Markus Anfang hatte keinen leichten Start als neuer Trainer des 1. FC Kaiserslautern. Der Tod des langjährigen Zeugwarts Peter Miethe sorgte für große emotionale Erschütterung.
Hat der FCK ein Mentalitätsproblem?
Auch sportlich gibt es Schwierigkeiten, vor dem Topspiel zu Hause gegen den SC Paderborn (Samstag, ab 19.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1) belegt der FCK nach acht Spieltagen nur Platz zwölf – zu wenig für die Ansprüche. Schon wird es etwas unruhig im Umfeld des Klubs.
Im Interview mit SPORT1 spricht Anfang über den Start, Fan-Wut und den Druck im Duell mit Paderborn.
„Wir können das nicht vergessen“
SPORT1: Herr Anfang, wie haben Sie Ihre ersten Monate beim FCK erlebt, die durch den Tod von Zeugwart Peter Miethe emotional sicherlich sehr getrübt wurden?
Markus Anfang: Ich bin ja neu hier. Auch wenn ich als Spieler schon hier war, ist es als Trainer eine ganz andere Situation. Ich habe viele nette Menschen im Umfeld, die alle versuchen, mir unter die Arme zu greifen. Aber wir haben natürlich auch unsere Abläufe, die sich erst einmal einspielen müssen. Das hat etwas Zeit gebraucht. Hinzu kam, dass wir uns auch intensiv mit dem Kader und der Kaderzusammenstellung auseinandergesetzt haben. Leider hatten wir dann im Trainingslager diesen schlimmen Unfall von Peter, der das Ganze stark überschattet hat. Ich finde aber, dass die Jungs gut damit umgegangen sind. Wir können das nicht vergessen, und wir wollen auch den Menschen „Piet“ nicht vergessen. Er war ein besonderer Mensch.
SPORT1: Der FCK steht nach acht Spielen auf Platz zwölf. Zufrieden kann man damit kaum sein, oder?
Anfang: Ich bewerte den Tabellenplatz nicht, sondern konzentriere mich auf die Spielverläufe und unsere Entwicklung. Wir sind holprig in die Saison gestartet, die Mannschaft tat sich anfangs schwer, hat sich aber verbessert. In den letzten Spielen waren wir variabler, was den Spielern mehr Mitbestimmung gab. Der Druck in Meisterschafts- und Pokalspielen ist jedoch höher, und wir befinden uns gerade in diesem Prozess.
Anfang: „Wer dafür kein Verständnis hat, ist fehl am Platz“
SPORT1: Anlass zur Sorge gab vor allem die zweite Hälfte beim 0:1 in Elversberg. Auch die Fans wurden gegenüber der Mannschaft deutlich. Wie sehr ist das bei Ihnen noch präsent?
Anfang: Die Reaktion der Fans gehört in gewisser Weise dazu. Man kann nicht, wenn man in Kaiserslautern spielt, sagen: „Es ist alles toll. Wir haben hier eine großartige Atmosphäre, 50.000 Zuschauer, und das ist fantastisch.“ Und dann akzeptieren wir nicht, wenn die Fans beim Auswärtsspiel in Elversberg enttäuscht sind, weil wir so eine zweite Halbzeit spielen? Wer dafür kein Verständnis hat, ist fehl am Platz. Die Fans haben das Recht, ihre Meinung zu äußern und ihre Reaktionen zu zeigen.
SPORT1: Wie fällt ihre Analyse aus?
Anfang: Ich finde, die erste Halbzeit war gut. Die zweite Halbzeit war definitiv nicht gut. Genau das ist unser Problem. Wir schwanken zu stark, sind nicht stabil genug. Diese Stabilität erreicht man nur, wenn man eine gewisse Konstanz hat. Das bedeutet auch, dass man die Spieler konstant zur Verfügung hat und sie konstant gute Leistungen bringen. Das ist einer der Punkte, an denen es uns noch mangelt.
Hat der FCK ein Mentalitätsproblem?
SPORT1: Geschäftsführer Thomas Hengen hat kürzlich gesagt: „Wir müssen mit voller Überzeugung auf dem Platz stehen und die Intensität bis zum Ende durchziehen. Es geht um Einstellung, Mentalität sowie Lauf- und Kampfbereitschaft.“ Hat ihre Mannschaft ein Mentalitätsproblem?
