Die Situation beim 1. FC Kaiserslautern ist ernst. Vier Spieltage vor dem Saisonende belegen die Pfälzer Platz 17 in der Zweiten Liga.
„Ich fühlte mich allein gelassen“
Einer, der mit dem Verein leidet, ist Mike Wunderlich. Von Juli 2021 bis Januar 2023 spielte er für die Roten Teufel. Im vergangenen Sommer beendete Wunderlich seine Profikarriere und wurde Trainer beim fünftklassigen Mittelrheinligisten SV Bergisch Gladbach 09.
Vor dem ersten Abstiegsendspiel am Samstag bei Holstein Kiel (ab 13 Uhr im LIVETICKER) spricht der 38-Jährige im SPORT1-Interview über seine Liebe zum FCK, Friedhelm Funkel und die Angst vor einem Abstieg.
SPORT1: Herr Wunderlich, wie schmeckt das Trainergeschäft?
Mike Wunderlich: (lacht) Es ist anders und sehr intensiv, macht mir aber großen Spaß. Jetzt kann ich einige meiner ehemaligen Trainer absolut verstehen. Wir sind in der Oberliga, aber es fordert mich enorm. Ich bereue nichts und vermisse den aktiven Fußball nicht. Der Moment im vergangenen Sommer aufzuhören, war richtig.
„Die guten Typen sterben aus“
SPORT1: Lassen Sie uns über den FCK sprechen. Der Abstieg in die 3. Liga droht wieder nach nur zwei Jahren Zweite Liga. Was sagen Sie dazu?
Wunderlich: Das tut wirklich weh. Die anderthalb Jahre waren sehr intensiv und es war die schönste Zeit in meiner Karriere, auch wenn sie kurz war. Ich liebe den FCK! Der Aufstieg mit dem Verein war der Höhepunkt in meinem Fußballerleben. Und jetzt verfolge ich das genau und habe noch Kontakt mit dem einen oder anderen Spieler dort. Ich schaue mir fast jedes Spiel an. Ich fiebere vor dem Fernseher mit und hoffe, dass der Abstieg noch verhindert werden kann. Das wäre das reinste Horrorszenario. Der Klub hat lange dafür gekämpft, in der Zweiten Liga spielen zu dürfen. Ein Abstieg wäre wirklich tragisch.
SPORT1: Fehlt so einer wie Sie jetzt auf dem Platz?
Wunderlich: Das ist nicht nur ein Problem beim FCK. Die guten Typen sterben im Profifußball aus. Jungs, die den Mund aufmachen, vorne weg gehen und bei denen man denkt: „Die haben sie nicht mehr alle“. Solche Spieler, die intern auch mal unangenehme Dinge ansprechen, tun jedem Team gut, gerade in einer Situation wie in Lautern. In unserer Aufstiegsmannschaft hatten wir einige richtig gute Typen im Team. Da haben sich auch einige leisere Spieler mitziehen lassen. Alle Jungs haben damals gebrannt und keiner hatte Lust, gegen den FCK zu spielen. Ich habe sicher meinen Teil dazu beigetragen.
Ex-Profi vermisste Rückdeckung beim FCK
SPORT1: Ihr Aus in Kaiserslautern kam damals für viele Fans sehr plötzlich. Was war wirklich der Grund?
Wunderlich: Ich habe alles für den FCK gegeben. In jeder Sekunde. Das haben die Leute auch zu schätzen gewusst. Ich habe mich auch mit 36 in der Zweiten Liga durchgesetzt und in den ersten zehn Spielen immer auf dem Platz gestanden. Ich konnte dem Team auch dort helfen. Dann wurde Philipp Klement für meine Position geholt, und ich war plötzlich draußen. Ich konnte machen, was ich wollte, doch ich war mir weiterhin meines Stellenwerts bewusst. Doch man wollte auf Klement setzen. Das hat schon wehgetan, weil es zu Unrecht war. Ich konnte das nicht nachvollziehen. Meine Leistungen haben gestimmt, und ich war als Typ wichtig für das Team.
SPORT1: Haben Sie damals Rückendeckung vermisst?
Wunderlich: Ja, ich fühlte mich alleingelassen. Ich war immer selbstkritisch und habe mich nie in den Mittelpunkt gestellt. Ich bekam das Feedback, dass ich den Jungs fehle. Ich bin immer ans Limit gegangen. Aber ich bekam unter Dirk Schuster keine Chance mehr. Dann habe ich den Verein verlassen und bin schließlich zu Viktoria Köln zurückgekehrt. Dieses Gespräch mit Hengen (FCK-Geschäftsführer, Anm. d. Red.) hat mir wehgetan, auch wenn es sehr offen und ehrlich war.
