Nach knapp 68 Minuten Kampf, Leidenschaft und Eishockey auf Weltklasseniveau lag sich das deutsche Team jubelnd in den Armen.
Deutscher WM-Wahnsinn geht weiter!
Frederik Tiffels hatte mit seinem zweiten Tor an diesem Abend für die Entscheidung gesorgt. Mit 4:3 nach Verlängerung besiegte die DEB-Truppe die USA im Halbfinale der Eishockey-WM 2023 (LIVE auf SPORT1) und darf so weiter vom ersten WM-Titel der Geschichte träumen.
Im Finale geht es gegen Kanada (ab 19.20 Uhr LIVE auf SPORT1), das Lettland im ersten Halbfinale besiegt hatte. Damit ist das erste WM-Edelmetall seit 70 Jahren schon sicher.
„Ich bin einfach so schnell gelaufen, wie ich laufen kann und hatte ein paar Zentimeter Platz. Dann habe ich abgezogen und das Ding ist reingegangen. Einfach unglaublich“, beschrieb Tiffels nach dem Match sein Siegtor bei SPORT1 und schickte auch gleich eine kleine Kampfansage in Richtung Finalgegner ab. „Ab jetzt ist alles möglich. Wir haben was ins Rollen gebracht. Warum das morgen nicht beenden?“
Auch 2014-Weltmeister Schweinsteiger gratuliert
„Ich weiß nicht, gibt es was Geileres als das?“, suchte auch Moritz Seider, der zusammen mit Kai Wissmann und Marcel Noebels als bestes deutsches Trio ausgezeichnet wurde, nach den passenden Worten für das Erreichen des WM-Finales, ehe auch er schon einen Ausblick auf das Duell mit Kanada wagte. „Es ist ein Spiel, da kann alles passieren. Wir haben in der Vergangenheit schon gezeigt, dass wir Kanada schlagen können und haben viel Selbstvertrauen.“
Selbst Bastian Schweinsteiger war von der Euphorie rund um den deutschen Finaleinzug angesteckt. „Eine unfassbare Leistung! Belohnt euch und holt euch den Titel morgen“, schrieb der Weltmeister von 2014 auf Twitter und garnierte seinen Post mit klatschenden Händen und dem Bizeps-Emoji.
Auch in der Eishockey-Großmacht Schweden blieb der deutsche Erfolg nicht unbemerkt. „Es war großartig, Deutschland hat es geschafft. Es ist historisch, es ist eine Nacht der Freude. Das ist Eishockey vom Feinsten, was für eine Mannschaftsmoral und was für ein Charakter von Deutschland“, sagt SVT-Experte Jonas Andersson. Schweden war seinerseits bereits im Viertelfinale an Co-Gastgeber Lettland gescheitert.
Marcel Noebels fasste die Leistung nach dem Spiel bei Magenta Sport mit eigenen Worten zusammen: „Wer jetzt kein Eishockey-Fan ist, der muss sich schämen. Das sag ich ganz laut.“
Harold Kreis: „In meinem Herz schlägt nur ein Herz...“
Aber auch einen kleinen Seitenhieb konnte sich ein DEB-Star nicht verkneifen. „Wir lassen uns nicht unterkriegen und auch nicht kleinreden. Es gab viele Leute, die uns vor dem Turnier kleingeredet haben und jetzt stehen wir im Finale“, sagte Seider nach dem Spiel bei SPORT1.
Diesem Finale fiebert auch Bundestrainer Harold Kreis entgegen. Dass es dabei gegen sein Heimatland geht, spielt für den 64-Jährigen keine Rolle, wie er bei SPORT1 betonte. „Im Moment schlägt bei mir nur ein Herz und das hat kein Ahornblatt. Ich bin so lange weg und fühle mich zu 100 Prozent als Deutscher. Ich bin deutscher Bundestrainer und lebe das. Wir spielen gegen ein anderes Land, das uns schlagen will und da haben wir was dagegen.“
Und dass der Mann aus Winnipeg nach einem möglichen WM-Titel wieder die Koffer packt, braucht der DEB wohl nicht zu befürchten. „Ich überlege deswegen nicht, aufzuhören“, erwiderte er mit einem Lachen auf die Frage nach seiner Zukunft.
