal zurück. Insgesamt 22 Titel auf 15 Trainerstationen sammelte Trapattoni, darunter sieben italienische Meisterschaften, ein noch gültiger Rekord wie seine drei UEFA-Pokal-Siege.
Und zwar mit einem Stil, der seinem Naturell entspricht. "Konkret, ergebnisorientiert und ohne unnötigen Firlefanz. Ein Spiel mit mehr Prosa als Poesie", wie er es formuliert. Auch die Squadra Azzurra sowie Irlands Nationalteam coachte er – und am Ende seiner mehr als 40-jährigen Trainerkarriere sogar die Elf des Vatikans.
In Deutschland war er zudem beim VfB Stuttgart tätig. Den Gewinn der deutschen Meisterschaft mit dem FC Bayern 1997 hebt er noch heute als besonders hervor. "Mein erster Erfolg im Ausland gegen alle linguistischen Barrieren, die für mich Höllenqualen bedeuteten", sagt er. Inzwischen kann auch Trapattoni darüber lachen. Bestimmt auch an seinem 80. Geburtstag.