Er war DIE Frage nach dem deutschen Coup gegen Kanada bei der Eishockey-WM: Verstärkt Leon Draisaitl das DEB-Team und erhöht somit die Chance auf eine Medaille?
Das steckt hinter Draisaitls Absage
Der NHL-Superstar war in der Nacht zu Dienstag mit seinen Edmonton Oilers aus den Playoffs ausgeschieden - der Weg für die WM in Riga schien damit frei. Doch die Spekulationen fanden ein schnelles Ende, als der DEB offiziell bekannt gab, dass Draisaitl nicht nachreisen werde. (Eishockey-WM: Deutschland - Kasachstan, Mittwoch ab 15 Uhr LIVE im TV und Stream)
Stattdessen wird Draisaitls Oilers-Teamkollege Dominik Kahun zur deutschen Mannschaft stoßen. Die deutschen Fans dürfen sich also trotzdem auf einen NHL-Spieler freuen.
Dennoch drängt sich die Frage auf, wieso Kahun zum DEB-Team stößt, Draisaitl jedoch nicht - obwohl für beide gleichzeitig die NHL-Saison auf dem Eis endete.
DEB bestätigt: Kahun statt Draisaitl zur WM
Laut einer Stellungnahme des DEB sei eine Anreise des Top-Akteurs nicht so schnell machbar gewesen wie bei Kahun. Deshalb habe man gemeinsam die Entscheidung getroffen, auf einen Einsatz zu verzichten.
"Dominik hat signalisiert, dass er unbedingt zur WM kommen möchte. Dass er so schnell ins Flugzeug steigen kann, war der ausschlaggebende Grund. Bei Leon waren die Umstände anders und eine Abreise nicht sofort möglich. Daher haben wir miteinander beschlossen, dass er nicht nach Lettland reist", wird Bundestrainer Toni Söderholm in der Erklärung zitiert.
Und weiter: "Er hat sich für unser Interesse bedankt und wünscht der Mannschaft ganz viel Erfolg."
DEB-Sportdirektor Christian Künast sagte: "Für Leons Situation haben wir volles Verständnis, er hat uns viel Erfolg im weiteren Turnier gewünscht."
Draisaitl-Verpflichtungen bei Oilers
Tatsächlich kamen Draisaitl nach Edmontons Playoff-Aus noch besondere Verpflichtungen zu, die eine sofortige Abreise verhinderten.
In der NHL ist es wie auch in anderen Profi-Ligen in den USA üblich, dass sich wichtige Spieler nach dem Saisonabschluss in einer größeren Medienrunde noch den Fragen der Journalisten stellen. Von den Oilers wurden Head Coach Dave Tippett, Oilers-Kapitän Connor McDavid, Draisaitl sowie vier weitere Top-Spieler eingebunden.
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Kahun, der bei den Oilers nicht zu den Stars gehört, war davon nicht betroffen. Doch war das allein der Grund für Draisaitls Absage? Wären ein oder zwei Tage entscheidend gewesen, wenn der Kölner wie sein Kollege Kahun "unbedingt zur WM kommen" hätte wollen?
Schwer zu sagen. Aufgrund der Corona-Regelung bei der Eishockey-WM hätte Draisaitl zumindest erst am sechsten Tag nach seiner Ankunft das erste Spiel bestreiten können. Je nach Abreisetag hätte dies dann für das Viertelfinale am 3. Juni noch reichen können. Eine spätere Anreise wäre wohl wenig sinnvoll gewesen - und gefährdet im schlimmsten Fall die Teamchemie.
Das sagt Peter Draisaitl zur Absage
Den genauen Grund für die WM-Absage des ersten deutschen NHL-MVP kennt aber selbst Vater Peter Draisaitl derzeit nicht, wie er auf SPORT1-Nachfrage erklärte: "Ich habe mit Leon nicht darüber gesprochen, ob er zur WM kommen wird, wenn es sich machen lässt. Daher kenne ich die Gründe für seine Entscheidung nicht."
Auch ob es mit dem bitteren Ausscheiden seiner Oilers zu tun hat, konnte der frühere Nationalspieler nicht beantworten. Er könne sich jedoch durchaus vorstellen, dass der Frust groß ist: "Ich wollte ihn einfach mal in Ruhe lassen. Aber ich kann es mir schon vorstellen. Jeder Athlet, und Leon erst recht, braucht erst einmal eine Zeit, um darüber hinwegzukommen. Die Enttäuschung ist mit Sicherheit riesig."
Dieser Eindruck bestätigt sich auch bei einem Blick auf die Presserunde der Oilers. Der 25 Jahre alte Draisaitl wirkte sichtlich bedrückt und erklärte: "Wir wollten nicht, dass es so endet. Das ist offensichtlich. Keine Frage. Wir hätten mehr verdient gehabt."
Trotzdem versucht der Stürmer das Positive mitzunehmen: "Wir machen weiter. Wir bauen hier etwas Großes auf und freuen uns auf die Zukunft. Wir sind auf dem richtigen Weg."
Oilers quetschen alles aus Draisaitl raus
Es lässt sich zudem darüber spekulieren, ob die Oilers scharf darauf waren, einen ihrer beiden Superstars nach einer langen und kräftezehrenden Saison noch zu einer WM zu schicken.
In Riga würde für Draisaitl - je nach Abschneiden der deutschen Mannschaft - noch einiges an Eiszeit dazukommen. Und auch die Reisestrapazen nach Lettland sind nicht zu unterschätzen. Allein gegen die Winnipeg Jets in der ersten Playoff-Runde stand Draisaitl in nur vier Spielen mehr als 126 Minuten auf dem Eis.
Angesichts des drohenden Aus war Draisaitl von seinem Trainer an seine Belastungsgrenze geführt worden. Im letzten Spiel kam er auch aufgrund der Verlängerung sogar knapp 45 Minuten zum Einsatz - das ist im Eishockey auf dem Niveau extrem viel.
Höheres Verletzungsrisiko für Draisaitl
Das Verletzungsrisiko für Draisaitl wäre ohne Pause daher höher als bei anderen Spielern. Zum Vergleich: Kahun kam in den Playoffs nur in zwei von vier Partien gegen Winnipeg zum Einsatz, insgesamt lag seine Eiszeit nur bei rund 22 Minuten.
Die deutsche Mannschaft muss daher auch weiterhin ohne den Mega-Star auskommen, was bislang aber ohnehin gut funktioniert hat. Die Bilanz von drei Siegen aus drei Spielen und ein Torverhältnis von 17:6 spricht für sich.
Gegen Kasachstan soll diese Erfolgsserie ohne Draisaitl und auch noch ohne Kahun ausgebaut werden.