Wenn Gary Anderson am Sonntagabend erstmals bei dieser Darts-WM (bis 3. Januar LIVE im TV auf SPORT1, im LIVESTREAM auf SPORT1.de und auf YouTube) auf die Bühne des Ally Pally steigt, wird er wohl besonders lautstark bejubelt werden.
Die Wiedergeburt einer Legende
Denn der Schotte, ohnehin einer der populärsten Spieler der Szene, feiert am Sonntag Geburtstag. 54 Jahre wird Anderson alt und ist damit einer der ältesten Teilnehmer bei den Titelkämpfen.
Es gibt wenige, die ihm in Sachen Erfahrung das Wasser reichen können. Und wenn, wie beim „Flying Scotsman“, dazu in einer langen Karriere auch noch viele Erfolge kommen, dann kann man vor einer Weltmeisterschaft schon einmal etwas lockerer auf die kommenden Aufgaben schauen.
„Gewinnen oder verlieren, das spielt keine Rolle, aber gut spielen ist wichtig“, sagt Anderson bei SPORT1 vor seinem Auftaktspiel gegen den Schweden Jeffrey de Graaf.
Anderson: „Ich hätte geschlagen werden müssen“
Gut spielen war ihm schon immer wichtig. Wenn man dann auch noch gewinnt, umso besser. Doch gewinnen, ohne gut zu spielen, das gefällt ihm gar nicht.
„Ich spiele lieber richtig gut und verliere, als schlecht zu spielen und zu gewinnen“, betont Anderson: „Als ich vor ein paar Monaten ein Turnier auf der European Tour gewann, hatte ich das nicht verdient. Ich hätte auf dem Weg geschlagen werden müssen. Im Halbfinale oder im Finale.“
Doch da ihn beim European Darts Grand Prix in Sindelfingen im April weder Rob Cross noch Ross Smith schlagen konnten, holte er sich eben den Titel – seinen ersten auf der European Tour nach zehn Jahren.
Dass er so lange nicht mehr erfolgreich war, liegt allerdings auch daran, dass er seit geraumer Zeit längst nicht mehr bei allen Turnieren dabei ist. Die Prioritäten haben sich bei ihm geändert.
„Ich habe eine Menge zu tun in meinem Leben, mit anderen Aufgaben. Im Gegensatz zu früher steht der Dartsport nicht mehr immer an erster Stelle“, sagt Anderson: „Ich habe noch junge Kinder und das nimmt mir eine Menge Zeit weg.“
Die Kinder sind auch der Grund, warum er im Sommer eine längere Zeit an überhaupt keinem Turnier teilgenommen hat: „Da waren Schulferien, also musste ich mir die Zeit nehmen.“
Anderson so gut wie lange nicht mehr
Dass er die Pfeile trotzdem noch so akkurat wie kaum ein anderer auf die Scheibe werfen kann, zeigen seine Ergebnisse in diesem Jahr, in dem ihm so etwas wie eine Wiedergeburt gelungen ist.
Beim Grand Slam of Darts stand er ebenso im Halbfinale wie beim World Cup of Darts für Schottland zusammen mit Peter Wright. Bei den European Darts Championship erreichte er das Viertelfinale, bei den UK Open das Achtelfinale.
Was das Scoring betrifft, macht ihm kaum jemand etwas vor. „Seit mindestens sechs Monaten spiele ich 110er-Averages und höher. Ich glaube, ich hatte sogar 126 in einem Spiel. Das heißt, es ist ganz gut gelaufen“, bilanziert er sein bisheriges Jahr.
Wie gut Anderson 2024 in Form ist, auch wenn er sich nicht mehr bei jedem Turnier zeigt, weiß auch Max Hopp. Der SPORT1-Experte zählt ihn sogar zu den Favoriten auf den Titel. „Ich habe einen Tipp, der freut viele Darts-Fans, nämlich Gary Anderson. Ich finde, er spielt ein verdammt gutes Jahr“, sagte Hopp neulich dem SID und fügte an: „Er weiß, wie man eine WM gewinnt, hat es schon zweimal gemacht.“
Seine beiden Triumphe im Ally Pally liegen schon ein paar Jahre zurück. 2015 und 2016 wurde er Weltmeister. Das allein macht ihn zwar nicht zum Favoriten, aber es macht ihn eben sehr entspannt.
Anderson steht vor 16. PDC-Weltmeisterschaft
Er hat nicht mehr das Gefühl, irgendjemandem etwas beweisen zu müssen, und will sich auch vor dem Auftakt zu seiner 16. PDC-WM nicht unter Druck setzen lassen.
In dem Zusammenhang hat er auch einen Tipp an die jüngeren, hoch ambitionierten Kollegen. „Wenn du irgendeinen Dartspieler fragst, sogar jemanden wie Michael van Gerwen, Michael Smith, Luke Littler oder Luke Humphries. Sie alle wollen unbedingt das erste Spiel gewinnen. Wenn sie vor Weihnachten spielen und geschlagen werden, fühlen sie sich bloßgestellt“, sagte er: „Aber das sollten sie nicht, denn sie spielen nächstes Jahr wieder und das Jahr danach auch. Selbst wenn du verlierst, kannst du dir immer noch ein schönes Weihnachtsfest mit deiner Familie machen.“
Wie lange er selbst noch spielen wird? Dazu hat er sich noch nicht abschließend geäußert. Auch auf die Frage nach seinem Ziel für die WM lässt er sich nur bedingt aus der Reserve locken. „Es geht immer darum, die erste Runde zu überstehen“, das gelte auch für ihn.
Was danach kommt? Darüber kann er sich ja noch Gedanken machen, wenn das Weihnachtsfest vorbei ist.