Sportlich läuft es rund, doch auf anderer Ebene brodelt es derzeit beim FC Schalke 04!
Ukraine hat erste Folge für Schalke
Im Licht der russischen Militäroffensive gegen die Ukraine fordern immer mehr kritische Stimmen nun auch vom Fußball-Zweitligisten Konsequenzen.
Hintergrund: Der Pott-Klub wird seit 2007 von Gazprom gesponsert. Den Vertrag mit dem umstrittenen russischen Staatsunternehmen handelte seinerzeit noch der langjährige Aufsichtsrats-Boss Clemens Tönnies (trat im Sommer 2020 zurück) aufgrund seiner guten Beziehungen zum russischen Präsidenten Waldimir Putin aus. Zu Champions-League-Zeiten brachte der Deal bis zu 30 Millionen Euro ein. (Schalke überprüft Partnerschaft)
Seither ist Gazprom in Gelsenkirchen omnipräsent. Der Schriftzug ziert die Brust des Trikots, ist zudem in den Funktionsgebäuden sowie auf weiteren Fanartikeln zu sehen. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 2. Bundesliga)
Putin-Vertrauter saß in Schalke-Aufsichtsrat
Im Putin-Vertrauten Matthias Warnig saß bislang sogar der Vorsitzende der Geschäftsleitung der Gazprom-Tochter Nord Stream 2 AG im S04-Aufsichtsrat. Jenes Unternehmen, dessen umstrittenes Projekt einer Ostsee-Pipeline zwischen Russland und Deutschland von Bundeskanzler Olaf Scholz nun auf Eis gelegt wurde. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 2. Bundesliga)
„Die Zusammenarbeit mit dem russischen Staatsunternehmen Gazprom war, ist und bleibt ein Fehler, der dem FC Schalke 04 seit 2007 singulär Mehreinnahmen beim Hauptsponsoring aber ganzheitlich Mindereinnahmen in fast jedem anderen Bereich (Merch, Hospitality, Sponsoring, PR) gebracht hat“, schrieb Schalke-Fan und Marketing-Spezialist Raphael Brinkert, der die Kampagne der SPD für die Bundestagswahl 2021 verantwortet hat und auf Schalke den Zusammenschluss die „Zukunftself“ initiierte, bei Twitter.
Seine unmissverständliche Forderung (und im Übrigen auch die vieler Fans) lautete: „Wenn Russland in der Ukraine einmarschiert, muss der Verein qua Leitbild und Eigeninteresse unmittelbar handeln, die Sponsorings kündigen uns sich vom Aufsichtsrat Matthias Warnig distanzieren.“
Warnig tritt aus Aufsichtsrat zurück
Am frühen Donnerstagmorgen hat Russland nun Ziele in der Ukraine beschossen. Warnig selbst zog am Donnerstagvormittag die Konsequenz aus den jüngsten Entwicklungen und legte mit sofortiger Wirkung sein Aufsichtsratsmandat nieder.
Aber könnte Schalke so einfach die Sponsorings kündigen?
Klar ist: Die finanziell arg angeschlagenen Königsblauen sind in gewisser Weise abhängig von der Putin-Kohle. Auch in der 2. Liga zahlen die Russen immerhin noch einen stattlichen Betrag zwischen 8 und 10 Millionen Euro. Bei einem Aufstieg würde sich die Summe sogar verdoppeln.
Nach SPORT1-Informationen würde bei direktem Aufstieg im Sommer außerdem eine Prämie von 5 Millionen Euro fließen. Bei jedem weiteren Verbleib in der 2. Liga würde diese Summe bis 2024 allerdings sinken. Der Vertrag wurde erst im März 2021 verlängert und ist im Zweitliga-Fall bis 2024, im Erstliga-Fall bis 2025 gültig.
Schalke ächzt unter der Schuldenlast
Den Verein drücken Verbindlichkeiten von über 200 Millionen Euro. Die Lizenz wird, das machte Christina Rühl-Hamers vor wenigen Tagen klar, auch in diesem Jahr wieder nur mit Auflagen erfüllt – die Finanzchefin verwies dabei auf verliehene Spieler wie Amine Harit (Marseille) und Ozan Kabak (Norwich), die mehrere Millionen verdienen und weiterhin zum Inventar gehören. Der Fehlbetrag im ersten Halbjahr 2021 wurde auf 21 Millionen Euro beziffert.
Im Klub laufen nach dem Angriff Russlands derweil aber die Beratungen über mögliche Maßnahmen auf Hochtouren.
„Auch wir sind von den Bildern schockiert gewesen, die sich da abspielen“, sagte Pressesprecher Marc Siekmann: „Aber ich muss um Verständnis bitten, dass das Ganze am Donnerstagmorgen nochmal eine neue Wendung genommen hat, wir Zeit brauchen, um das zu beraten und zu schauen, was das für Schalke 04 bedeutet.“
Schalkes Führung will sich „zu gegebener Zeit äußern“
Die Vereinsführung werde sich „zu gegebener Zeit dazu äußern“, führte Siekmann weiter aus: „Wann genau das ist, kann ich an der Stelle nicht abschätzen. Auch wir brauchen Zeit, um verschiedene Dinge zu prüfen und zu beraten.“
Die Kritik an Gazprom, das nach SPORT1-Informationen die volle Summe für die laufende Saison bereits an Schalke überwiesen hat, ist nicht neu. Bereits im Jahr 2014, als Russland die Krim völkerrechtswidrig annektiert hatte, gab es heftigen Gegenwind.
Zu einem Umdenken brachte es den Verein damals nicht. Vielen Fans ist das Sponsoring von Gazprom ein Dorn im Auge. Hinter vorgehaltener Hand heißt es auf Schalke sogar, dass es allein dadurch Mindereinnahmen bei Trikot- und Marketingverkäufen von 2 bis 3 Millionen Euro gibt. (DATEN: Die Tabelle der 2. Bundesliga)
Wie geht es nun weiter auf Schalke?
„Jeder weitere Spieltag ist hochproblematisch“
Marketing-Experte Brinkert sieht „ohne Gazprom eine große Chance für einen kommunikativen Neustart“, wie er bei RTL/ntv sagt.
Die Zusammenarbeit müsse schnell beendet werden: „Jeder weitere Spieltag mit dem russischen Staatsunternehmen auf der Brust ist hochproblematisch hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Vereins und seinem selbstauferlegten Leitbild nebst Wertekanon.“
Intern werden, so erfuhr SPORT1 aus Klubkreisen, derzeit verschiedene Szenarien durchgespielt – auch das eines Gazprom-Aus.
Der Verein steht in den nächsten Wochen vor dem Dilemma – Kohle oder Moral.
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Mit Sportinformationsdienst (sid)