Beim FC Schalke brennt es lichterloh! Timo Baumgartl hat in einem erstaunlichen Interview Kritik an der Taktik von Trainer Thomas Reis geübt. Der Innenverteidiger kritisierte den Matchplan nach dem 1:3 gegen den FC St. Pauli am Samstag vor laufenden Kameras im TV.
Brisante Spieler-Kritik: S04 reagiert!
Am Tag nach dem Spiel reagierten die Königsblauen mit einer offiziellen Mitteilung auf die brisanten Aussagen. Baumgartl habe „gegen interne Verhaltensregeln“ verstoßen - was dieser demnach auch anerkannt habe: „Timo zeigte sich im Gespräch einsichtig, räumte direkt zu Beginn seinen Fehler ein und bat um Entschuldigung. Wir haben diese angenommen.“
Konsequenzen tragen muss Baumgartl dennoch. Er müsse die am Montag beginnende Trainingswoche mit der U23 verbringen, zudem eine Geldstrafe bezahlen. „Was ich mit meinen Aussagen ausgelöst habe, war nicht meine Intention und darf einem Spieler mit meiner Erfahrung nicht passieren“, meinte der Spieler selbst: „Deshalb habe ich Thomas Reis und André Hechelmann um Entschuldigung gebeten und bin sehr froh, dass sie diese akzeptiert haben. Ich weiß, dass nun ich gefordert bin.“
Baumgartl: „Das kann man nicht alles verteidigen“
Wie genau er sich die Strafe eingehandelt hatte? Der 27-Jährige hatte in einem Gespräch mit Sky vor allem die Ausrichtung im Schalker Spiel gegen den Ball kritisiert: „Das ist eine risikohafte Sache, die wir machen. Und dann ist es nun mal so, dass man immer wieder Gegentore kassiert. Das ist einfach Fakt, weil man das nicht alles verteidigen kann.“
Gerade im ersten Durchgang habe man gegen St. Pauli keine Chance gehabt: „Wenn es hier 3:0 steht, brauchen wir uns nicht beschweren. Das ist Wahnsinn, da kriegen wir eine Chance, machen das 1:1. Ich glaube, in der zweiten Halbzeit war es ein Stück besser, aber wir spielen natürlich auch mit dem Feuer. Das ist dann, wenn man mal einen Schritt zu spät kommt, brutal zu verteidigen.“
Baumgartl wurde dann auch gefragt, ob er sich ein anderes Spielsystem wünsche, das weniger auf einer mannorientierten Verteidigung basiere.
„Nein, das ist die Philosophie vom Trainer. Er gibt das vor, und deshalb machen wir das auch als Mannschaft“, meinte der Abwehrspieler: „Aber klar ist, wenn man die ersten 20, 30 Minuten sieht, dass das brutal schwer ist, wenn ein Gegner sich gut bewegt in die Räume, das gut macht.“
Steht Schalke-Team noch zu Reis?
Gegen spielstarke Teams habe man große Probleme, das habe man auch zuletzt gegen Magdeburg (4:3) gesehen: „Dann ist es natürlich eins-gegen-eins hinten, das ist natürlich risikobehaftet.“
Nach diesen ohnehin schon recht deutlichen Aussagen wurde Baumgartl dann gefragt, inwieweit die Mannschaft überhaupt noch hinter Trainer Reis stehe: „Das sind immer Fragen ..., er gibt uns einen Plan mit, aber es ist ein Stück weit schwer für uns, das so zu sehen, das so zu machen. Weil wir natürlich immer wieder in diese Situation reinlaufen.“
Man trainiere zwar akribisch unter der Woche, „aber wir haben 15 Gegentore.“ Ob man die Probleme intern beim Trainer angebracht habe? „Wir sind stetig im Austausch, versuchen auch Sachen zu justieren, unter der Woche anzupassen. Aber es kommt immer wieder aufs Gleiche raus.“
Baumgartls bitteres Fazit: „15 Gegentore in sieben Spielen, das ist brutal. So kann es nicht weitergehen.“
Reis selbst äußerte sich ebenfalls bei Sky zu dem Spiel. Auch er hatte eine äußerst schwache Anfangsphase der Königsblauen gesehen, dabei aber nicht die Taktik als Problem ausgemacht.
