Seit 31 Jahren ist Horst Schömbs die Stimme des Betzenbergs. Im März 1994 begann er seine Tätigkeit als Stadionsprecher beim 1. FC Kaiserslautern. Aktuell läuft es rund bei den Pfälzern: Platz drei, das Umfeld träumt vom Aufstieg in die Bundesliga.
„Dann waren sie nicht mehr zu halten“
Seine große Passion neben dem Fußball sind die Betze Engel, das soziale Gesicht des FCK, für das er als Botschafter vorneweg geht. Vor dem Heimspiel gegen Hannover 96 (Sa., ab 13 Uhr im LIVETICKER) spricht der 67-Jährige im SPORT1-Interview über die Roten Teufel - und macht dabei eine Liebeserklärung an einen ehemaligen FCK-Stürmer.

SPORT1: Herr Schömbs, wir müssen erst mal etwas klären. 1994 waren Sie für einige Monate der Stadionsprecher bei Mainz 05 und beim FCK. Was war da denn los?
Horst Schömbs: Ich hatte 1991 in Mainz begonnen, das war ein großer Schritt. Es waren schöne Jahre. Dann begann in Kaiserslautern alles früher als geplant. Norbert Thines (der 2021 verstorbene frühere FCK-Präsident, Anm. d. Red.) stellte mich ein. Eigentlich sollte ich erst zur Saison 1994/95 beginnen, aber ich fing früher an, weil der damalige Stadionsprecher Udo Scholz nicht mehr zur Verfügung stand. Und ich bin immer noch da. (lacht)
SPORT1: Aber ein Stadionsprecher bei zwei rivalisierenden Klubs - wie zum Teufel ging das?
Schömbs: Es gab damals keine Rivalität zwischen Kaiserslautern und Mainz. Diese Problematik entstand erst später in der Bundesliga, als es von den Mainzer Fans zu Verunglimpfungen gegenüber Fritz Walter kam. Das hat sehr wehgetan, und da ist einiges kaputtgegangen. Jetzt versucht man, ein Stück weit zur Normalität zurückzufinden.
SPORT1: Wie blicken Sie zurück? 30 Jahre Stadionsprecher am Betzenberg - das ist schon ein heißer Ritt, oder?
Schömbs: Auf jeden Fall. Ich bin im 34. Jahr Stadionsprecher, wenn man Mainz mitzählt. Das ist eine verdammt lange Zeit. Ich blicke glücklich zurück, auch wenn die vier Jahre in der 3. Liga mit dem FCK sehr geschmerzt haben. Aber ich habe Dinge erlebt, die unbezahlbar sind.
„Dann waren die Fans nicht mehr zu halten“
SPORT1: Nämlich?
Schömbs: Es waren viele kleine Momente. Ich hatte das Glück, mit dem FCK in Berlin Pokalsieger und als Aufsteiger Meister zu werden. Der Abstieg in Leverkusen war dagegen hart. Ich werde das Herzschlagfinale 2008 gegen den 1. FC Köln bei Fritz-Walter-Wetter niemals vergessen. Damals wusste niemand, was danach passieren würde. Ich hatte irgendwann entschieden, die Stadiontore öffnen zu lassen – und dann waren die Fans nicht mehr zu halten.

SPORT1: Wie hat sich der Job des Stadionsprechers verändert?
Schömbs: Mein Vorgänger sagte einmal: „Wir schreiben die 86. Spielminute“, obwohl es schon die 92. war, um den Schiedsrichter ein wenig zu beeinflussen. Das gibt es heute natürlich nicht mehr. Bei aller Emotionalität, die der Job mit sich bringt, gehört es dazu, Gästefans wie Gäste zu behandeln und sich der Verantwortung einer solchen Großveranstaltung bewusst zu sein. Ich will keine zusätzlichen Emotionen gegen die Auswärtsfans schüren. Sie sind Gäste, keine Feinde. Ich wünsche keinem etwas Schlechtes - weil ich auch nicht will, dass sie uns etwas Schlechtes wünschen. Dieser Denkweise muss man sich als Stadionsprecher auch verpflichtet fühlen.
SPORT1: Haben Sie auch mal überdreht?
