Callan Rydz war nach seinem nächsten fulminanten Auftritt bei der Darts-WM 2025 zu Scherzen aufgelegt. „Ich gehe jetzt“, sagte der Engländer mit einem breiten Grinsen im Gesicht und erhob sich von seinem Sitz – er tat kurz so, als würde er die Pressekonferenz vorzeitig abbrechen.
Der Aufstand
Dies hatte Joe Cullen nach seinem Auftaktsieg getan, nachdem er sich darüber beschwert hatte, dass er von den Medien abgeschrieben worden war. Auch Rydz hatten die meisten Experten nicht auf dem Zettel für einen tiefen Run. „Das hat niemand kommen sehen“, konstatierte Ex-Profi Glen Durrant im Co-Kommentar bei Sky UK, nachdem sein Landsmann mit einem 4:0 in Sätzen gegen den an elf gesetzten Dimitri Van den Bergh ins Achtelfinale eingezogen war.
In der Tat kommt die Erfolgsserie von „The Riot“ („Der Aufstand“) – wie Rydz‘ Spitzname lautet – und vor allem deren Art und Weise ein wenig aus dem Nichts. Der 26-Jährige sorgte im ablaufenden Jahr auf der Pro Tour immer wieder mit einzelnen Top-Ergebnissen für Aufsehen, insgesamt blieb er 2024 allerdings vieles schuldig, vor allem auf der Bühne.
Rydz: „Habe dieses Feuer gebraucht“
„Manchmal spiele ich 110 (Punkte im Durchschnitt pro Aufnahme, Anm. d. Red.) auf dem Floor und am nächsten Tag 85. Das verstehe ich nicht. Aber anscheinend habe ich dieses Feuer des Ally Pally gebraucht“, erklärte Rydz, der für seine schwankenden Leistungen bekannt und sich dieser auch bewusst ist.
Kaum jemand auf der Tour hat innerhalb von kurzer Zeit so krasse Unterschiede in seiner Leistung zu verzeichnen. Läuft es von Anfang an nicht, passiert es auch gerne mal, dass der Mann aus Newcastle schnell abschenkt und ein Match unmotiviert zu Ende spielt.
Bei dieser Weltmeisterschaft sieht man bislang das gegenteilige Gesicht des Weltranglisten-43. Dies bekamen Romeo Grbavac, Martin Schindler und Van den Bergh zu spüren. Gegen alle drei zündete Rydz ein wahres Scoring-Feuerwerk, das mit starken Checkouts gegen den Kroaten in einem Average von 107,06 – seinem höchsten jemals vor TV-Kameras –, und gegen den favorisierten Belgier von 105,31 Punkten mündete. Damit stehen bei ihm die zwei besten Leistungen des gesamten Turniers zu Buche.
Hopp schwärmt: „Unheimlich gut“
Lediglich gegen den Deutschen kämpfte Rydz mit den Doppelfeldern, weshalb die Statistiken deutlich geringer ausfielen. Das Zustandekommen aller drei Siege war insgesamt dennoch beeindruckend. Einen Satz beim 4:0 gegen den „Dreammaker“ beendete der Engländer sogar mit 119,95 Punkten im Schnitt.
„Das ist Masterclass. Das in der ersten Runde war schon bombastisch, aber es war nur die erste Runde. Das noch in der dritten Runde zu spielen... Hut ab, wow!“, schwärmte SPORT1-Experte Robert Marijanovic von Rydz. „Damit hätte man auf keinen Fall in der Deutlichkeit gerechnet. Es war wieder eine hervorragende Leistung von ihm, die Werte sind unheimlich gut“, lobte Max Hopp bei SPORT1.
Immer ein Kandidat für einen Spiel-Rausch
Der „Maximiser“ erklärte auch, wieso Rydz zu derartigen Leistungsexplosionen in der Lage ist. „Callan Rydz ist immer ein Kandidat dafür, sich in einen Rausch zu spielen. Wenn er einmal die Triple gefunden hat, lässt er sie nicht mehr los.“ Der Engländer betonte selbst im SPORT1-Interview: „Ich bin ein Rhythmus-Spieler.“
Dass er diesen gegen Van den Bergh fand, lag vor allem an einem Moment gleich im ersten Leg. „Ich war sehr nervös und habe beim Einwerfen nichts getroffen, aber als ich im ersten Leg seine 180 direkt mit einer 180 gekontert habe, war ich drin im Spiel.“ Danach sei er ruhig geworden, unterstrich er mehrfach.
„Ich wusste, was mit Dimi auf mich zukommen würde. Mir war klar, dass er das Spiel ein bisschen verlangsamen würde. Ich war auf jede kleine Sünde vorbereitet“, erläuterte Rydz in der Medienrunde der PDC.
Zweiter großer Erfolg bei der Darts-WM
Doch wie kommt dieses Mindset zustande auf dieser WM-Bühne im Alexandra Palace, wo er 2022 mit dem Viertelfinaleinzug bereits hat aufhorchen lassen? „Das Familienleben zuhause läuft gut. Wenn ich klar im Kopf bin, weiß ich, dass ich Großes vollbringen kann. Das habe ich in den vergangenen drei Spielen geschafft. Und obwohl ich weg von zuhause bin, bin ich noch ein glücklicher Mann“, erklärte Rydz auf der PK.
Förderlich für seine gute Laune ist auch der Erfolg seines Lieblingsfußballvereins. Newcastle United feierte zuletzt drei Siege in Folge in der Premier League, einen davon nur einen Tag nach seinem 3:0-Triumph gegen Schindler. „Newcastle hat gut gespielt – und ich habe das gegen Schindler gemacht. Hoffentlich läuft es morgen wieder so mit ManUnited“, schilderte Rydz die Parallelität. Nachdem der Darts-Star sein Achtelfinale gegen Robert Owen absolviert haben wird, bekommt es Newcastle mit den Red Devils zu tun.
WM-Favorit? „Absolut nicht“
Am Tag nach dem Finale der Darts-WM treffen die Magpies auf Tottenham Hotspur. Doch so weit will Rydz keinesfalls denken. Er zählt sich nicht zu den Turnierfavoriten: „Absolut nicht. Ich habe noch fast nichts gewonnen. Ich habe ein paar Titel auf der Pro Tour gewonnen. Man kann mich nicht mit van Gerwen oder Dobey vergleichen.“
Im Gegensatz zu Cullen blieb Rydz in Folge seines Witzes übrigens auf der PK sitzen und beantwortete geduldig alle Fragen der Journalisten. „Manche Leute schreiben uns ab, aber ich weiß, was ich leisten und dass ich es mit jedem aufnehmen kann“, verdeutlichte „The Riot“ auf SPORT1-Nachfrage. Dies kann er gleich am Montag wieder unter Beweis stellen.