Deutscher Horror-Start und irres Comeback
Allerdings legte das deutsche Team einen echten Horror-Start gegen die USA hin. Es waren gerade einmal 3:56 Minuten gespielt und die Nordamerikaner lagen durch Tore von Alex Tuch (2.) und Rocco Grimaldi (4.) mit 2:0 in Führung. Überhaupt war Grimaldi an diesem Tag der überragende Akteur auf Seiten der US-Boys. Der 30-Jährige war an allen drei Toren seines Teams beteiligt.
Aber Deutschland schüttelte sich kurz und kämpfte sich in überragender Manier zurück in das Spiel. Erst verkürzte Frederik Tiffels mit einem Powerplay-Treffer (13.) auf 1:2, ehe Maksymilian Szuber noch im ersten Drittel für den Ausgleich sorgte (18.).
„Man will nie mit 2:0 in Rückstand geraten, da waren, glaub ich, noch keine vier Minuten gespielt“, beschrieb Torschütze Tiffels dieses wilde erste Drittel bei SPORT1 und fügte hinzu: „Umso wichtiger, dass wir dann getroffen haben. Vielleicht dachten die Amerikaner dann, das wird ein leichtes Spiel.“
USA mit Vorteilen im Mitteldrittel
Im Mitteldrittel war es dann ein Duell auf höchstem Eishockey-Niveau mit leichten Vorteilen für die USA. Nicht ganz unverdient ging der zweimalige Weltmeister, der bereits seit 1960 auf seinen dritten Titel wartet, wieder in Führung. Diesmal war es Michael Eyssimont (39.), der sein Team wieder jubeln ließ.
Gut vier Minuten zuvor ging ebenfalls die Torsirene für die USA an. Aber nachdem die Schiedsrichter die Szene nochmal im Video kontrollierten, zeigte sich, dass der Puck die Linie nicht komplett überquert hatte.
Dennoch hatten diese 20 Minuten durchaus Eindruck hinterlassen, wie DEB-Kapitän Moritz Müller bestätigte. „Die spielen blitzschnell nach vorne. Da braucht es höchste Konzentration“, beschrieb er das US-Spiel in der zweiten Drittelpause bei SPORT1, war aber immer noch voller Optimismus. „Wir sind ein Schuss davon entfernt, um die Goldmedaille zu spielen. Wir müssen nochmal alles rausholen.“
Deutscher Sturmlauf wird belohnt
Das taten die Männer mit dem Bundesadler auf der Brust auch im Schlussdrittel. Phasenweise schnürten sie den Gegner im eigenen Verteidigungsdrittel ein, mussten aber stets auf der Hut vor den gefährlichen Kontern der US-Boys sein.
Allerdings konnten die Amerikaner aus ihren Chancen keinen Nutzen mehr ziehen, während das DEB-Team in Person von Marcel Noebels (59.) kurz vor Ende den Puck über die Linie brachte. Knapp sechs Minuten vor Schluss stand Jonas Müller bereits die Latte im Weg.
In der Overtime war es dann ein wildes Hin und Her, wo die beiden Goalies Casey DeSmith und Mathias Niederberger immer wieder im Fokus standen, aber fehlerfrei blieben, ehe Tiffels mit seinem zweiten Treffer zum deutschen Helden wurde.
Auch Minuten nach dem Treffer war Seider noch voller Euphorie. „Unglaublich, was die Jungs da gerissen haben.“ Gerade dieser Wille zeichnete das deutsche Spiel aus. „Vielleicht haben wir nicht das meiste Talent auf dem Papier. Aber wir zeigen die Werte, die den DEB ausmachen.“
Diese Werte sollen Deutschland nun auch im Finale gegen Kanada zum Sieg führen. Dann wäre es endgültig ein historischer Moment des deutschen Eishockeys.