Tausende Pfeile flogen bei der Darts-Weltmeisterschaft 2025 ins Board, das längste Leg dauerte satte 33, die beiden kürzesten je neun. Luke Littler ist mit 17 Jahren der jüngste Weltmeister der PDC-Historie. Was die WM aber eigentlich ausmacht, sind all diese Geschichten, die kaum einer mitbekommt. Hinter der Bühne, außerhalb des Ally Pally. Mit Spielern und Kollegen aus aller Welt, mit euch, den Fans. In 16 Tagen habe ich rund 170 Stunden in dieser verrückten Halle verbracht, es war mein erstes Mal hier – und das hinterlässt eine Mischung aus unausweichlichem Kulturschock, immer wieder aufkeimendem Bauchkribbeln und bloßem Staunen. Nicht nur über die sportliche Leistung.
Was hinter den Kulissen der WM geschah
Im Alexandra Palace werden nämlich statt nur der ganz großen Momente auch die kleinen gefeiert. Als Rashad Sweeting von den Bahamas seinen Satzgewinn einfuhr. Als die erste Transfrau der WM-Geschichte, Noa-Lynn van Leuven, sich mit zumindest sechs perfekten Darts in Stellung für einen historischen Augenblick brachte. Und als Kevin Doets in seinem Überschwang für einen englischen Experten im Presseraum kurzerhand ‚Happy Birthday‘ anstimmte, feierten sowieso alle mit.
Darts-WM: Von Ed Sheeran bis Mona Lisa
Denn das ist auch der Charakter der Veranstaltung: Wenn sich gerade kein sportliches Highlight auftut, dann inszeniert man sich eben selbst. Da kann es passieren, dass einem die Mona Lisa in die Arme torkelt, während soeben Ketchup- und Mayonnaise-Flaschen den Weg in die Halle finden wollen. Und plötzlich taucht ein Michael-van-Gerwen-Double neben Ed Sheeran auf. Das war sogar der Echte. Denn Darts ist nicht mehr nur ein Sport für sich betrinken wollende Mittelständler, sondern auch für Fußballstars erster Klasse wie Kyle Walker oder eben für Musik-Superstars mit beinahe 50 Millionen Followern auf Instagram.
Die eigentlichen Helden des Turniers hören aber auf die Namen Damon Heta und Christian Kist. Die Ekstase in diesem einen Moment, wenn der neunte Dart ins Board einschlägt und das Leg perfekt macht, ist schwer zu beschreiben. In diesem Jahr durften wir alle das in doppelter Ausführung erleben. Die Dopamin-Ausschüttung sollte gar verdreifacht werden. Weil der Sponsor nicht nur eine Spende an einen guten Zweck auslobt, dem Spieler eine Prämie auszahlt, sondern auch noch Fans beglückt, ist das die kollektive Glückseligkeit. Ein 38-Jähriger aus Marienberg in den Niederlanden hat also kurzerhand einem englischen Eisenbahnmitarbeiter sein Jahresgehalt um rund 72.000 Euro aufgebessert, ein ausgeflippter Australier, der mit Flammenperücke als Anime-Charakter einläuft, machte Mauri aus Luzern zum Sakko-Träger der Herzen und um ein paar Scheine reicher.
Ganz abgesehen davon, dass sich Damon Heta auch noch selbst eine Rolex leisten kann, über die er nach „nur“ acht perfekten Darts auf der längsten und mit Sicherheit unterhaltsamsten Pressekonferenz der WM noch zahlreiche Male schwärmte. Aus Ärger über die zunächst verpasste Chance, ließ er seine Fans über Social Media in dem Glauben, über die Weihnachtsfeiertage nur noch die Doppel 12 zu trainieren. Diese verflixte Doppel 12 hätte auch Darts-Deutschland glücklich gemacht. Martin Schindler war in diesem Jahr so nah dran an einem 9-Darter auf der größten aller Bühnen, wie noch kein Deutscher zuvor.
Darts-WM: SPORT1-Phrasenschweine begehrt wie nie
Doch auch an diesen Orten ist nicht alles Gold, was glänzt. Nur rund 50 Meter weiter tropfte es bei heftigstem britischem Unwetter unlängst der SPORT1-Wall-of-Fame von der Hallendecke. Weitere 20 Meter weiter stand eine koreanische Journalistenkollegin auf der Pressekonferenz von Michael van Gerwen kurzerhand auf, filmte ihre Frage im Querformat mit Blitzlicht auf „Mighty Mike“ gerichtet auf dem eigenen Handy mit – und fragte mich anschließend in brüchigem Englisch, was ich denn von ihrer Fragestellung hielt. Und Stephen Bunting und Chris Dobey ließen nicht von den Nachfragen ab, wann sie denn ihr eigenes SPORT1-Phrasenschwein bekämen. Jaja, diese herrlich verrückte Darts-Welt.
Genau deshalb lieben wir diesen Sport mehr denn je. Die Erde dreht sich weiter. Für eine gewisse Zeit nur nicht mehr als Scheibe. Schade eigentlich.