Es war eine Szene, wie sie die Fans des 1. FC Kaiserslautern in den vergangenen Wochen immer wieder bestaunen durften. Daisuke Yokota macht einen langen Ball fest und geht gegen Karlsruhes Abwehrchef Marcel Franke an der Außenlinie ins Dribbling. Nach mehreren Übersteigern und Finten ist der Japaner nur durch ein Foul zu stoppen. Am Boden sitzend streckt Yokota die Zunge in die Richtung der jubelnden Zuschauer heraus, grinst und reckt beide Daumen nach oben.
In dieser Liga fehl am Platz
Klarer Derby-Sieg gegen den KSC
Dass der FCK nach dem anschließenden Freistoß in Person Jannis Heuer auf 3:0 stellt und das Derby gegen den KSC letztlich mit 3:1 gewinnt, ist die Krönung der jüngsten Entwicklung, die die Pfälzer auf Platz zwei katapultiert hat - durch 17 Punkte in den vergangenen sieben Ligaspielen. Mittendrin: Yokota, der nach leichten Anlaufschwierigkeiten beim Traditionsklub voll eingeschlagen ist.
Yokota hatte schon Spiele, in denen er seine im Lauterer Kader einzigarten Fähigkeiten häufiger zeigen konnte. Stellvertretend hierfür stehen der Gala-Auftritt beim dramatischen 4:3-Erfolg in Düsseldorf mit zwei Scorerpunkten und jüngst der 3:0-Sieg auf Schalke, bei dem er mit einem überragenden Solo für den Endstand sorgte.
„Kein Zufall dabei“
Entsprechend stellte FCK-Trainer Markus Anfang im Nachgang des Siegs gegen Karlsruhe die Mannschaft in den Vordergrund: „Es ist schwierig, nach so einem Spiel nur über einen Spieler zu reden, weil wir das als Kollektiv ganz ordentlich gemacht haben“, sagte er auf Nachfrage von SPORT1. Dann aber geriet er bei seinem Schlüsselspieler doch ins Schwärmen. „Alles, was er macht, hat Hand und Fuß. Da ist kein Zufall dabei. Alles, was ihr seht, macht er auch im Training. Wir sind glücklich, dass er da ist.“
Yokota sei „ein Spieler, dem du gewisse Freiräume lassen“ müssest. Auch der Faktor Spaß sei für dessen Spiel elementar. „Er sprüht gerade vor Spielfreude. Das hilft uns natürlich. Ihm tut es gut, dass wir eine klare Struktur haben, wo er aber auch seine Freiräume hat“, erklärte Anfang weiter. In der FCK-Offensive um den derzeit verletzten Topstürmer Ragnar Ache hat Yokota ebendiese Freiräume.
Der Weg des 24-Jährigen nach Kaiserslautern verlief durchaus kurios und gar nicht so, wie er bei einem aufstrebenden Talent eigentlich sein sollte. Beim japanischen Klub Kawasaki Frontale sah sich Yokota 2018 im Alter von 18 Jahren in einer Sackgasse und wagte den Sprung nach Europa. Ziel: die U19 des FSV Frankfurt. Der dortige Videoanalyst war Japaner. Für Yokota war es ohne Deutsch- und mit äußerst überschaubaren Englisch-Kenntnissen ein Schritt ins Ungewisse.
„Hast du mir da Messi gebracht?“
„Physisch war er sehr schwach. Als wir das erste Mal in den Kraftraum gingen, war er nach 15 Minuten tot. Aber technisch hatte ich so etwas noch nicht gesehen, er war wirklich überragend, dazu sein linker Fuß“, blickte der damalige FSV-Trainer Hakan Sünal beim Kicker auf Yokotas Anfänge in Deutschland zurück. Deshalb habe er den Spielervermittler auch scherzhaft gefragt: „Hast du mir da den Messi gebracht?“
Doch trotz guter Ansätze dauerte es in der Folge bis ins Jahr 2021, ehe Yokota eine richtige Heimat finden konnte: in Lettland beim FC Valmiera. Nach Frankfurt folgte eine Saison bei Carl Zeiss Jena II, die von einer lange fehlenden Spielberechtigung geprägt war. Dann ging es steil bergauf: 20 Scorerpunkte in Lettland, der Wechsel zu Podolski-Klub Gornik Zabrze im Februar 2023 und nur elf Monate später der Transfer zur KAA Gent. Zwei Millionen Euro überwies der belgische Klub nach Polen.
Dass sich nach nur einer halben Saison für den Technischen Direktor des FCK, Enis Hajri, die Chance auf eine Leihe bot, verdankte er einem glücklichen Zufall. Obwohl Yokota im Sommer für Gent noch viermal in der Conference-League-Qualifikation auf dem Platz stand, sah Trainer Wouter Vrancken sein Team künftig in einem 3-4-3-System ohne klassischen Flügelspieler. Zwar ist Yokota in der Offensive flexibel einsetzbar, dennoch öffnete sich für Hajri eine Tür.
„Der Unterschiedspieler in der Liga“
„Es war klar: Wenn er gesund ist, kann er der Unterschiedsspieler in der Liga sein“, sagte Hajri dem Kicker und berichtete von Yokotas Vorstellung vor der Westkurve im Rahmen des Heimspiels gegen Hertha BSC. „Ich habe ihn vor dem Spiel mit auf den Platz genommen, der Stadionsprecher hat ihn vor der Kurve vorgestellt. Er hat danach gezittert. ‚Was ist denn das? Das ist ja wahnsinnig‘, sagte er zu mir.“
Den Coup am letzten Tag der Wechselperiode fasste Hajri wie folgt zusammen: „Eigentlich war der Transfer nicht machbar.“ Entsprechend fragen sich die Fans der Pfälzer bereits jetzt, ob es auch nur den Hauch einer Chance gebe, Yokota über die Saison hinaus zu halten.
Geschäftsführer Thomas Hengen sorgte zuletzt für einen ersten Dämpfer, indem er im Interview mit dem Fanportal Treffpunkt Betze klarstellte: „Nein, eine Kaufoption gibt es nicht.“ Zwar wolle er nichts ausschließen, aber: „Wir sind halt nicht allein auf dieser Fußballwelt. Es gibt viele Vereine, die viel, viel mehr Geld haben als wir, mit denen wir nicht mithalten können.“ Auch nütze es nichts, „eine Kaufoption über 5 Millionen zu vereinbaren, die wir am Ende sowieso nicht stemmen können“.
Somit gilt es für alle Anhänger des FCK, den derzeitigen Höhenflug zu genießen und sich an den Leistungen von Yokota zu erfreuen. Nach einer von Abstiegssorgen geplagten Vorsaison sind die Gedanken über die Zukunft des Japaners ein reines Luxusproblem.