Der Fußball ist ein komplexer, von vielen Zufällen geprägter und damit völlig unberechenbarer Sport. Da hilft es manchmal, die Dinge so einfach wie möglich zu sehen - und sich zunächst ein Sinnbild für das „Große Ganze“ heranzuziehen. Im Falle des 1. FC Köln war es am vergangenen Sonntagnachmittag nicht schwer, ein solches zu finden. Es hörte auf den Namen Leart Paqarada.
Das Pulverfass knistert wieder
Eine Viertelstunde lang sorgte der Rechtsverteidiger dafür, dass die Welt der Domstädter eine heile war. Vorlage zum 1:0 durch Luca Waldschmidt, Vorlage zum 2:0 durch Downs, Vorlage zum 3:0, das wiederum Downs erzielte - Paqarada befand sich ganz früh auf dem besten Wege, zum gefeierten Mann des Tages zu werden.
Doch dann riss er seine Verdienste selbst zum Teil wieder ein. Bei den beiden ersten Anschlusstoren des Karlsruher SC war er derjenige, der gegen den Flankengeber zu spät kam.
Köln steht sich selbst im Weg
Da half es nicht, dass auch das 4:2 durch Tim Lemperle kurz vor der Pause aus einer seiner Hereingaben resultierte, denn kurz nach dem Seitenwechsel glichen die Badener zum umjubelten 4:4 aus. „Für den neutralen Zuschauer ein atemberaubendes Spiel“, resümierte Paqarada hinterher und merkte an: „Für uns verlorene Punkte.“ Sein Vorlagen-Viererpack sei immerhin „ein cooler Fakt“, über den er sich „vielleicht später zu Hause“ freuen könne.
„Aber ich hätte vor dem Spiel gedacht, dass sich vier Assists besser anfühlen“, fasste er seine Gefühlslage nach dem denkwürdigen Spiel zusammen.
Wieder hat der „Effzeh“ einen sicher geglaubten Sieg aus der Hand gegeben - wie schon in den beiden Spielen zuvor. Zweimal in Folge war man drückend überlegen, nahm aber nur einen Punkt aus den Duellen gegen Magdeburg und Düsseldorf mit.
Während da aber die mangelnde Effizienz als großes Thema diskutiert wurde, stand diesmal die wenig sattelfeste Abwehr im Mittelpunkt. Das Gefühl bleibt allerdings das gleiche: Köln wirft zwar alles in die Waagschale, um oben anzuklopfen, stellt sich aber immer wieder selbst ein Bein. So laufen ihnen die Punkte unaufhaltsam davon.
Struber will „den Finger in die Wunde legen“
4:4 gegen den KSC - trotz 3:0 und 4:2-Führung. Trainer Gerhard Struber wollte von positiven Aspekten deshalb nichts mehr wissen und übte erstmals in seiner Amtszeit deutliche Kritik an seiner Mannschaft. „Ich habe nie Kontrolle und Dominanz gesehen“, mahnte er und zählte eine große Baustelle nach der anderen auf. „Wir waren effizient im Toreschießen, keine Frage. Gleichzeitig haben wir dem Gegner immer wieder zu viel Raum und Möglichkeiten gegeben, sein typisches Spiel aufzuziehen.“ Die Basics seien nicht ausreichend gewesen, „viel zu zurückhaltend, viel zu passiv“ hätten sie agiert.
„Wir haben zusammen nicht gut verteidigt. Wenn man vier Tore kriegt, kann man in keinster Weise happy sein“, stellte Stuber entschlossen fest und fügte hinzu: „Speziell nach dem 3:0 haben wir in der Intensität einen Gang zurückgeschaltet. Gegenpressing ist ein Mittel, um das Spiel zu gestalten. Das haben wir nicht so gemacht, wie wir es uns vorgenommen hatten.“
So versprach der 47-Jährige, „den Finger in die Wunde legen“ zu wollen. Natürlich könne er nach einer solchen Begegnung „nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“.
Keine Frage, rein von den Zahlen her müsste der „Effzeh“ in der Tabelle ganz woanders stehen. 154 Torschüsse verzeichnet die Stuber-Elf im bisherigen Saisonverlauf - und damit sage und schreibe 48 mehr als Fürth, die den zweithöchsten Wert aufweisen. Auch bei den Expected-Goals liegt Köln (19,1) mit einem riesigen Abstand vor den ersten Verfolgern Düsseldorf (12,7) und Elversberg (12,6). Das Problem: Hinten aber führt fast jeder Angriff des Gegners zu einer Großchance, bei fast jeder Flanke brennt es im Strafraum lichterloh. Ein Thema, das sich durchzieht.
Harte Köln-Kritik von Terodde
Simon Terodde, der in seiner Karriere zweimal für die Rheinländer auf Torejagd ging, drückte es drastisch aus. „Ich habe das Gefühl, die Kölner treffen sich und spielen Fußball wie auf dem Bolzplatz. Man will ein bisschen Spaß haben. In den ersten 20 Minuten sah das auch gut aus, aber ich sehe keinen roten Faden im Spiel“, kritisierte der frühere Profi und heutige TV-Experte bei Sky.
Zuvor getätigte Aussagen von Kapitän Timo Hübers, der sagte, das Team habe einen „super offensiven Ansatz“ und schaffe es nur nicht, diese Führung über die Zeit zu bringen, konnte er nicht teilen.
„Ich muss Timo Hübers ein bisschen widersprechen, da gehört schon mehr dazu“, betonte Terodde. „Das muss man aufarbeiten, das war jetzt nicht zum ersten Mal der Fall. Da hat man einen richtigen Schlag gegen die Fresse bekommen. Ich bin gespannt, wie man das analysieren wird.“
Dem Rekordschützen der 2. Liga fehle vor allem die nötige Seriosität im Kölner Spiel und ein Profi, der die junge Mannschaft auch nach Gegentoren an die Hand nimmt. Stattdessen würde Köln die Defensive vernachlässigen und nur noch „vogelwild“ in Richtung des gegnerischen Kastens spielen, was dann zu so einem wilden Ergebnis wie gegen Karlsruhe führe.
Wieso Köln am „großen Ganzen“ festhalten möchte
Einen eigenen Vorsprung verspielte der Traditionsklub nebenbei nicht nur gegen den KSC, sondern schon gegen Düsseldorf, Magdeburg und Elversberg. Dass dies am 7. Spieltag bereits zum vierten Mal geschah, quittierten die Fans im Rhein-Energie-Stadion am Sonntag nach dem Spielschluss mit überdeutlichen Pfiffen.
Die anfängliche Euphorie, die durch den Verbleib vieler Leistungsträger entfacht wurde, scheint Geschichte zu sein. Eher muss der „Effzeh“ aufpassen, nicht im grauen Mittelfeld der Tabellen stehenzubleiben. Das Pulverfass im oft so unruhigen Kölner Umfeld, es brodelte vielleicht noch nicht, es knistert aber zumindest wieder.
Wäre Strubers Mannschaft mit einem kompromisslosen, pragmatischen und abgezockten Stil erfolgreicher als mit dem derzeitigen hohen Aufwand, den Köln oft betreibt, ohne dafür belohnt zu werden?
Hübers verneinte diese Vermutung. „Wir müssen irgendwie einen Weg finden, eine Führung über die Zeit zu bringen“, sagte der Abwehrspieler. „Bevor man einen kompletten Plan über den Haufen wirft, sollte man schauen, ob man ihn noch verfeinern kann. Ich finde es zu einfach, nach drei Spielen, die nicht mit Punkten belohnt wurden, das ‚große Ganze‘ infrage zu stellen.“