Schömbs: Ja, das war im Rückspiel gegen die Glasgow Rangers. Im Hinspiel im Ibrox Park wurden wir nicht gut behandelt – auch nicht von Trainer Dick Advocaat. Und im Rückspiel habe ich gesagt: „So lassen wir uns auch von Dick Advocaat nicht behandeln.“ Da war natürlich die Hölle los am Betze. Und ich habe von der Presse ordentlich mein Fett weggekriegt.
Schömbs: So bereitet er sich auf Spiele vor
SPORT1: Was war Ihr persönliches Highlight?
Schömbs: Das Spiel in Dresden 2022, als wir in die 2. Liga aufgestiegen sind. Ich habe die Partie alleine zu Hause gesehen - ich bin eher der Alleingucker. In der Pause wusste ich nicht, wie ich die zweite Halbzeit überstehen sollte. Ich musste mir bei meiner Nachbarin eine Beruhigungstablette holen. Nach dem Spiel war ich der glücklichste Mensch der Welt - es war nach meiner Hochzeit der schönste Moment meines Lebens.
SPORT1: Es gibt ja seit einigen Jahren vor einer Saison sogenannte Aussprache-Listen der Vereine an die Medien. Welcher Spielername war für Sie am schwierigsten auszusprechen?
Schömbs: Ich gehe vor jedem Spiel zu den Gästen und spreche die Namen durch. Außerdem schaue ich mir vorher die Pressekonferenz an. Inzwischen gibt es viele Zungenbrecher. Das Schlimmste ist, wenn du als Stadionsprecher die Namen falsch aussprichst. Aber ich bin immer vorbereitet.
SPORT1: Können Sie sich an einen besonderen Party-Moment erinnern?
Schömbs: Oh ja! Besonders war definitiv der letzte Spieltag der Saison 2007/2008, als wir den Klassenerhalt in der 2. Liga erst am letzten Spieltag geschafft haben. Wir waren alle überglücklich. Josh Simpson hatte sich nach seinem wichtigen Tor verletzt, doch wir haben ihn später mit dem Bus aus der Klinik abgeholt. Ich bekomme jetzt wieder Gänsehaut, wenn ich daran denke. Es fühlte sich an, als wären wir Deutscher Meister geworden. Dank einer Schiene musste Josh an dem Abend nicht zurück in die Klinik. Die ganze Stadt war eine einzige Party.
Klose? „Ich war sein größter Fan“
SPORT1: Welcher Spieler war fußballerisch der Beste beim FCK?
Schömbs: Ciriaco Sforza - er war der Spiritus Rector, der Kopf der Mannschaft. Er konnte wirklich alles: das Spiel schnell machen und es auch beruhigen. Aber in meinen 30 Jahren beim FCK gab es eigentlich nur einen Spieler für mich: Miro Klose.
SPORT1: Warum er?
Schömbs: Ich war schon da, als Miro dazu kam. Er war damals völlig unbedarft - und konnte sogar Pfälzer Dialekt sprechen! Das war schon spannend. Miro hat an sich gearbeitet wie kaum ein anderer, und das mit einem unglaublichen Charakter. Er wollte unbedingt ein guter Fußballer werden und ist dabei immer bescheiden geblieben. Das habe ich an ihm so bewundert. Ich war damals sein größter Fan. Ich freue mich sehr, dass es in Nürnberg gut für ihn läuft - ich gönne Miro Klose wirklich alles. Er ist meine absolute Nummer 1, kann so stolz auf sich sein.
SPORT1: Welche Erinnerungen haben Sie an die Saison 1997/98, als Lautern völlig überraschend Deutscher Meister wurde? Haben sie die Fans da nochmal mehr gepusht als sonst?
Schömbs: Absolut. Aber der FCK geht nur ganz oder gar nicht. Entweder bist du von Anfang an bereit, alles zu geben, oder nicht. Vielleicht fehlte mir damals noch das letzte Stück Emotion. Heute kann ich noch mehr raushauen und bleibe trotzdem fair. Ich lasse mich nicht mehr zu etwas Negativem hinreißen – wie damals bei Advocaat.
SPORT1: Die Corona-Geisterspiele waren sicher komisch für Sie. Haben Sie sich da nicht überflüssig gefühlt?
