Wenn Werder Bremen zu einem Zweitligaspiel nach Kiel muss, dann muss die Trainerfrage offenbar ungeklärt sein (2. Liga: Holstein Kiel - Werder Bremen, ab 19.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1 und im Stream). Heute steigt erst das zweite Treffen der Nordklubs im Unterhaus in der Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein und wie vor 40 Jahren herrscht Unruhe um den wichtigsten Posten in einem Fußballverein. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 2. Bundesliga)
Werders Trainerchaos vor 40 Jahren
1981 war es zwar nicht so skandalös wie heute, da sich Werder-Coach Markus Anfang mit einem offenkundig gefälschten Impfzertifikat selbst um seinen Job gebracht und sein Vertreter mit Covid 19 infiziert hat, doch die Situation war nicht minder prekär. Damals wie heute stellte sich die Frage: wie sollte es weiter gehen, wer bringt Werder zurück in die Bundesliga?
Im Mai 1980 ist es passiert, Werder Bremen verlässt im 17. Bundesligajahr den Klub der „Dinos“ und steigt ab. Zur neuen Saison verpflichtet Jung-Manager Rudi Assauer mit Kuno Klötzer einen alten Hasen. Der einstige Werder-Spieler hat schon Fortuna Düsseldorf erstmals in die Bundesliga geführt (1966) und später beim Bremer Nordrivalen HSV große Erfolge gefeiert: Pokalsieger 1976, Europapokalsieger 1977. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 2. Bundesliga)
„Ritter Kuno“ sollte Werder zum Aufstieg verhelfen
Bei Hertha BSC war er im Herbst 1979 zwar entlassen worden, aber sein Ruf war gut genug für Werder-Zwecke: mit „Ritter Kuno“, wie er nach einer historischen Figur, die auch Vorlage für Kinderbücher war, genannt wurde, sollte Werder den wirtschaftlich unabdingbaren Wiederaufstieg schaffen.
Sonst wäre man bei geschätzten zwei Millionen D-Mark Schulden am Saisonende gezwungen, sich von namhaften Profis zu trennen und mit Amateuren ganz neu anzufangen, erzählte der Schatzmeister auf der Jahreshauptversammlung Ende März 1981.
Da allerdings war schon nicht mehr klar, ob Klötzer seine 13. Trainerstation wie geplant mit dem Aufstieg würde krönen können. Denn am 8. Februar war er mit seinem Opel Kadett auf der B 214 zwischen Celle und Braunschweig auf vereister Fahrbahn schwer verunglückt. Diagnose: Rippenbruch, Platzwunde, Gehirnerschütterung, seine Frau einen Beckenbruch. Bild titelte nicht sonderlich empathisch: „Glatteis! Werder gerät ins Trudeln“.
Denn an Fußball war für Klötzer zunächst nicht zu denken. Die Lösung: die Mannschaft des Tabellenführers übernahm Manager Rudi Assauer – solange Klötzer in der Klinik lag, hieß es. Am 2. März erschien er wieder beim Training, noch sichtlich angeschlagen und von Kopfschmerzen geplagt und überließ Assauer die Arbeit auf dem Platz. Für vier Spiele versuchte er dann noch sein Glück, Assauer immer an seiner Seite.
Kiel vs. Bremen ein Saisonhöhepunkt
So ging es am Sonntag, 22. März 1981, nach Kiel zum KSV Holstein, der auf Platz 15 der 2. Liga Nord stand, die am Saisonende aufgelöst wurde. Nach einem ausgeklügelten Punktesystem wurden die Teilnehmer der eingleisigen 2. Liga ermittelt, Holstein hatte mangels historischer Meriten keine Chance sich zu qualifizieren. Trotzdem war das Duell mit dem Ex-Meister ein Saisonhöhepunkt.
8350 Zuschauer fanden sich ein – die zweitgrößte Kulisse der Saison. Holstein erstarrte nicht vor Angst gegen den Favoriten, in dessen Reihen sowohl ehemalige (Klaus Fichtel, Erwin Kostedde) als auch künftige Nationalspieler (Norbert Meier, Uwe Reinders, Johnny Otten) standen. Der bis wenige Monate zuvor noch aktuelle Nationaltorhüter Dieter Burdenski fehlte verletzt und lag in derselben Klinik wie Klötzer.
Bei Holstein stand ein gewisser Andreas Köpke mit gerade mal 19 Jahren im Tor und nur drei Spieler hatten Bundesligaerfahrung: der Ex-Lauterer Heinz Stickel und zwei ehemalige Bremer; Dimitrios Daras und Bernd Brexendorf. Letzterer schockte die Bremer, da er ihnen schon nach fünf Minuten einen einschenkte. Fast 80 Minuten lief Werder diesem Rückstand hinterher, Ritter Kunos letzter Ausritt drohte mit einer Niederlage zu enden. (DATEN: Die Tabelle der 2. Bundesliga)
Stelzer patzte kurz vor Schluss entscheidend
Da patzte der bis dahin überragende Holstein-Verteidiger Immo Stelzer zum einzigen Mal an diesem Nachmittag, trat über den Ball und ließ Schlitzohr Kostedde die eine Chance, auf die er das ganze Spiel lauerte – 1:1 hieß es nach 84 und auch nach 90 Minuten. Werder hatte sich nicht mit Ruhm bekleckert, der Kicker tadelte: „Werder Bremen wurde seinem Ruf als möglicher Bundesligist nicht ganz gerecht.“ Im Nord Sport stand gar, „auch in der zweiten Hälfte wurde die Elf von Kuno Klötzer fußballerisch vorgeführt.“
Es war nicht das einzig schwache Werder-Spiel unter Klötzer im Frühjahr 1981 und nach einem mühsamen 2:1 gegen Erkenschwick am Sonntag darauf wurde die Mannschaft mit einem Pfeifkonzert verabschiedet. Es war auch der Abschied von Klötzer, bei dem ein Blutgerinnsel im Hirn diagnostiziert wurde.
Assauer suchte nach Alternativen und fand Otto Rehhagel, der Werder schon 1976 im Abstiegskampf gerettet hatte. Nun sollte er den Aufstieg eintüten. Allerdings war Klötzer noch im Amt und Rehhagels unbefristeter Vertrag, am 2. April abgeschlossen, galt nur bis Klötzers Rückkehr. Aber dazu kam es nicht mehr, was Ritter Kuno nachhaltig verärgerte.
Ära Rehhagel eingeläutet
Im Interview eines Werder-Buchs sagte er: „Sicher hätte ich die Saison gern zu Ende gemacht. Über das Ende der Zusammenarbeit war ich nicht sehr glücklich.“ Werder aber feierte wenige Wochen später den Aufstieg, die Ära Otto Rehhagel konnte beginnen. Es wurde die größte der Vereinsgeschichte.
Für Für Klötzer, damals 58, war Kiel nicht die letzte Dienstreise, obwohl es wohl besser gewesen wäre. Im November 1981 nahm er ein Angebot des MSV Duisburg an und beendete seine Karriere mit einem Abstieg aus der Bundesliga.