Wenn am Samstag Hansa Rostock im Topspiel der 2. Liga Arminia Bielefeld empfängt, werden bei Oliver Neuville Erinnerungen wach. (2. Bundesliga: Hansa Rostock - Arminia Bielefeld, ab 19.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1)
Neuville: „Da bin ich stolz drauf“
Von 1997 bis 1999 spielte er für die Kogge. In Rostock, seiner ersten Station in Deutschland, wurde der Schweizer zum Nationalspieler. Bei Arminia beendete Neuville 2011 seine Profikarriere. Seit 2019 arbeitet der frühere Stürmer bei Borussia Mönchengladbach als Co-Trainer bei den Profis.
Im SPORT1-Interview spricht der 49-Jährige über Hansa, Arminia, Robert Lewandowski und die Borussia.
SPORT1: Herr Neuville, wie blicken Sie zurück auf Ihre Zeit bei Hansa und Arminia? Viele haben nicht mehr auf dem Schirm, dass Sie mal in Bielefeld gespielt haben.
Oliver Neuville: Hansa Rostock war meine erste Station in Deutschland. Und Arminia Bielefeld war mein letzter Verein in meiner Karriere. Ich habe nur schöne Erinnerungen an beide Klubs, wenn ich auch bei Arminia nicht mehr so oft gespielt habe, ich war zudem nur ein halbes Jahr dort. Bei Hansa wurde ich Nationalspieler und ich hatte zwei tolle Jahre in Rostock.
SPORT1: Warum waren Sie damals nur so kurz in Bielefeld?
Neuville: Arminia war nach dem Abstieg in die 2. Liga in einem Umbruch. Christian Ziege kannte ich aus unserer gemeinsamen Zeit bei Borussia, er brauchte einige erfahrene Spieler. Ich hatte eigentlich im Sommer gesagt, dass ich aufhöre, doch dann kam der Anruf von Christian. Ich habe mich damals sehr gefreut, dass ich noch ein halbes Jahr Fußball spielen konnte. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 2. Bundesliga)
„Der Druck auf die Arminia ist schon groß“
SPORT1: Wie sehen Sie bei Hansa die aktuelle Situation nach zwei Spielen?
Neuville: Hansa ist zu Hause nicht gut in die Saison gestartet, die Niederlage gegen Heidenheim war natürlich bitter. Danach konnte man verdient beim HSV gewinnen. Bei Hansa können sie noch zufrieden sein mit der Situation nach zwei Spielen. Das Pokal-Aus ist natürlich traurig, steht aber auf einem anderen Blatt.
SPORT1: Und was denken Sie über die Arminia? (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 2. Bundesliga)
Neuville: Arminia ist mit zwei Niederlagen schlechter gestartet als Hansa. Der Druck auf die Arminia ist schon groß. Ich schaue vor allem auf die Spiele von Hansa. Und ich freue mich immer, wenn es bei den Rostockern gut läuft. Mein Freund und früherer Hansa-Kollege Martin Pieckenhagen ist dort seit einigen Jahren Sportdirektor. Meine Trainer in Rostock waren Ewald Lieben und Andreas Zachhuber. Das Spiel am Samstag ist für beide Klubs schon sehr wichtig.
„Lewandowski ist ein anderes Kaliber als ich damals“
SPORT1: In Rostock wurden Sie damals zum Nationalspieler.
Neuville: Nach Marko Rehmer und mir gab es keinen Nationalspieler mehr aus Rostock. Da bin ich schon stolz drauf. Stolz aber auch, dass ich bei diesem großen Traditionsverein spielen konnte. Tolle Fans und eine sehr schöne Stadt. (DATEN: Die Tabelle der 2. Bundesliga)
SPORT1: Sie waren früher ein Topstürmer in der Bundesliga, haben regelmäßig getroffen wie Robert Lewandowski.
Neuville: Lewandowski ist ein anderes Kaliber als ich damals. Ich habe viele Tore erzielt, aber er hat beim FC Bayern gefühlt in jedem Spiel mehr als einmal getroffen. Aber es war schon außergewöhnlich, wie oft ich bei Hansa getroffen habe. In so einer Mannschaft so viele Tore zu schießen, ist oft noch schwieriger als in einem großen Klub wie Bayern. Ich hatte in meinen zwei Jahren in Rostock eine gute Quote, weil ich mich auch unglaublich wohl gefühlt habe.
Neuville: „Identifikation ist selten geworden“
SPORT1: Sie haben das Theater um den Wechsel von Lewandowski sicher mitbekommen. Hatten Sie zu Ihrer Zeit auch mal einen ähnlichen Fall?
