Das Interesse auf dem verschneiten Zürichberg hielt sich in Grenzen, der Konferenzraum in der FIFA-Zentrale war trotz der "historischen Entscheidung" für den Weltfußball nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Also nahm FIFA-Präsident Gianni Infantino sofort Anlauf, um den am Samstagmittag offiziell ins Regelwerk aufgenommenen Videobeweis auf die größtmögliche Bühne zu hieven.
Videobeweis in Regeln aufgenommen
"Bei der WM können wir es uns nicht leisten, dass ein potenzieller Schiedsrichter-Fehler gravierende Folgen hat", sagte der Schweizer mit Nachdruck: "Wir leben in einer digitalen Ära und können die Augen vor solchen Neuerungen nicht mehr verschließen. Ich bin überzeugt, dass die Technik dabei helfen wird, dass wir eine gerechtere WM sehen werden."
Infantino muss Werbung machen
Die Entscheidung über den WM-Einsatz trifft das von Infantino angeführte FIFA-Council mit DFB-Präsident Reinhard Grindel am 16. März in Kolumbiens Hauptstadt Bogota - nach dem einstimmigen, für die Ligen und Verbände aber nicht verpflichtenden Votum des International Football Association Board (IFAB) in Zürich ist das Stand heute aber reine Formsache.
Voraussetzung sei, dass Infantino "uns die Zuversicht vermittelt, dass die Workshops und technischen Vorbereitungen ausreichen, damit die Schiedsrichter die Vorgaben des IFAB-Protokolls sachgerecht umsetzen", sagte Grindel: "Wichtig ist auch, dass die Schiedsrichter-Teams so zusammengesetzt sind, dass eine klare Kommunikation gewährleistet ist."
Das IFAB versuchte, mit Fakten zu überzeugen. Bei den rund 1000 Spielen, die in der zweijährigen Testphase Teil des Video-Experimentes waren, "ist die Genauigkeit der Schiedsrichter-Entscheidungen auf 99 Prozent gestiegen", sagte Infantino. Das deckte sich mit den jüngsten Erfahrungen in der Bundesliga, wo der "VAR" (Video Assistant Referee) zuletzt immer hilfreicher wurde.
Auch deutsche Klubs befassen sich mit Videobeweis
Die 36 Klubs der Deutschen Fußball Liga (DFL) werden sich im Rahmen ihrer Mitgliederversammlung am 22. März mit dem weiteren Vorgehen befassen. DFL-Geschäftsführer Christian Seifert hatte aber im Interview mit der britischen Times bereits angekündigt, im Falle eines positiven IFAB-Votums auch in der kommenden Saison auf die Technik zu setzen - vielleicht sogar in der 2. Liga.
"Jeder Verband muss für sich entscheiden", sagte Infantino. Positive Signale gab es zuletzt auch aus der spanischen Liga, die italienische Serie A nimmt wie die Bundesliga an der Testphase teil. In der Champions League wird das Hilfsmittel für die Schiedsrichter dagegen vorerst nicht zum Einsatz kommen. Die Klubs der englischen Premier League scheinen derzeit ebenso zurückhaltend zu sein.
"Grauzonen" existieren weiterhin
Einzelne Negativschlagzeilen wie nach dem 6:1 von Tottenham Hotspur gegen den AFC Rochdale im englischen FA Cup mit teils absurden VAR-Szenen (lange Spielunterbrechungen, schwer nachvollziehbare Entscheidungen) spielten am Samstag aber keine Rolle. Gut vier Stunden berieten die Mitglieder des IFAB über das Pro und Contra.
"Wenn wir den Schiedsrichtern helfen können, gerechtere Entscheidungen zu treffen, dann sollten wir das tun", sagte Infantino. Es gebe aber immer noch einige "Grauzonen" und "Dinge zu verbessern". Neben dem Videobeweis wurden am Samstag vom IFAB noch die Möglichkeit einer vierten Auswechslung in der Verlängerung sowie die Verwendung von "elektronischen Kommunikationsmitteln" auf der Trainerbank abgesegnet.