Für ein Exklusiv-Interview mit den Schalke-Legenden Klaus Fischer (74) und Rüdiger Abramczik (68) gibt es wohl keinen passenderen Ort als das Parkstadion, die frühere Heimstätte der Königsblauen. Ein Flutlichtmast und ein Teil der alten Gegentribüne erinnern noch an vergangene Zeiten.
„Wurden immer fremde Leute geholt“
Fischer spielte elf Jahre für S04, ist mit 268 Toren in 535 Bundesliga-Spielen Rekordtorschütze des Vereins und wird ab der neuen Saison Co-Trainer von Schalkes U11- und U13-Juniorinnen. „Abi“ Abramczik trug acht Jahre das Schalke-Trikot.
SPORT1 hat die beiden Legenden vor dem Ligastart der Gelsenkirchener gegen Eintracht Braunschweig (Sa., ab 19.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1) getroffen.
Fischer: „Schalke muss wieder aufsteigen“
SPORT1: Schalke startet am Samstag daheim gegen Braunschweig. Mit welchen Gefühlen denken Sie an die neue königsblaue Saison?
Klaus Fischer: Ich bin gespannt auf die neue Saison. Es sind einige neue Spieler dabei und einige haben uns verlassen. Für die Verantwortlichen wird das eine ganz schwierige Aufgabe. Natürlich werde ich wieder jedes Heimspiel anschauen. Nach einigen Partien werden wir wissen, wo die Reise hingeht. Schalke muss wieder aufsteigen. 180.000 Mitglieder hat der Verein und jedes Heimspiel ist ausverkauft. Da muss die Bundesliga das Ziel sein. Aber für den Aufstieg musst du Qualität haben. Ich bin vorsichtig optimistisch.
Rüdiger Abramczik: Man hat sich von vielen Spielern getrennt. Der eine oder andere, den man nicht mehr wollte, ist doch wieder da, wie Mohr, Matriciani oder Polter. Klaus hat es schon gesagt: Man muss erst einmal abwarten, was da von Ben Manga (neuer Kaderplaner von S04, d. Red.) eingekauft wurde. Angeblich hat er ein gutes Händchen für die Kaderplanung. Wir müssen abwarten, wie die Jungs spielen. Der Druck ist wieder extrem. Unsere Fans haben keinen Bock mehr auf Abstiegskampf. Man sagt ja, dass Ben Manga ein Diamanten-Auge hat.
SPORT1: So wie Sie es sagen, klingt es skeptisch...
Abramczik: Also ich kenne nur einen mit einem Diamanten-Auge, das war früher der Günter Siebert (früherer Präsident von Schalke 04, d. Red.). Ich weiß nicht, ob Ben Manga so ein Auge hat. Siebert holte einst Klaus, mich, Kremers, Nigbur, Rüssmann, Beverungen. Siebert legte damals ein ganz schönes Brett dahin.
SPORT1: Wie sehen Sie Ben Manga?
Fischer: Wir warten erstmal ab, was da alles geholt wurde. Ich hoffe für unseren FC Schalke, dass er ein glückliches Händchen hat. Es wird eine spannende Saison. Ich fiebere immer mit. Ich lebe seit über 50 Jahren in dieser Stadt und habe elf Jahre für Schalke gespielt, war Co-Trainer und Trainer. Wir Ehemalige stehen zu unserem Verein, wir sind Schalke 04.
„Der Heidel hat in den Beutel gefasst und es kam nichts dabei rum“
SPORT1: Mit Mike Büskens und Gerald Asamoah sind zwei Fanlieblinge nicht mehr dabei. Hat Sie das überrascht?
Abramczik: Schon. Ich finde es immer schade, wenn man ehemalige Spieler wegschickt. In den vergangenen Jahren waren so viele Trainer hier, die auch ihren ganzen Staff und Spieler mitgebracht haben. Wir von der 70er-Generation wurden nie gefragt. Es wurden immer fremde Leute geholt, die den Verein überhaupt nicht kennen. Wenn du Geld hast, kannst du in den Beutel reingreifen und Spieler holen. Der Heidel (der frühere Schalke-Manager Christian Heidel, jetzt Mainz 05, d. Red.) hat zu seiner Zeit in den Beutel gefasst und es kam nichts dabei rum. Büskens und Asa (Gerald Asamoah, d. R.) waren die letzten Jungs, die hier fest verwurzelt waren. Mir tut es leid, dass die beiden weg sind.