Neuville: Ich wollte nie weg bei einem Verein, wenn ich noch einen Vertrag hatte. Als ich die Möglichkeit hatte, von Rostock zu Leverkusen zu wechseln, hatte ich eine Ausstiegsklausel in meinem Vertrag. Das hatte rein sportliche Gründe, denn Leverkusen hat damals um den Titel mitgespielt und war der nächste, logische Schritt für mich. Nach fünf Jahren bei Bayer bin ich dann nach Mönchengladbach gewechselt.
SPORT1: Wie denken Sie heute über Spieler, die ihre Verträge nicht einhalten, sondern vor Vertragsende wechseln wollen? Das ist ja immer häufiger der Fall.
Neuville: Heutzutage haben Spieler Verträge und wollen oft früher weg. Beim Beispiel Lewandowski sind aus meiner Sicht beide Seiten die Gewinner. Leider kann es sich kaum ein Verein leisten, hart zu bleiben und einen Spieler auf die Tribüne zu setzen. Es geht viel um Geld. Identifikation ist selten geworden.
„Lewandowskis Verhalten hat mir nicht gefallen“
SPORT1: Wie beurteilen Sie Lewandowskis Verhalten?
Neuville: Ich kann es nur von außen beurteilen, aber das Verhalten von Lewandowski, den ich sonst stets als tadellosen Sportsmann wahrgenommen habe, hat mir in den Tagen vor seinem Wechsel nicht gefallen. Ich hätte es nicht so gemacht. Ich war immer korrekt zu meinen Klubs, die Bosse in den Vereinen waren aber auch korrekt zu mir. Dass Spieler viele Jahre in einem Verein spielen, ist die Ausnahme. Thomas Müller oder Tony Jantschke oder Patrick Herrmann muss ich hier nennen. Solche Spieler werden geliebt.
SPORT1: Sie sind seit 18 Jahren bei Borussia Mönchengladbach. Eine Wohlfühloase für Sie?
Neuville: Für mich passt alles in Mönchengladbach. Ich war nach meinem Wechsel aus Leverkusen sechs Jahre Spieler bei der Borussia. Viele Fans haben nicht vergessen, dass ich immer geblieben bin, obwohl es nach dem Abstieg Angebote gab. Ich habe in Gladbach meine Frau kennengelernt und schaue heute auf 18 schöne Jahre im Klub zurück. Sieben Jahre war ich Co-Trainer bei der U19 und ein Jahr bei der U23. Seit 2019 bin ich Co-Trainer bei den Profis. Ich freue mich, das ist ein sehr guter Job. Es lief bei Borussia immer super für mich.
Neuville: Dieser Mann wird Lewandowski-Erbe
SPORT1: Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem neuen Cheftrainer Daniel Farke?
Neuville: Mit Daniel habe ich ein gutes Verhältnis. Menschlich und fachlich ist er top. Er hat eine lockere Art, aber er hat seine Prinzipien. Er sagt immer klipp und klar, was er denkt. Und als Trainer hat er auch schon seine Klasse bewiesen. Daniel hat in Norwich gezeigt, was er kann. Er ist mit dem Klub zweimal in die Premier League aufgestiegen. Daniel hat eine Spielidee und will viel Ballbesitz. Borussia hat aus meiner Sicht mehr individuelle Qualität als Norwich und ich bin optimistisch, dass wir mit Daniel eine gute Saison spielen werden.
SPORT1: Wie sehen Sie den Kader von Borussia? Yann Sommer, Ramy Bensebaini, Jonas Hofmann und Marcus Thuram gelten weiter als Kandidaten für einen Wechsel. Alassane Plea hat seinen Vertrag jetzt verlängert.
Neuville: Borussia hat einen starken Kader und seit drei Jahren haben wir nur wenige Leistungsträger abgeben müssen. Der Großteil der Mannschaft ist weiter da. Der Kader hat Potenzial, muss dieses aber wieder konstanter abrufen. Wir müssen abwarten, was bis Ende August noch auf dem Transfermarkt passiert. Das wird Roland (Sportdirektor Roland Virkus, d. Red.) aber schon machen.
SPORT1: Am Freitagabend startete die neue Bundesliga-Saison mit einem furiosen 6:1-Sieg der Bayern in Frankfurt. Ohne Lewandowski und Erling Haaland. Was glauben Sie, wer wird Lewandowskis Erbe?
Neuville: Es gibt für mich nur einen Spieler für das Lewandowski-Erbe. Ich glaube, dass Patrick Schick das werden kann. Er hat schon in der vergangenen Saison für Bayer Leverkusen sehr viele Tore erzielt. Jetzt sind Haaland und Lewandowski weg, da glaube ich, dass in der neuen Spielzeit die Stunde von Schick schlagen wird. Er ist ein klasse Stürmer. Und er kann definitiv ein Kandidat für die Torjägerkanone sein.