Plan nicht gefolgt? Reis kritisiert seine Mannschaft
Vielmehr hinterfragte er den Einsatzwillen seiner Mannschaft: „Wir waren in den ersten Minuten sehr passiv. Wir haben ja praktisch um ein Tor gebettelt. Ich weiß nicht, ob jeder sagen kann, er hat 100 Prozent gegeben.“
Auf der Pressekonferenz nach der Partie am Samstag wurde Reis explizit auf Baumgartls Kritik angesprochen. Er habe das Interview zwar nicht gesehen, meinte aber: „Zum anderen bin ich der Erste, der sich an die eigene Nase fasst. Und das erwarte ich auch von meinen Spielern.“
Dass Schalke unter seiner Anleitung zu mannorientiert spiele, wies er zurück: „Sobald wir aktiv waren, sobald wir mehr mannorientiert gespielt haben, haben wir die Zweikämpfe gewonnen und Pauli am guten Spielaufbau gehindert.“
Schalke hat in bisher sieben Spielen nur sieben Punkte geholt. Von den Aufstiegsrängen ist man weit entfernt. Dass der Druck in solchen Situationen auf den Trainer schnell wächst, ist Reis durchaus bewusst.
„Es ist halt so. Wenn die Ergebnisse nicht stimmen, hast du die Verantwortung und stehst davor“, sagte er bei SPORT1.
Damit müsse man klarkommen, erklärte der 49-Jährige - zeigte dann aber erneut mit dem Finger auf die Spieler, die den Vorgaben nicht gefolgt seien: „Wir haben den Plan in den ersten Minuten nicht umgesetzt und das Gegentor bekommen. Danach haben wir St. Pauli Paroli geboten, da wir aktiv waren. Dann sind wir wieder in Passivität verfallen und das ist nicht unser Spiel.“
Baumgartl-Strafe wundert Effenberg und Magath
Die Doppelpass-Runde reagierte verwundert auf Schalkes hartes Durchgreifen gegen Baumgartl.
So deutlich habe er die Kritik nicht empfunden, sagte Trainer-Legende Felix Magath und fügte hinzu: „Für die Mannschaft ist es ja gut, wenn ein bisschen Reibung da ist.“
Für Magath haben die Schalke-Verantwortlichen ihrem Trainer mit der Bestrafung von Baumgartl sogar einen Bärendienst erwiesen: „Ein Spieler macht das nie alleine. Er gibt ja nur die Stimmung der Mannschaft wider. Es wäre wahrscheinlich für alle Beteiligten besser gewesen, man hätte das unter Spieler und Trainer geklärt.“
Ähnlich sieht es Stefan Effenberg. „Ich verstehe die Entscheidung nicht, dass er jetzt bei der U23 ist. Er war einsichtig. Dann schiebe ich ihn nicht zur U23 ab. Er ist ein wichtiger Bestandteil des Teams“, sagte der SPORT1-Experte im STAHLWERK Doppelpass und forderte: „Spieler und Trainer sollten sich austauschen. Dann hoffe ich, dass Ruhe einkehrt.“
Für Magath ist nicht Reis das Problem auf Schalke. „Der Trainer hat im vergangenen Jahr klasse Arbeit geliefert. Als er gekommen ist, war Schalke im Grunde schon fast abgestiegen. Er hat sie fast in der Klasse gehalten. Mich würde es wundern, wenn der Trainer jetzt dafür verantwortlich sein sollte, dass es nicht so funktioniert“, erklärte Magath.
Schalke habe vielmehr ein Problem auf der Torhüterposition. Auch im Sturm laufe es nicht rund. Für Magath sind Polter und Terodde im Angriff zu ähnliche Spielertypen.
Draxler schlägt Alarm
Doppelpass-Experte Alfred Draxler sieht ein grundsätzliches Problem bei Schalke: „Ein Verein wie Schalke braucht immer Menschen, an denen sich der Verein aufrichtet. Das waren Assauer, Magath und Tönnies. Heute ist Schalke ohne Strahlkraft. Da ist niemand, der den Mut hat, auf den Tisch zu hauen. Dann passiert so etwas. Da geht ein Spieler hin und sagt etwas aus meiner Sicht Richtiges. Man wird den Weg des geringsten Widerstandes gehen und ihn sanktionieren. Das löst das Problem ja nicht. Schalke wird inzwischen ja auch von Ultras beeinflusst, auch dagegen wehrt sich niemand mehr. Da geht keiner mehr hin und schafft Ordnung. Schalke bräuchte jemanden, der mal Ordnung schafft. Knäbel macht einen guten Job, aber er ist kein Rudi Assauer. Wenn da nicht irgendwas passiert, sehe ich für Schalke schwarz. Sie haben völlig die Strahlkraft verloren.“