Schömbs: Corona war für alle eine sehr schwierige Zeit. Anfangs saß ich oben bei der Polizei, direkt unter der Sprechanlage. Es war unfassbar laut. Beim nächsten Spiel wurden dann nur noch die Tore durchgesagt. Als wieder Zuschauer zugelassen waren, saß ich im Hausmeisterzimmer und konnte nur durch ein kleines offenes Fenster schauen. Ich hatte gar keinen Überblick über das gesamte Spielfeld. Überflüssig habe ich mich nicht gefühlt, weil immerhin 5000 Zuschauer da waren.
„Fühle mich total wohl zwischen den Trainern“
SPORT1: Haben Sie schon mal etwas am Mikro gesagt, was Sie später bereut haben?
Schömbs: Ja, einmal im Heimspiel gegen den HSV. Drei Tage später stand das Pokalspiel gegen den 1. FC Köln an. Ich weiß nicht, warum, aber ich war gedanklich schon so auf das Köln-Spiel fokussiert, dass ich sagte: „Spielerwechsel beim 1. FC Köln.“ Zum Glück ist es den Zuschauern kaum aufgefallen. Das zeigt, was die mentale Seite bewirken kann.
SPORT1: Gab es mal ein Spiel, das von den Toren her eine besondere Dramaturgie hatte?
Schömbs: Ja, in der Saison 2005/06, am vorletzten Spieltag, im Heimspiel gegen die Bayern. Eigentlich waren wir schon fast abgestiegen. Es war sehr unwahrscheinlich, dass wir am 34. Spieltag in Wolfsburg noch die Klasse halten würden. Wolfsburg spielte beim VfB Stuttgart, der HSV bei Hertha BSC. Es gab eine klare Absprache, dass ich keine Zwischenstände durchsage. Wir führten zur Pause 1:0, die Bayern glichen kurz nach dem Seitenwechsel aus. Sie waren dann so dominant, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie das 2:1 machen. Dann erfuhr ich, dass Hertha 4:2 führte – das bedeutete, dass die Bayern mit einem Remis Meister waren. Plötzlich führte Stuttgart 2:1. Mit dem 1:1 hätten wir also ein Abstiegsendspiel in Wolfsburg gehabt. Mir war es dann egal, ob sie mich rausschmeißen – ich habe das Ergebnis in Berlin für die Münchner durchgesagt. Es war schon krass, als die Bayern das Fußballspielen eingestellt haben. Es war eine bewusste Entscheidung von mir. Leider haben wir in Wolfsburg nur 2:2 gespielt und sind abgestiegen. Fast hätte ich mir einen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert. (lacht)
„Harry Kane beim FCK wäre ein absoluter Traum“
SPORT1: Welchen Spieler hätten Sie gerne beim FCK gesehen, damit Sie einmal seinen Namen durchsagen können?
Schömbs: Ich finde Harry Kane einfach großartig. Er erinnert mich an Miro Klose - nur ohne Salto. Bescheiden, aber immer leistungsstark. Ich liebe diese englische Mentalität. Kane beim FCK wäre ein absoluter Traum - aber leider bleibt es wohl nur dabei.
SPORT1: Welcher Trainer hat Ihnen beim FCK nicht so gefallen?
Schömbs: Es steht mir nicht zu, hier einen Trainer abzuwatschen. Aber eine witzige Geschichte: Ich habe während seiner Zeit beim FCK kein einziges Wort mit Friedhelm Funkel gesprochen – es hat sich einfach nicht ergeben. Nach dem Pokalfinale habe ich mich in Kaiserslautern von ihm verabschiedet, und es war super nett. Er ist ein ganz feiner Mensch und hat sich an diesem letzten Abend viel Zeit für mich genommen. Auf dem Heimweg habe ich damals gedacht: Was für ein interessanter Mensch.
SPORT1: Welchen Traum haben Sie noch?
Schömbs: Natürlich will ich mit dem FCK noch einmal in die Bundesliga aufsteigen. Vielleicht klappt es ja bald. Mein größter Wunsch ist, dass es dem Verein immer gut geht und dass wir bereit sind, alles für diesen wunderbaren Klub zu geben.
SPORT1: Steigt der FCK auf?
Schömbs: Wir haben eine echte Chance. Das Team wurde in der Winterpause gut verstärkt, und ich glaube an diese Mannschaft. Vieles ist möglich.