Preußen Münster schaffte unter Trainer Sascha Hildmann in den vergangenen beiden Jahren den Doppelaufstieg von der Regionalliga in die 2. Bundesliga. Damit hat sich der 52-jährige Pfälzer bei den Adlern unsterblich gemacht. Am vergangenen Sonntag gelang mit dem 3:0-Sieg bei Jahn Regensburg der erste Zweitligasieg nach 33 Jahren.
„Stadt wird auseinanderbrechen“
Vor dem Topspiel am Samstagabend zu Hause gegen Schalke 04 (ab 19.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1) spricht Hildmann im exklusiven SPORT1-Interview über das Duell gegen die Königsblauen und die spanische Fußballlegende Raúl, der als neuer Trainer bei S04 gehandelt wird.
SPORT1: Herr Hildmann, Preußen Münster steht über dem Strich, auf Platz 14. Haben Sie also alles richtig gemacht?
Sascha Hildmann: Wir haben sicherlich nicht alles richtig gemacht, aber einiges in der noch jungen Saison. In den vergangenen Jahren haben wir vieles richtig gemacht, sonst wäre uns der Doppelaufstieg von der Regionalliga in die 2. Bundesliga nicht gelungen. Jetzt mussten wir uns erstmal in der Liga zurechtfinden und unsere Erfahrungen sammeln. Dort, wo wir nicht so gut waren, mussten wir die richtigen Schlüsse ziehen.
SPORT1: Wie blicken Sie auf die ersten Wochen in der 2. Bundesliga zurück? Wie schwierig war es?
Hildmann: Ich blicke mit viel Stolz zurück, weil wir etwas Außergewöhnliches erreicht haben. Wir merken jetzt auch, dass die Liga eine Stufe höher ist und dass das Niveau nochmal deutlich gestiegen ist. Wir können uns mit Topteams in Deutschland messen und in tollen Stadien spielen. Das macht sehr viel Spaß, und wir fühlen uns gerade sehr wohl. Besonders freuen wir uns darüber, dass wir den ersten Sieg (3:0 bei Jahn Regensburg, d. Red.) eingefahren haben.
„Wir haben uns endlich mit Toren belohnt“
SPORT1: Seit den zurückliegenden beiden Spielen hat sich Ihr Team gefangen: ein 3:3 zu Hause gegen den SC Paderborn und am vergangenen Sonntag ein 3:0 bei Jahn Regensburg. Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Team komplett in der Liga angekommen ist?
Hildmann: Auf jeden Fall. Dieses Gefühl hatte ich eigentlich schon vorher, nur die Ergebnisse haben noch nicht gepasst. Wir haben auch ordentlich auf die Nuss bekommen, wie im Pokal gegen den VfB (0:5, Anm. d. Red.) oder beim HSV (1:4, Anm. d. Red.). Aber auch gegen Kaiserslautern und Hannover haben wir schon gute Leistungen gezeigt. Zuletzt haben wir uns endlich mit Toren belohnt. Das Testspiel gegen Werder Bremen konnten wir 3:2 gewinnen. In den vergangenen drei Spielen, inklusive des Tests, haben wir also neun Tore erzielt. Das hat uns Selbstvertrauen gegeben.
SPORT1: Gab es einen entscheidenden Moment, in dem Sie als Trainer gemerkt haben, dass jetzt etwas anders ist?
Hildmann: Nein, einen speziellen Moment gab es nicht. Wir treffen jetzt einfach das Tor und belohnen uns endlich. In der vergangenen Saison haben wir in der 3. Liga auch eine Weile gebraucht. Jetzt machen wir die Dinger einfach rein.
SPORT1: Haben Sie sich in der schwierigen Anfangsphase der Saison in der neuen Liga als Trainer etwas verändert?
Hildmann: Nein, ich habe mich überhaupt nicht verändert. Ich bin derselbe Trainer wie in der 3. Liga. Es ist Profifußball, und ich habe alle Abläufe beibehalten, wie in den Jahren zuvor, weil ich denselben Fußball spielen möchte. Ich will offensiven Fußball sehen, und davon weiche ich nicht ab. Ich möchte, dass wir aktiv sind, und das sieht man auch.
„Ich bin nicht unantastbar“
SPORT1: Der Sieg in Regensburg war der erste Zweitliga-Sieg des Vereins seit 33 Jahren. Gab es dafür zwei freie Tage?
Hildmann: Nein. Wir sind am Sonntag spät zurückgekommen und haben am Montagmorgen trainiert. Danach bin ich nach Kaiserslautern zu meiner Frau gefahren. Am Dienstag war frei, und am Mittwochnachmittag haben wir wieder trainiert.
SPORT1: Wurde dieser historische Sieg besonders gefeiert?
Hildmann: Eigentlich nicht. Es war sehr ruhig im Bus. Natürlich haben sich meine Jungs über diesen besonderen Sieg gefreut. Ein bisschen wurde gefeiert, aber es war nicht besonders laut. Es war eigentlich sehr bescheiden, so wie wir eben sind. Wir werden jetzt nicht gleich übermütig. (lacht)
SPORT1: Nach den ersten Niederlagen sind die Verantwortlichen ruhig geblieben. Sie sagten vor diesem Interview: „Da wird auch nichts passieren.“ Sind Sie aktuell unantastbar?
