Peter Lohmeyer ist Schauspieler und ein leidenschaftlicher Anhänger von Schalke 04. Bekannt wurde er 2003 durch seine Hauptrolle als Richard Lubanski im Film „Das Wunder von Bern“. Obwohl Lohmeyer in Hamburg lebt, behält er die Königsblauen stets im Blick.
Draxler wählte „ein anderes Leben“
Im exklusiven SPORT1-Interview spricht der 62-Jährige über seine Schalker, Loris Karius und übt dabei harsche Kritik am früheren Klubboss Clemens Tönnies.

SPORT1: Herr Lohmeyer, Schalke 04 hat mit Loris Karius einen neuen Torwart verpflichtet. Wie denken Sie darüber?
Peter Lohmeyer: Warum denn nicht? Seine Vergangenheit interessiert mich nur in sportlicher Hinsicht. Die Nummer in Liverpool war schon ziemlich heftig – das war ja kein Feuerzeug, das ihn damals getroffen hat, sondern eine Gehirnerschütterung, die ihn im Champions-League-Finale so schlecht aussehen ließ. Er hat sämtliche Junioren-Nationalmannschaften durchlaufen und unter anderem in Mainz bewiesen, dass er das Tor sauber halten kann. Als Konkurrenz für Heekeren (Justin Heekeren, d. Red.) genau der Richtige.
SPORT1: Sie sagten zu Beginn unseres Interviews, dass Sie eben noch in den 1970er-Jahren waren, holen wir Sie aus den Dreharbeiten zu einem neuen Film raus?
Lohmeyer: Nein, ich hätte das Interview nur fast verschwitzt. Ich schreibe gerade ein Buch über meine Fußballgeschichte, das erscheint 2026 rechtzeitig zur WM. Da bin ich gerade in den 70er-Jahren, als ich Schalker wurde. Ich wurde 1962 geboren und 1970 war eine Weltmeisterschaft, die ganz wichtig für mich war, weil mit Stan Libuda ein Schalker dabei war. Er spielte die bulgarische Abwehr beim 5:2-Sieg schwindelig und von da an war ich Schalke-Fan. Das hing auch mit den Trikots zusammen. Ich habe damals bei Fichte Hagen Handball gespielt und sie hatten blaue Trikots. Die 70er-Jahre - eine glorreiche Zeit.
„Selbst Hansi Flick ist nicht immer eine sichere Nummer“
SPORT1: Stan Libuda, Klaus Fischer, Rolf Rüssmann - das waren noch die großen Schalker.
Lohmeyer: Ganz genau, die Kremers Zwillinge, Klaus Fichtel, Lütgebomert, Abramczik, Sobieray. Das waren noch Zeiten.
SPORT1: Wie blicken Sie auf die bisherige Saison Ihrer Schalker zurück?
Lohmeyer: Mit wechselhaften Gefühlen. Schalke war am Anfang der Saison eine Wundertüte. Man weiß nie, ob ein Trainer funktioniert. Außer du holst du eine sichere Nummer. Selbst ein Hansi Flick ist nicht immer eine sichere Nummer, außer er trifft auf die richtige Mannschaft. Wie versteht eine Mannschaft einen Trainer? Das ist doch die entscheidende Frage.
SPORT1: Wie sehen Sie Trainer Kees van Wonderen?
Lohmeyer: Oft fragen sich doch die Spieler bei einem neuen Trainer ‚Was hat der schon gewonnen?‘ Und bei Kees van Wonderen war das nicht viel. Ich habe als Fan abgewartet. Ich wusste bei ihm nur, dass er für das Defensive steht und dafür bin ich gar nicht zu haben. Ich riskiere lieber eine ganze Menge. Was willst du mit Sicherheitsfußball in der Zweiten Liga erreichen? Van Wonderen wollte erstmal etwas stoppen.
Kehrt der FC Schalke in die Bundesliga zurück?
SPORT1: Wann gab es den Aha-Moment bei Ihnen?
Lohmeyer: Das 2:2 beim HSV habe ich mir im Stadion angeschaut, weil ich in Hamburg wohne. Das war doch sinnbildlich für Schalke. Da habe ich Fußball gesehen - und wenn auch nur in der zweiten Halbzeit, womit ich leben kann. Gegen Paderborn und Elversberg hat sich da etwas eingespielt. Anscheinend hatte van Wonderen den Jungs erklärt, wie das Spiel funktioniert.
SPORT1: Es gibt einen zarten positiven Trend mit drei beachtlichen Auftritten zum Jahresende. Es keimt schon fast wieder Euphorie auf. Die Fans träumen schon wieder vom Aufstieg. Fassen Sie sich da an den Kopf?