Anfang: Das ist interpretierbar. Thomas fordert nicht, dass die Spieler ihre Qualitäten erst zeigen müssen, sondern dass sie diese über 90 Minuten durchhalten. Das haben sie oft bewiesen, allerdings nicht durchgängig, was unser Problem ist. In Phasen, in denen sie nicht ihre Leidenschaft zeigen, kippen die Spiele. Ein Beispiel ist das Spiel gegen Hannover: Wenn die Mannschaft nicht mit der nötigen Intensität auftritt, hat der Gegner in den ersten fünf Minuten drei große Torchancen. Das sind Momente, die wir ansprechen müssen. Es geht immer um Mentalität und Leidenschaft, was jedoch nicht bedeutet, dass die Mannschaft diese Eigenschaften nicht hat.
SPORT1: Sondern?
Anfang: Es geht nur darum, dass sie es in diesen Situationen nicht richtig auf den Platz bringen können. Wir wissen, dass die Spieler es können und fordern das auch ein. Aber letztlich liegt es an ihnen, das auf dem Platz zu zeigen. Weder ich als Trainer noch Thomas können das von außen beeinflussen. Unsere Aufgabe ist es, die Spieler kontinuierlich zu motivieren, ihre Leistung über die vollen 90 Minuten abzurufen, was auch ihrem eigenen Anspruch entspricht.
SPORT1: Wie nehmen Sie die Stimmung nach der Länderspielpause vor dem wichtigen und schweren Spiel gegen Paderborn wahr? Spüren Sie den Druck?
Anfang: Ich gehe in jedes Spiel, um es zu gewinnen. Ich denke nicht darüber nach, einfach nur nicht zu verlieren – das haben wir schon gegen die Hertha gezeigt. Nach dem 3:3 haben wir eine Doppelspitze gebracht, weil wir das Spiel unbedingt gewinnen wollten. Wir versuchen weiterhin, die Ruhe zu bewahren. Natürlich haben wir viele Punkte liegen lassen, das haben wir schon angesprochen. Es liegt an uns, das am Ende auch umzusetzen. Die Stimmung beeinflusse ich durch gute Spiele und Ergebnisse, das ist mein Fokus.
SPORT1: Sie waren der Wunschtrainer von Thomas Hengen. Wie selbstkritisch nehmen Sie ihn in diesen Wochen wahr?
Anfang: Wir kennen uns schon länger, wir haben zusammen gespielt und pflegen ein offenes, gutes Verhältnis. Ich finde, dass Thomas seine Zeit hier sehr erfolgreich gestaltet hat. Er hat den Verein vor dem Abstieg in die Regionalliga gerettet und in die zweite Liga geführt. Im vergangenen Jahr stand er mit dem Verein im Pokalfinale, und auch wirtschaftlich gab es in den letzten Jahren viele positive Entwicklungen. Auch wenn es mir nicht zusteht, im Nachhinein über seine Arbeit zu urteilen, kann ich nur die Fakten nennen, die daraus resultieren. Thomas ist ein offener, kommunikativer Mensch, der regelmäßig in Gespräche über den Kader und die Herangehensweise eintritt. Ich kann nichts Negatives sagen. Unterschiedliche Meinungen sind normal und wichtig; wir müssen nicht immer das sagen, was der andere hören will. Ich empfinde ihn als klar, zielorientiert und fokussiert.
SPORT1: War es aber vielleicht ein Fehler, sich zu Beginn mit dem Spielermaterial zufrieden zu geben? Hätten Sie mehr Druck machen sollen, um einen richtigen Kracher zu verpflichten?
Anfang: Im Fußball braucht man immer eine gewisse Zeit, um die Spieler kennenzulernen und Stresssituationen in der Meisterschaft abzuwägen. Vertragslaufzeiten sind ebenfalls ein Thema; man kann den Kader nicht von heute auf morgen komplett umbauen. Es ist wichtig, den aktuellen Spielern die Möglichkeit zu geben, sich zu zeigen. Wir müssen jedoch auch Entscheidungen treffen, wie wir den nächsten Schritt gestalten wollen. Das besprechen wir im Team und treffen gemeinsam die notwendigen Entscheidungen.
Kramer? „Haben potenzielle Kandidaten kontaktiert“
SPORT1: Wünschen Sie sich eigentlich noch einen richtigen Sechser?
Anfang: Ich glaube, in einer Transferperiode kannst du nicht alles abdecken. Wir haben Spieler, die diese Position spielen können. Die grundsätzliche Frage ist: In welcher Verfassung sind sie? In welcher Verfassung ist gerade die Mannschaft? Wir brauchen auf jeden Fall Spieler, die noch häufiger den Mund aufmachen und vielleicht die Führung übernehmen, um das Thema Konzentration über 90 Minuten aufrechtzuerhalten. Einer, der permanent seine Mitspieler auf dem Platz anspricht, erreicht, dass der Spieler immer wieder aufmerksam ist und somit eine hohe Konzentration hat. Das sind die Punkte, die wir verbessern können.
