Selten verlief ein Amtsbeginn eines Trainers erfolgreicher: Am Sonntag feierte Fabian Hürzeler seinen achten Sieg in Serie, seit er den Trainerposten beim FC St. Pauli übernommen hat. Lediglich Jürgen Wähling (Hannover, 1986) und Hans-Dieter Tippenhauer (Bielefeld, 1979) war ein solcher Start in der 2. Bundesliga gelungen.
Er ist die neue Trainer-Sensation
Auch der Kiezklub selbst feierte durch den 5:0-Sieg über den SV Sandhausen einen historischen Meilenstein: So viele Siege in Folge hatte St. Pauli in seiner ruhmreichen Geschichte zuvor noch nie errungen.
Doch entgegen der Bestmarke und dem eroberten fünften Tabellenplatz bleibt Trainer Hürzeler, der mit 30 Jahren derzeit der jüngste Coach im deutschen Profi-Fußball ist, bescheiden. „Ich bin kein Fan von Rekorden und Statistiken“, erklärte er nach dem Spiel am ARD-Mikrofon. „Ich schaue darauf, wie wir Fußball spielen und wie die Entwicklung meiner Mannschaft ist.“
Dabei sind die jüngsten Resultate längst Grund genug, um Hürzelers Arbeit lobend hervorzuheben. Gerade einmal zehn Spieltage ist es her, dass St. Pauli mit Tabellenplatz 16 tief im Abstiegskampf steckte. Die Folge: Der bisherige Chefcoach Timo Schultz, der im Vorjahr mit den Hamburgern knapp den Aufstieg verpasst hatte, musste seinen Posten räumen.
Hürzeler: Vom Interims- zum Erfolgstrainer
Für ihn wurde Hürzeler, der neben der deutschen und schweizerischen auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt, zunächst zum Interims- und kurz vor Weihnachten zum Cheftrainer ernannt.
Es schien eine einfache und bequeme Wahl zu sein. Die Erwartungshaltung und der Druck waren angesichts des Alters von Hürzeler, der mit 29 Jahren, 11 Monaten und drei Tagen zu den jüngsten Cheftrainern der 2. Liga aufstieg, nicht allzu hoch.
Aus dem gleichen Grund hätten wohl nur die wenigsten den anschließenden Aufschwung vorhergesehen. Jetzt thront St. Pauli in der Rückrundentabelle mit sieben Punkten Vorsprung an der Spitze.
„Es hat viel mit dem Kopf zu tun“, erläuterte Hürzeler nach dem jüngsten Sieg sein Erfolgsrezept. „Es ist wichtig, dass wir mental auf einer guten Ebene sind und die Spieler ihr Vertrauen in die eigene Stärke zurückgewinnen. Das ist ein großer Faktor, an dem wir aktiv gearbeitet haben.“
Wie man innerhalb einer Mannschaft vorangeht und die richtigen Maßnahmen ergreift, ist für Hürzeler nicht neu. Als Zwölfjähriger war er vom FC Bayern entdeckt worden und hatte sämtliche Jugendmannschaften des Rekordmeisters durchlaufen.
Bei der U19 war er sogar Kapitän - offenbar aber weniger aufgrund seines fußballerischen Potenzials. „Es lag auch damals sicher schon daran, weil es mir liegt, vorneweg zu gehen“, verriet Hürzeler 2018 in einem Interview mit Spox.
Als Spieler den Durchbruch verpasst
Schon damals liebäugelte der gebürtige Texaner, der aufgrund der beruflichen Verpflichtungen seiner Eltern in den USA geboren wurde, mit dem Job abseits der Seitenlinie.
„Ich habe schon in der U19 viele Dinge aus Trainersicht betrachtet, und als Niedermayer (der damalige U19-Trainer Kurt Niedermayer, Anm. d. Red.) dann begann, mich in die Besprechungen mit einzubeziehen, habe ich das regelrecht aufgesogen“, sagte Hürzeler.
Das Ziel, Bundesligaspieler zu werden, verfolgte Hürzeler trotzdem. 2013 wechselte er nach Hoffenheim, wurde von Trainer Markus Gisdol jedoch in die zweite Mannschaft abgeschoben. Nach einem Jahr folgte ein weiterer erfolgloser Anlauf in der Reserve von 1860 München.
Schließlich fasste Hürzeler den Entschluss, sich auf die Trainerlaufbahn zu konzentrieren.
An Selbstbewusstsein mangelte es ihm in der Entscheidungsfindung offensichtlich nicht. „Ich hatte Respekt davor und wusste, das kann auch schiefgehen, aber ich war mir immer der Fähigkeiten bewusst, die ich in mir trage. Ich war relativ überzeugt von dem Schritt und hatte die dafür nötige Portion Mut“, blickte Hürzeler zurück.
Hürzeler führt Pipinsried in die Regionalliga
Gleich bei seiner ersten Station als Spielertrainer beim FC Pipinsried in der fünftklassigen Bayernliga Süd legte er einen ähnlichen Aufwärtstrend wie nun mit dem FC St. Pauli hin. Nach vier Niederlagen aus den ersten fünf Spielen führte Hürzeler die Mannschaft in der Saison 2016/17 sensationell zum Aufstieg in die Regionalliga.
Zwar stieg der Klub in der zweiten Saison wieder ab, doch eine Kündigung blieb aus, weil Hürzeler seine Fähigkeiten als Menschenfänger bewies. Denn neben seinem sportlichen Wirken überzeugte er beim Dorfverein durch seine nahbare Art und den offenen Umgang mit Spielern und Fans.
Doch Roland Küspert, Präsident des Klubs, erinnerte in der Hamburger Morgenpost auch an die emotionale Seite des Trainers: „Er war 23, jung und ungestüm, sehr auffällig auch an der Linie.“ 45 Gelbe Karten, fünf Gelb-Rote und eine Rote Karte in drei Jahren untermauern diese Aussage.
Während seines Engagements in Pipinsried baute der ehrgeizige Hürzeler seine Fachkenntnisse als Co-Trainer der deutschen U20- und U18-Nationalmannschaft aus.
Zudem lernte er bei einer Hospitation beim FC St. Pauli Chefcoach Timo Schultz kennen. In der Saison 2020/21 ist diese Verbindung der Hauptgrund, warum sich Hürzeler dem Hamburger Klub als Co-Trainer anschließt.
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Hürzeler peilt die Champions League an
Dort scheint es, als sei ihm nun als Trainer der Durchbruch im Profibereich gelungen, der ihm als Spieler noch verwehrt geblieben war.
Dass aber das Ende der Fahnenstange längst noch nicht erreicht ist, zeigt auch eine Äußerung Hürzelers von vor rund vier Jahren: „Ich möchte einmal Trainer in der Champions League sein.“
Auf dem Weg nach ganz oben könnte ihm Julian Nagelsmann als Vorbild dienen.
Schließlich war der aktuelle Trainer des FC Bayern ebenfalls ohne Profierfahrung im Alter von 28 Jahren und sechs Monaten zum Chefcoach der TSG Hoffenheim berufen worden. Nach gelungenem Klassenerhalt ging Nagelsmanns Karriere im Anschluss steil bergauf.
Wiederholt sich diese Geschichte bei Hürzeler? Zumindest prophezeite BVB-Star Emre Can, den aus der Bayern-Jugend eine Freundschaft mit Hürzeler verbindet, dem Jung-Coach bereits eine „große Trainerkarriere“.