SPORT1: Mit Marc Wilmots ist ein ehemaliger Schalke-Spieler dafür weiter in der Verantwortung.
Abramczik: Und das ist auch okay. Wilmots ist Sportdirektor, er ist ein ehemaliger Spieler, warum also soll er diese Chance nicht kriegen? Aber langsam wird abgerechnet. Er muss auch etwas bringen. Es ist kein Schalker mehr so richtig dabei und das tut mir ein bisschen weh.
Fischer: Wenn du in der Verantwortung stehst, kommen Erwartungen. Und wenn diese nicht erfüllt werden, dann gibt es Schwierigkeiten. Büskens und Asamoah hatten hier über viele Jahre ihre Aufgabe und offenbar war man nicht komplett zufrieden mit ihnen. Sonst hätte man sich nicht getrennt. Als Buyo (Büskens, d. Red.) 2022 mit Schalke in die Bundesliga aufgestiegen ist, hat er mich enttäuscht.
Büskens? „Das hat mir nicht gefallen“
SPORT1: Warum?
Fischer: Wenn ich mit einer Mannschaft in die Bundesliga aufsteige und der ganze Verein steht hinter mir, will mich weiter als Cheftrainer haben, dann muss ich das annehmen. Doch „Buyo“ wollte lieber Co-Trainer machen. Das hat mir nicht gefallen.
Abramczik: Da war er auch schlecht beraten. „Buyo“ hat damals gesagt, dass er den Gerland (Hermann Gerland, d. Red.) von Bayern machen will. Ich habe damals zu Mike gesagt: „Junge, du musst das machen.“ Das wäre seine Chance gewesen. Doch er wollte wieder zurück ins zweite Glied. Damit hat er sich keinen Gefallen getan. Die Gerland-Aussage war nicht gut, so etwas wie mit Hermann funktioniert ganz selten.
SPORT1: Wie ist Ihre Meinung zu Trainer Karel Geraerts?
Fischer: Es war im vergangenen Oktober sicher schwer, Schalke 04 zu übernehmen. Geraerts sprach kein Deutsch, doch inzwischen hat er das gelernt. Er scheint angekommen zu sein auf Schalke. Man muss ihm weiter vertrauen. Er hat schließlich mit dem Verein die Klasse gehalten.
Abramczik: Er hat sicher nicht damit gerechnet, dass wir in der Rückrunde der vergangenen Saison da unten reinrutschen. Das war im Klub eine turbulente Zeit. Da wurde einiges durcheinandergewirbelt, und Geraerts war mittendrin. Er konnte wenig Deutsch, hat aber immer Englisch gesprochen. Ich fand, er hat ganz gut Deutsch gesprochen. Wenn ich da so einen Alonso sehe… (lacht) Ich finde es klasse, dass er einfach mal drauflos redet. Anfangs war ich von Geraerts enttäuscht, doch sein Training gefällt mir inzwischen.
Fischer: Es ist gut, dass er geblieben ist, denn es ist immer schlecht, wenn nach einem halben Jahr wieder der Trainer ausgetauscht wird. Mit einem neuen Trainer kommen auch neue Assistenten. Geraerts bekommt Zeit, und das ist gut.
Abramczik: Wenn es wieder nicht funktioniert, dann merkt er, was Schalke bedeutet.
SPORT1: Was ist für Schalke in der neuen Saison drin?
Abramczik: Ganz Schalke sehnt sich nach der Bundesliga. Wir dürfen nicht träumen, denn die Zweite Liga wird sehr stark mit dem HSV, Köln, Düsseldorf, Hertha. Es wird viel schwerer aufzusteigen, als in der vergangenen Runde. Ich traue der aktuellen Schalker Mannschaft den Aufstieg nicht zu.