SPORT1: Es gab Gerüchte, dass hinter Ihrem Rücken Stimmung gegen Sie gemacht wurde.
Wunderlich: Diese Gerüchte habe ich mitbekommen, im Fußball wird viel erzählt, man bekommt viel mit. Ich war immer jemand, der die Dinge dann sofort geklärt hat und die „Gerüchte“ angesprochen hat. Mehr gibt es von meiner Seite nicht zu sagen.
„Musst in Lautern ein dickes Fell haben“
SPORT1: Thomas Hengen war damals wie heute der Geschäftsführer. Wie war Ihr Verhältnis zu ihm?
Wunderlich: Thomas und ich haben oft miteinander gesprochen. Wir hatten immer eine sehr gute und direkte Kommunikation. Er hat mir stets das Gefühl gegeben, dass er mich als Mensch und Spieler geschätzt hat. Unser Verhältnis war immer top.
SPORT1: Hengen hat in dieser Saison einige falsche Entscheidungen getroffen. Die Schwerwiegendste war wohl die Entlassung von Trainer Dirk Schuster und die Einstellung von Dimitrios Grammozis. Das Transferfenster im Winter wurde ebenfalls nicht sinnvoll genutzt.
Wunderlich: Von den Winter-Neuzugängen hat man sich deutlich mehr versprochen. Nur Kaloc bringt seine Leistung. Er ist einer, der vorangeht. Die anderen bringen eine gewisse Qualität mit, aber der FCK ist kein Verein wie jeder andere. Da muss man sich durchbeißen, gerade in der jetzigen Phase. Das ist schon speziell. In Lautern musst du ein dickes Fell haben.
SPORT1: Friedhelm Funkel kam zu spät, sagen viele Fans. Hat er sich einen Gefallen getan, diese heikle Mission zu übernehmen?
Wunderlich: Friedhelm hat eine FCK-Vergangenheit als Spieler. Wenn man einmal für diesen tollen Klub tätig war, dann hängt man daran. Er hat seine Klasse oft genug bewiesen und Vereine gerettet. Ich hoffe, dass er das wieder hinbekommt. Natürlich kann es ganz böse enden, dann wird es bitter für Funkel. Das wäre tragisch für ihn und den Klub. Ich wünsche Funkel, dass alles gut ausgeht.
Ex-Profi verteidigt FCK-Boss nach „Hosenscheißer“-Aussage
SPORT1: Hengen nannte den Auftritt des FCK gegen Wiesbaden „Hosenscheißer-Fußball“. Was sagen Sie zu dieser Wortwahl?
Wunderlich: Beim Fußball kommt man schnell in emotionale Situationen, besonders wenn man sich in einer Krise wie dem FCK befindet. Die zweite Halbzeit gegen Wiesbaden war nicht gut. Thomas hat das sicherlich aus reinen Emotionen heraus gesagt. Die Art und Weise, wie die Mannschaft in der zweiten Hälfte auftrat, bestätigte, was Thomas gesagt hat. Ob dies jedoch so kommuniziert werden sollte, ist fraglich. Dass Friedhelm als Trainer da anderer Meinung ist und das so kommuniziert, ist verständlich und sein gutes Recht. Es ist aber wichtig, beide Seiten zu verstehen.
SPORT1: Funkel hat nach Wiesbaden eine „Weltuntergangsstimmung“ beklagt. Er hat sich emotional gezeigt wie selten zuvor. Haben Sie Mitleid mit ihm?
Wunderlich: Seine letzte Reaktion zeigt, wie sehr er den Verein im Herzen trägt. Funkel braucht kein Mitleid. Ihm macht keiner etwas vor. Aber es ist eine besondere Situation. Ich kann ihn verstehen. In der Vergangenheit ist beim FCK vieles nicht gut gelaufen. Die Leute sind gebrandmarkt. Da herrscht eine gewisse Angst.
Ex-FCK-Profi knallhart: „Dann muss alles hinterfragt werden!“
SPORT1: Jetzt in Kiel steht das erste von vier Endspielen an. Was muss bei einem Abstieg passieren?
Wunderlich: Dann muss alles hinterfragt werden. Jeder sollte dann bei sich anfangen, sowohl Spieler als auch Funktionäre. Schuldzuweisungen helfen dann nicht weiter. Mit diesem Kader solltest du eigentlich die Klasse halten können.
SPORT1: Würden Sie gerne mal zum FCK zurückkehren?
Wunderlich: Ich würde dem FCK immer helfen und wäre für Gespräche offen. Die Verbundenheit ist so stark, dass dies stets ein wichtiges Thema für mich wäre.