Lohmeyer: Nein. Träume finde ich immer gut. Und auf Schalke darf geträumt werden. Und in der Zweiten Liga ist alles so eng beisammen. Und deshalb ist da auch alles komplett spannend. Ich denke nicht: ‚Oh, wie furchtbar, Schalke in der Zweiten Liga!‘ Wie herrlich war denn das eine Jahr Zweite Liga vor zwei Jahren? So ist es jetzt wieder. Das ist gar nicht so viel Träumerei. Schalke ist wieder im Rennen. Man muss halt die nächsten Spiele gewinnen. Es gibt aber einen neuen Realismus auf Schalke. Von Spiel zu Spiel denken, das sagt jeder, ist aber jetzt ganz klug. Nochmal: Träumen ist auf Schalke absolut erlaubt.
SPORT1: Haben Sie den Personalwechsel verstanden, als Marc Wilmots und Karel Geraerts beurlaubt wurden?
Lohmeyer: Ich habe gedacht ‚Jetzt bricht alles zusammen!‘ Aber wir stecken da alle nicht drin, um das komplett zu verstehen. Bei Schalke ändern sich Sachen, das finde ich gut. Ich halte viel von Axel Hefer (Aufsichtsratsvorsitzender, d. Red.), weil er eine ganz ruhige und sachliche Art hat. Er ist kein Lautsprecher, der von außen kommt. Es gibt wieder eine klare Linie auf Schalke. Es gibt den besten A-Jugendtrainer der Welt (Norbert Elgert, d. Red.), gar keine Frage, und auf der anderen Seite suchst du nach einem Trainer und einem Sportvorstand. Doch man braucht auch einen Mann, der den Überblick hat. Und den hat man mit Ben Manga gefunden. Was für eine Position er hat, ist mir Latte, wichtig ist, dass die Kommunikation da läuft. Und das scheint endlich gegeben zu sein. Wichtig ist, dass Kees van Wonderen und Ben Manga offenbar einen Draht zu Elgert haben, der super stolz auf seine Jugendarbeit ist. Das andere hat nicht gepasst, sonst wären Wilmots und Geraerts noch da.
„Bei Schalke stimmt wieder etwas miteinander“
SPORT1: Warum glauben Sie an diese neue Linie bei S04?
Lohmeyer: Ich habe beim Spiel im Volksparkstadion mit der neuen Finanzvorständin Frau Rühl-Hamers gesprochen. Das war eines der interessantesten Gespräche über Schalke seit langem. Ich habe das Gefühl, dass das eine kompetente Person ist, die weiß, was sich Schalke leisten kann und muss und wie man mit bestimmten Dingen umgeht. Wie diese Frau die Schalker Zukunft sieht, hat mich überzeugt. Schalke geht wieder kleinere Schritte und macht, was möglich ist. Bei Schalke stimmt wieder etwas miteinander. Alle müssen sich am Riemen reißen, dass weiter gut miteinander kommuniziert wird.
SPORT1: Geraerts sagte im November in einem Interview in Belgien: „Ich habe in einem Jahr bei Schalke mehr erlebt als in meiner gesamten Karriere. Innerhalb von Schalke gibt es viele Lager.“ Jeder habe „seine eigene Agenda und macht sein eigenes Ding“.
Lohmeyer: Das hat Geraerts nicht geschadet. Er war natürlich auch enttäuscht. Was mich immer stört, ist, dass sich Spieler und Trainer immer wundern, was da los ist. Sie sollten alle vor Vertrag-Abschluss, mal ein Schalke-Seminar machen, dann wüssten sie, dass das nicht einfach wird. Es ist wie beim HSV, da ist richtig was los. Da musst du ganz stark aufpassen, denn es ist keine erarbeite Wohlfühloase wie in Heidenheim oder Freiburg. Schalke ist eine andere Nummer und alle tun immer so überrascht, wenn sie zu uns kommen. Wenn ich ans Burgtheater gehen würde, wüsste ich auch, was Sache ist.
SPORT1: Hat Schalke eigentlich noch Gesichter? Karaman muss hier sicher genannt werden, oder?
Lohmeyer: Er ist zum Typ geworden. Karaman tut Schalke gut. Ich hatte bei ihm meine Zweifel, aber dann hat er die Tore gemacht. Mir fehlt noch, dass sich ein Talent durchsetzt. Welcher Verein hat noch echte Typen? So etwas muss wachsen. Und so etwas wächst für mich vielleicht mit einem Aufstieg. Vielleicht wird Karaman der Typ sein, der das verkörpert.