SPORT1: Es kamen im Sommer viele neue Spieler hinzu, und Sie sind ebenfalls neu. Ist die Hierarchie im Team noch nicht so, wie Sie es sich vorstellen?
Anfang: Dadurch, dass wir immer wieder angeschlagene Spieler haben und die Spielertypen noch nicht ihre genaue Rolle innerhalb der Mannschaft gefunden haben, befinden wir uns auch hier noch in einem Prozess. Das braucht Zeit - es ist alles noch nicht ausgereift. Wir brauchen auch Spieler, die in diese Rollen hineinwachsen, die wesentlich mehr kommunizieren und damit auch die eine oder andere tragende Rolle innerhalb der Mannschaft übernehmen.
SPORT1: Vor der Saison gab es Gerüchte Christoph Kramer, hätte man sich um einen erfahrenen Spieler wie ihn bemühen sollen?
Anfang: Wir haben uns dazu entschieden, den Spielern im Kader, die wir auf diesen Positionen sehen, die Chance zu geben, sich zu beweisen und Impulse zu setzen. Natürlich beobachten wir den Markt, das ist Teil unseres Jobs. Wichtig ist, dass wir alle von einem Spieler überzeugt sind und dass er zu uns und unserer Philosophie passt. Wir haben dafür potenzielle Kandidaten kontaktiert und einige davon auch zu uns geholt. Ich bin überzeugt, dass uns diese Spieler, wenn sie fit sind, weiterhelfen werden.
„Dafür fehlen uns die Flügelspieler“
SPORT1: Ein Spieler, der unter Ihnen definitiv den nächsten Schritt gemacht hat, gerade leider wieder verletzt ausfällt, ist Aaron Opoku. Sein Vertrag läuft aus. Wie sehen Sie seine Entwicklung?
Anfang: Aaron hat viele Qualitäten, insbesondere auf dem Flügel. Um seine Stärken auszuspielen, braucht man jedoch klare Außenbahnen und häufig einen Stürmer. Er sucht oft das Eins-gegen-eins und hat gute Assists. Leider steht uns Aaron momentan nicht zur Verfügung, ebenso wie Kenny Prince Redondo. Diese Themen hatten wir immer wieder besprochen, besonders in Zeiten, als wir ausreichend Flügelspieler hatten. Als Ragnar nicht zu 100 Prozent einsatzfähig war, haben wir viel über die Flügel und durch Flanken gespielt. Jetzt ist Ragnar wieder da, aber dafür fehlen uns die Flügelspieler. Ich glaube jedoch, dass Aaron das Potenzial hat, den Durchbruch zu schaffen, und er war auf einem guten Weg. Ich hoffe, dass er in einem guten Zustand zurückkommt.
SPORT1: Enis Hajri, Technischer Direktor Sport, wird im Umfeld häufig kritisch gesehen. Die Stimmung soll wegen ihm nicht gut sein. Friedhelm Funkel hat ihn in der alten Saison wegen seiner Emotionalität auch von der Bank auf die Tribüne befördert. Wie sehen Sie Hajri?
Anfang: Ich kann nichts Negatives über ihn sagen, denn alles, was er bisher gemacht hat, war voller Energie und Engagement. Er macht in meinen Augen einen guten Job und ist rund um die Uhr auf der Suche nach weiteren Spielern, um uns möglicherweise im Winter neue Optionen zu finden.
SPORT1: Was macht Ihnen Hoffnung, dass am Samstag der Turnaround gelingt?
Anfang: Ich denke, es ist vor allem die Tatsache, dass wir schon mehrfach gezeigt haben, dass wir es können. Gegen Fürth haben wir in der zweiten Halbzeit stark gespielt, ebenso über weite Strecken gegen Hertha und den HSV. Leider haben wir es bisher nicht geschafft, diese Leistungen zu krönen. Jetzt müssen wir uns das Ergebnis erarbeiten. Paderborn hat noch kein Spiel in der Liga verloren, sie sind eine Top-Mannschaft und werden oben mitspielen. Es wird kein Spaziergang. Wir müssen alles dafür tun, das Spiel auf unsere Seite zu ziehen, und ich bin überzeugt, dass wir das schaffen werden.