Hildmann: Ich bin nicht unantastbar. Ich spüre aber die volle Rückendeckung im gesamten Klub.
SPORT1: Sie haben in Münster einen Status wie ein Streich oder ein Schmidt. Würde der Verein auch mit Ihnen in die 3. Liga gehen und den Neustart angehen?
Hildmann: Das weiß ich nicht, es hängt auch von mir ab, ob ich das möchte. Es gibt immer zwei Seiten. Aber jetzt konzentrieren wir uns erst einmal auf diese Saison. Und da gibt es nur ein Ziel: den Klassenerhalt.
„Er herrscht zu schnell Panik“
SPORT1: Finden Sie, dass Trainer im Allgemeinen immer noch zu schnell entlassen werden?
Hildmann: Definitiv. Das ist leider so. Viele Verantwortliche lassen sich zu sehr von den reinen Ergebnissen leiten. Es herrscht zu schnell Panik, wenn es mal nicht gut läuft. Ich finde, dass das zu schnell geht. Das ist nicht gut. Wobei man das nicht pauschalisieren kann.
SPORT1: Der nächste Gegner ist Schalke 04. „Die Stadt wird auseinander platzen“, haben Sie nach dem Sieg in Regensburg gesagt. Was wird vorher passieren, und wie wichtig wäre ein Dreier gegen S04?
Hildmann: Es wird ein besonderer Tag in Münster. Es ist ein Wahnsinnsspiel. Das hat es gefühlt seit hundert Jahren nicht mehr gegeben. Die Stadt wird auseinanderbrechen. Ansgar Brinkmann (Ex-Profi und Kultkicker, Anm. d. Red.) hat mir neulich vor unserem Spiel beim HSV erzählt, dass beim letzten Aufeinandertreffen Uwe Seeler noch gespielt hat. (lacht) In Münster leben auch viele Schalke-Fans. Es wird sowohl viele schwarz-weiß-grüne als auch viele blau-weiße Trikots geben. Die Kneipen werden rappelvoll sein. Ich hoffe, dass alles friedlich bleibt. Ich freue mich sehr auf dieses Spiel. Für Preußen Münster ist das ein Riesending.
SPORT1: Schalke versinkt mal wieder im Chaos. Trainer und Sportdirektor wurden entlassen. Macht das die Aufgabe für Preußen Münster umso schwieriger?
Hildmann: Auf jeden Fall. Wir wissen nicht, was auf uns zukommt. Schalke ist gerade eine Wundertüte. Ich kenne Jakob Fimpel (Schalkes Interimstrainer, Anm. d. Red.) noch aus der Regionalliga, da haben wir vor etwa anderthalb Jahren gegeneinander gespielt. Schalke wird sicher top motiviert sein. Wir müssen uns umso mehr auf uns selbst konzentrieren.
„Es wäre eine Riesensache für den Verein“
SPORT1: Was würde ein Sieg gegen Schalke bedeuten?
Hildmann: Das kann man kaum in Worte fassen. Es wäre eine Riesensache für den Verein und eine tolle Auszeichnung. Außerdem würde es zeigen, wo wir tatsächlich stehen. Vor zwei Jahren wäre so ein Duell undenkbar gewesen. Ein Sieg wäre das Krönchen, das wir uns aufsetzen könnten.
SPORT1: Nach Informationen von SPORT1 soll sich Schalke mit Raul als neuen Trainer beschäftigen. Glauben Sie, dass er zu Schalke passen würde? Oder würde er sich damit am Anfang seiner Trainerkarriere möglicherweise selbst schaden?
Hildmann: Ich bewundere Raúl. Er war ein großartiger Fußballer. Ich konnte ihn auch als Spieler aus der Nähe beobachten. Er war bei Schalke und muss ein wirklich toller Mensch sein. Raúl war nie abgehoben, immer bodenständig und bescheiden. Ich glaube, dass er gut zu Schalke passen würde. Aber inwiefern er sich das vorstellen kann, weiß ich nicht.
SPORT1: Sie sind ein großer Angel-Fan und finden dabei Ruhe. Werden Sie vor dem Spiel am Samstag eine extra lange Zeit am See verbringen und die Angel auswerfen?
Hildmann: (lacht) Ich versuche, so oft wie möglich angeln zu gehen. In Münster geht das auch sehr gut. Eigentlich gehe ich vor jedem Spiel angeln, das hilft mir, herunterzukommen. Aber ich würde nicht extra wegen dieses Spiels gegen Schalke angeln gehen. Ich habe vor, vorher nichts Besonderes zu machen. Meine Frau wird extra kommen, das beruhigt mich auch immer sehr. Das ist schon besonders genug.
SPORT1: Wie schwer wird das Spiel gegen Schalke? Tabellarisch ist es ein Duell auf Augenhöhe.
Hildmann: Wenn wir uns die Marktwerte anschauen, ist es kein Duell auf Augenhöhe. Natürlich wünsche ich mir einen Sieg, und dafür werden wir alles geben.