Eine Badehose, eine fiktive Radioreportage und ein fast verbrannter Geldschein - die Mitgliederversammlung von Hertha BSC bot offenbar beste Unterhaltung. Die Süddeutsche Zeitung schrieb von einem Spektakel, „das locker mit den besten Kabaretts der Stadt mithalten konnte“. Vor allem die teils skurrilen Auftritte der Präsidentschaftskandidaten sorgten für Aufsehen.
„Sneaker-Millionär“ mit bizarrer Rede
„Sneaker-Millionär“ Stepan Timoshin zückte bei seiner Rede ein Feuerzeug und deutete an, einen Geldschein anzuzünden. „Ich habe keine Lust, dass Hertha weiter Geld verbrennt“, wurde der 23-Jährige bei der B.Z. zitiert. Er wolle im Verein aufräumen und „die Verantwortlichen schonungslos zur Rechenschaft ziehen“. Als er den später zum Präsidenten gewählten Fabian Drescher als Marionette bezeichnete, reagierte der Saal mit Pfiffen und Buhrufen.
Für Aufsehen sorgte auch der Auftritt von Imbissbesitzer Olaf Brandt. Der 56-Jährige spielte zu Beginn seines Redebeitrags von seinem Handy eine fiktionale Radioreportage aus dem Jahr 2031 vor, in der Ibrahim Maza die Hertha zum Meistertitel schießt.
Kandidat präsentiert Badehose
Zudem dementierte er seine angeblichen Verbindungen zur Reichsbürger-Bewegung, die ihm wegen des Tragens einer schwarz-weiß-roten Hose vorgeworfen wurden. Als Gegenbeweis präsentierte Brandt die Hose auf der Bühne mit den Worten: „Das ist eine Adidas-Badehose. Keine Reichsbürgerhose.“
Kandidat Uwe Dinnebier trat mit einem besonderen Briefumschlag ans Rednerpult. „Ich habe ein Kuvert von großen Berliner Unternehmen, die bereit sind, Hertha zu unterstützen“, sagte er. Erst nach Forderungen der Zuhörer öffnete er den Umschlag und verlas einige Firmennamen, „die allerdings den allermeisten im Saal nichts zu sagen scheinen“, hieß es beim rbb.
Drescher gewinnt Wahl mit deutlicher Mehrheit
Letztlich entschied Drescher die Präsidentschaftswahl mit großer Mehrheit zu seinen Gunsten. Der 42 Jahre alte Rechtsanwalt, der den Spitzenposten nach dem Tod von Kay Bernstein im Januar kommissarisch übernommen hatte, erhielt mehr als 80 Prozent der Stimmen der 3903 stimmberechtigten Hertha-Mitglieder. Seine Amtszeit wird vier Jahre dauern.
„Ich habe in den letzten Monaten gezeigt, dass ich ein solches Team führen kann. Ich kann Kay nicht ersetzen, aber ich werde seinen Weg weiterführen“, sagte Drescher über den von Ex-Präsident Bernstein eingeschlagenen „Berliner Weg“. Drescher ist seit 2016 Teil des Präsidiums und hatte unter Bernstein das Amt des Vizepräsidenten inne.
Neue Rolle für Pal Dardai
"Wir haben auf der sportlichen Ebene wichtige Weichenstellungen getroffen und sind auf dem Weg der finanziellen Gesundung. Wir spüren Zusammenhalt im Verein, wie ich es noch nie erlebt habe", sagte Drescher in seiner Rede. Hertha solle zukünftig weiter sportlich ambitioniert, dabei aber immer realistisch bleiben. Drescher will für den "Traum Bundesliga" weiter auf die Jugendarbeit und Förderung eigener Talente setzen.
Außerdem verkündete Geschäftsführer Thomas E. Herrich, dass Vereinsikone Pal Dardai künftig im Scouting sowie als Markenbotschafter für die Berliner tätig sein werde.
Mit 4061 anwesenden Mitgliedern übertraf die Versammlung den bisherigen Rekord aus dem Jahr 2012 (3401). Seit der Wahl Bernsteins im Sommer 2022 verzeichnete die Hertha zudem rund 17.000 neue Mitglieder, insgesamt sind es nun 58.147. Stadtrivale Union Berlin kam Anfang Oktober auf 67.638 Mitglieder.
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)