Im Topspiel der 2. Liga geht es heute Abend (ab 19.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1) um Himmel und Hölle.
Als die Hölle über Aue hereinbrach
Für Darmstadt 98 wäre der vierte Aufstieg in die Bundesliga gleichbedeutend mit dem Einzug in den Fußballhimmel und alles andere als gewöhnlich.
Vollziehen können ihn die Lilien heute nicht, aber angesichts der Ausrutscher der Konkurrenz einen großen Schritt machen. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 2. Bundesliga)
Dazu bedarf es eines Sieges gegen den FC Erzgebirge Aue, der nach sechs Jahren dann den Rückweg in die 3. Liga antreten müsste. Das wäre die Hölle für die wackeren, mit bescheidenen Mitteln arbeitenden, Erzgebirgler.
Darmstadt und Aue 2018 im Abstiegsendspiel
Durch die Hölle gingen beide Klubs an einem Tag vor vier Jahren, als sie sich in einem Sechskampf um den Klassenerhalt befanden und dabei direkt aufeinandertrafen.
Die Spielzeit 2017/18 schenkt den Fußballfans in der 2. Liga zwar keinen spannenden Aufstiegskampf, aber im Keller wird bis zuletzt gefightet und gezittert.
Nach dem 33. Spieltag steht nur der große 1. FC Kaiserslautern als Absteiger fest, er muss erstmals in die 3. Liga und natürlich will ihm keiner folgen.
Alte Faustregel von 40 Punkten gilt nicht mehr
Sechs Mannschaften schweben vor jenem 11. Mai 2018 noch zwischen Hoffen und Bangen und alle müssen erfahren, dass die alte Faustregel von den 40 Punkten, die man zur Rettung eben braucht, nichts wert ist.
Heidenheim und Dresden haben 41 und sind noch bedroht, Darmstadt und Aue liegen gleichauf mit 40 noch über dem Strich, Braunschweig und Fürth haben 39 und sind dem Abstieg am nächsten.
Die Hochrechnungen werden dadurch kompliziert, dass Darmstadt und Aue am Böllenfalltor direkt aufeinandertreffen.
Wenn es dumm läuft, können sie bei einem Unentschieden beide absteigen (einer über die Relegation), im Glücksfall retten sie sich gegenseitig.
Darmstadt holt Schuster in der Not zurück
Nie ist die Blitztabelle der 2. Liga wichtiger als an diesem Tag.
Darmstadt 98 hat im ersten Jahr nach dem Abstieg eine schwache Saison gespielt und in der Not im Dezember Aufstiegstrainer Dirk Schuster, der in Augsburg jäh gescheitert ist, zurückgeholt.
Mit Erfolg: aus fünf Punkten Rückstand zum rettenden Ufer wird ein Platz an selbigem, wenn auch nur mit einem Punkt Vorsprung. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 2. Bundesliga)
Groll vergessen: Schuster wird zum Retter
Seit zehn Spielen sind die Lilien vor dem Abstiegsfinale ungeschlagen und Präsident Rüdiger Fritsch beglückwünscht sich selbst zur Personalie Schuster: „Er kann mit den gegebenen Mitteln einfach das Bestmögliche rausholen. Das schätzen wir an ihm.“
Vergessen der Groll über seinen spontanen Abgang nach der ersten Bundesligasaison 2016. Nun brauchen sie den zweimaligen Aufstiegshelden als Retter.
Auch wenn Fritsch wohl nicht ganz im Ernst sagt, im Falle des Klassenerhalts könne Schuster „für die nächsten zehn Jahre bleiben“.
Erzgebirge Aue im verflixten zweiten Jahr
Erzgebirge Aue spielt das sprichwörtliche schwere zweite Jahr nach dem Aufstieg.
Damit war fünf Spiele vor Schluss bei 39 Punkten nicht mehr zu rechnen, doch ein Einbruch zur Unzeit hat das Team von Trainernovize Hannes Drews in dessen ersten Profijahr in höchste Schwierigkeiten gebracht.
„Dass es so brutal eng und ausgeglichen zugeht, das ahnte damals keiner“, gibt sich der 36-Jährige verwundert über die Erfahrungen in seinem ersten Lehrjahr in der 2. Liga.
