Dieter Burdenski dürfte der beste Ratgeber sein, den ein Torwart in Bremen finden kann.
Gedränge auf der großen Baustelle
444 Bundesliga-Spiele in 16 Jahren bestritt der frühere Nationalkeeper für den SV Werder. 14 Spielzeiten lang war der Rekordspieler die Nummer eins, selbst in der Abstiegssaison 1980, als er 93 Gegentore kassierte.
Burdenski kennt also beides: schwere Zeiten - und wie man sie durchsteht.
"Ohren auf Durchzug stellen", ist der Tipp, den er seinen Erben geben kann. "Für mich war früher vollkommen klar: Wenn ich spiele und ich bin gut, dann gibt es keine Diskussion", sagt er zu SPORT1: "Wenn ich nicht gut spiele, dann gibt es sie. Aber das ist der Beruf."
Diskussionen um Wolf
Raphael Wolf, von Beruf Torhüter, kann derzeit nicht behaupten, dass es keine Diskussion um ihn gibt.
Zwar sagen ihm Werders Trainer Viktor Skripnik und Sportchef Thomas Eichin immer wieder, dass er die klare Nummer eins ihres Teams sei.
Und Wolf selbst versicherte erst diese Woche bei SPORT1, dass er das auch glaube.
Was die Bremer Verantwortlichen allerdings tun, vermittelt einen recht gegenteiligen Eindruck. Der Platz zwischen den Bremer Pfosten wird eine immer kompliziertere Baustelle - an der Raphael Wolf offensichtlich nicht der unumstrittene Polier ist.
Neue Konkurrenz in Casteels
Am Mittwoch erst hat Werder Bremen einen neuen Mann für die Position verpflichtet: Koen Casteels, der Mann der einst Tim Wiese bei 1899 Hoffenheim aus dem Tor verdrängte, dort zuletzt aber nach einem Schienbeinbruch nicht mehr Fuß fasste.
Der Belgier vollführt nur einen Zwischenstopp in Bremen, in der kommenden Saison geht er zum VfL Wolfsburg.
Bis dahin auf der Bank oder auf der Tribüne sitzen? Nicht der Plan des 22-Jährigen, der sich auch für sein Nationalteam empfehlen will.
"Ich werde im Training alles geben", hielt er bei seiner Vorstellung fest: "Es wird alles auf dem Platz entschieden."
"Jetzt ist schön Druck auf dem Kessel"
Im letzten Testspiel bei Hannover 96 am Samstag wird Casteels - unter Ausschluss der Öffentlichkeit - erstmals auflaufen. Skripnik hat angekündigt, ihn für mindestens eine halbe Stunde einzuwechseln: "Koen muss uns auch auf dem Platz kennenlernen."
Eichin begrüßt es. Casteels solle "die Nummer eins unter Druck setzen. Jetzt ist schön Druck auf dem Kessel."
Was der Sportvorstand schön findet, verwirrt im Klubumfeld viele. Sie verstehen den Deal mit Casteels nicht.
"Wenn man einen Torhüter holt, dann muss es ein besserer sein als die, die da sind. Sonst braucht man keinen zu holen", findet Ehrenspielführer Burdenski. Er nennt Casteels' Verpflichtung "überflüssig".
Auch Jürgen L. Born, langjähriger Vorstandschef der Bremer, wundert sich bei SPORT1 über den Umgang mit Wolf: "Was denkt ein Torwart, der bei uns spielt, wenn er ständig liest, dass man sich um einen anderen bemüht?"
Und selbst Raif Husic, bislang dritter Torhüter und nun in die U 23 versetzt, übt offene Kritik an seinem Klub: "Ganz verstehen kann ich es nicht. Wenn in der Situation etwas helfen soll, dann holt man eine Nummer eins", sagte der 18-Jährige der "Bild".
Wiedwald ein Kadidat für den Sommer
Vor Husic stehen in der Hierarchie nun Wolf, Casteels und der Österreicher Richard Strebinger: ein ziemliches Gedränge.
Und zur neuen Saison soll ein neuer Nummer-1-Kandidat kommen, aller Voraussicht nach wird Felix Wiedwald an die Weser zurückkehren.
Eichin wollte ihn schon im Winter, bekam von Eintracht Frankfurt aber nicht die erhoffte Freigabe. Nun sagt er: "Vielleicht haben wir ja schon was Neues für den Sommer."
Man sieht, dass Raphael Wolfs Stand trotz aller Beteuerungen ein schwerer ist.
Prinzipiell nachvollziehbar ist das für die Beobachter in Bremen. Der 26-Jährige gilt als grundsolider Keeper, dem selten schwere Patzer unterlaufen - genauso selten aber auch richtig beeindruckende Rettungsaktionen.
Das gewisse Etwas, die Ausstrahlung, die einem gegnerischen Angreifer schon vor dem Torabschluss aus dem Konzept bringt - sie wird vermisst.
Casteels als Gegenentwurf
Casteels kam in Hoffenheim wie das genaue Gegenmodell herüber. Einer, der mehr ins Risiko geht und deshalb für mehr Glanztaten gut ist. Aber auch für mehr böse Schnitzer.
Wolf hat also einen spannenden Konkurrenzkampf vor sich.
Die Frage ist, ob er ihn stählt und das Beste aus ihm herausholt.
Oder ob ihm das Gefühl, eine Nummer eins auf Abruf zu sein, den Rest gibt.