Schalke? „Draxler hat sich für ein anderes Leben entschieden“
SPORT1: Rüdiger Abramczik sagte im SPORT1-Interview vor dieser Saison, dass er sich eine Rückkehr von Julian Draxler zu Schalke gewünscht hätte. Sie auch? Zuletzt hat Draxler in Katar für drei Jahre verlängert.
Lohmeyer: Draxler hat sich für ein anderes Leben entschieden. Er hält seine Knochen nicht mehr so hin, wie er das bei Schalke oder in der englischen Championship machen müsste. Er hat in Paris schon gemerkt, dass das Leben auch so ganz schön sein kann. Wenn er jetzt gesagt hätte: ‚Ich mache das nochmal auf Schalke‘, hätte ich das sofort ausprobiert. Ich mag Typen, die für Schalke alles geben wollen. Amin Younes ist so einer. Er krempelt noch einmal die Ärmel hoch. Ich liebe das, wie er Fußball spielt, oder auch Murkin (Abwehrspieler Derry Murkin, d. Red.). Er ist auch ein richtiger Typ, ein Arbeitstier und passt zu Schalke.
SPORT1: Youri Mulder ist auch so ein Typ, der für Schalke lebt. Ist er auch langfristig einer, mit dem man sich als Schalke-Fan anfreunden könnte?
Lohmeyer: Ja, das kann ich mir vorstellen. Gerade, wenn es um Kommunikation zwischen Ben Manga, dem Trainer und Mulder geht. Aber er muss anwesend sein. Du darfst nicht immer in der Mittagspause in die Niederlande fahren. Aber das macht Mulder ja nicht. Es braucht keinen Bobic, ich würde es begrüßen, wenn Mulder das länger macht.
SPORT1: Jetzt wird der Name Clemens Tönnies ins Spiel gebracht. Ist eine Rückkehr wirklich denkbar?
Lohmeyer: Tönnies ist ein schwieriges Thema. Keine Ahnung, warum manche glauben, dass Tönnies diesem Verein helfen könnte. Wenn er es als echter Schalker gewollt hätte, dann hätte er es doch längst tun können. Der Typ ist Milliardär, er muss nur mit dem Finger schnippen, dann wären die Schulden von Schalke 04 bezahlt. Seine Kredite hat er sich schön mit Zinsen zurückzahlen lassen. Wenn er zurückkommen sollte, wüsste ich nicht, warum. Sonnenkönige gab es auf Schalke genug. Ich sage nur Eichberg. Es darf sich bei Schalke keiner wichtiger nehmen, als er ist. Nur das „Steigerlied“ singen, reicht nicht. Es reicht mir, dass da eine Wurst aus Massentierhaltung verkauft wird, die ich nicht unbedingt essen muss.
„Raúl ist ja Gott auf Schalke“
SPORT1: Was macht Schalke wirklich aus?
Lohmeyer: Eigentlich ist der Verein zu groß für das, was man so fühlt. In den vergangenen Jahren gab es Union Berlin, die hat man gefühlt, obwohl man gar nicht Fan war. Der FC St. Pauli ist auch so ein Klub. Und wenn du ein Herz hast für so einen kleinen Verein, dann wächst da etwas heraus. Schalke hat 180.000 Mitglieder, die fast alle gleich fühlen. Die Blase Schalke wurde leider immer unübersichtlicher, das war auch diese Tönnies-Zeit. Da wurde mehr von der Champions League geredet und dann eine Fan-Nähe vergessen. Dann wurde ein Magath geholt. Dieses wichtige Getue hat genervt.
SPORT1: Auch die Raúl-Geschichte?
Lohmeyer: Auf jeden Fall. Raúl ist ja Gott auf Schalke. Ich habe ihn immer kritisch gesehen, weil so ein Spieler immer die Struktur der gesamten Mannschaft durcheinanderbringt... Als Raúl kam, hat Draxler ganz schnell ein Angebot von Wolfsburg angenommen. Raúl war auf der einen Seite ein Gewinn, weil er eine Persönlichkeit ist und natürlich fantastisch am Ball, er hat auch den Pokal mit uns gewonnen, aber er hat andere Spieler in der Entwicklung blockiert.
SPORT1: Raúl als Trainer auf Schalke wäre für Sie ein Unding gewesen?
Lohmeyer: Das wäre gar nichts gewesen, er hat gar nicht die Erfahrung. Schalke ist gerne eine Gerüchteküche und deshalb ist schnell Chaos da. Am besten ist jetzt mal schön den Ball flach halten und in Braunschweig muss gleich mal ein Sieg her. Um Gottes willen auf Nichts ausruhen. Schalke muss ein Ausrufezeichen setzen.
SPORT1: Steigt Schalke auf?
Lohmeyer: Ich lege mich fest - aber bitteschön mit dem HSV, dann habe ich ein Heimspiel mehr.