Das Umfeld zieht derweil Mut aus dem Fakt, dass sich Aue bis dahin schon dreimal am letzten Spieltag vor einem Abstieg gerettet hat. Und diesmal? (DATEN: Die Tabelle der 2. Bundesliga)
Erzgebirge dominiert die Lilien klar
Sie hätten es verdient gehabt, soviel darf festgestellt werden.
Aue dominiert die Lilien, denen der „Kicker“ eine große Nervosität attestiert, in der Offensive habe der SV 98 „nur Stückwerk“ zusammengebracht.
Nicht so Aue: Als Auswärtsmannschaft mit 13:1 Ecken, 60 Prozent Ballbesitz und einem leichten Chancenplus (5:4) aus einem Abstiegsfinale zu gehen, ist aller Ehren wert. Nur nicht der Rettung!
Dagegen hat Darmstadts Tobias Kempe, der die zähe Partie in der 86. Minute mit seinem Flachschuss aus 13 Metern zum 1:0 entscheidet, und der Schiedsrichter etwas.
Kritik an Schiedsrichter Sören Storks
Auf Sören Storks konzentriert sich die geballte Wut der Auer, da er ihnen vor der Pause ein klares Tor von Rizzuto und einen Handelfmeter verweigert.
Bei Rizzutos Schuss ist der Ball schon nach vier Minuten im Darmstädter Kasten, Bregerie kratzt ihn deutlich hinter der Linie heraus.
Das beweisen Fotos, das sehen viele Zuschauer und natürlich alle Auer - nicht nur, weil sie es sehen wollen.
Aber es gibt 2018 noch keinen VAR und auch keine Torkamera in der 2. Liga, ausgerechnet Aue hat vor der Saison als einer von zwei Klubs bei der DFL dagegen gestimmt.
Nun werden sie Opfer ihrer eigenen Fortschrittsverweigerung.
Aue muss in der Relegation gegen KSC ran
Routinier Christian Tiffert wird im ersten Zorn etwas unsachlich: „Es sagt doch schon viel, wenn der Schiedsrichter einem nach dem Spiel nicht mal die Hand gibt. Da weißt du doch, dass mit seiner Leistung etwas nicht gestimmt hat.“
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel - für Aue geht es nach den Ergebnissen von den anderen Plätzen schon fünf Tage später weiter.
In der Relegation müssen sie gegen den Karlsruher SC ran, da wird der VAR seine Premiere unterhalb der Bundesliga feiern. Den brauchen sie nicht mal, um sich zu retten.
Und so kommen beide Mannschaften im Mai 2018 mit dem Schrecken davon.
„Kann Unmut über Schiedsrichterleistung verstehen“
Die Darmstädter, zur Erleichterung vom Gros der 17.000 Zuschauer, schon etwas früher.
Wie beim Aufstieg 2015 in die Bundesliga ist der Ex-Auer Kempe Mann der Tages, aber die große Fete steigt diesmal nicht.
„Heute tun wir gut daran, nicht großartig zu feiern. Dazu gibt es wenig Grund nach so einer Saison“, sagt Kapitän Aytac Sulu.
Kollege Sandro Sirigu betont, er sei „um hundert Kilo leichter“, eben weil die Last des drohenden Durchmarschs in Liga 3 nun von den Schultern gefallen ist.
Und Dirk Schuster, der einstige DDR-Nationalspieler, hat ein Herz für Aue: „Respekt für die Leistung von Aue – und ich kann den Unmut über die Schiedsrichterleistung auch verstehen.“
Schuster kann Serie gegen Darmstadt nicht durchbrechen
Da ahnt noch keiner, dass Schuster über seinen kommenden Verein sprechen würde.
Aber da es mit den zehn Jahren in Darmstadt doch nichts wurde (Entlassung im Februar 2019), angelte sich der FC Erzgebirge den Sachsen Schuster (September 2019), dort blieb er zwei Jahre.
Auch mit ihm wuchs die Serie, die heute aus Auer Sicht dringend reißen muss, an: in Darmstadt hat der FCE immer verloren. Fünf Mal.
Aber nie war es so unverdient wie 2018.