Als einer von fünf Deutschen wird Martin Schindler bei der diesjährigen Darts-WM (ab dem 15. Dezember live bei SPORT1 im TV und Stream) an den Start gehen. Dabei will er anknüpfen an seinen starken Auftritt aus dem Vorjahr, bei dem er in der dritten Runde nur knapp an dem späteren Weltmeister Michael Smith scheiterte.
Buhrufe drohen: Schindlers Konzept
In der ersten Runde hat der deutsche Darts-Star noch spielfrei, ehe er am 22. gegen Fanliebling Fallon Sherrock oder den Niederländer Jermaine Wattimena ran muss. Speziell ein Duell mit Sherrock - der ersten weiblichen Siegerin eines WM-Matches - wäre eine mentale Herausforderung: Der 27 Jahre alte Schindler müsste sich auf Buhrufe und Pfiffe gefasst machen, ein britisches Publikum, das voll hinter der populären Lokalmatadorin stehen würde.
Im exklusiven SPORT1-Interview spricht Schindler über seine nicht immer gewöhnliche Herangehensweise, das Phänomen Ally Pally und wie der junge Familienvater aus Brandenburg den zunehmenden Darts-Boom in Deutschland erlebt.
SPORT1: Herr Schindler, die Darts-WM rückt mit großen Schritten näher. Wie geht es Ihnen ein paar Tage vor dem Turnierstart?
Schindler: Ich freue mich auf jeden Fall wieder richtig auf die WM. Man merkt wieder: Es geht los. Dezember, Weihnachten, Silvester, Neujahr, das ist wieder alles Darts-WM-Zeit. Es kommt wieder eine Menge Aufmerksamkeit durch die Medien. Es ist schon eine geile Zeit und ich freue mich riesig.
Darts-WM: Schindler verfolgt Gegner nicht im TV
SPORT1: Kribbelt es bei Ihnen schon oder ist die WM noch zu weit weg?
Schindler: Also ich bin jetzt noch nicht nervös. Ich bin sehr konzentriert und auch sehr diszipliniert. Momentan spiele ich sehr viel und versuche, mein Level nach oben zu treiben. Und ich hoffe, dass das dann im Spiel Früchte tragen wird.
SPORT1: Wie sieht denn Ihre Vorbereitung aus, auch mit Blick auf die Anreise nach England?
Schindler: Aktuell ist es so, dass ich drei bis vier Stunden täglich spiele und mich so auf den Wettkampf vorbereite. Ich trainiere wettkampfbezogen, also das Scoring, das Timing, um alles unter einen Hut zu bringen. Ansonsten: Ich spiele am 22. Dezember und werde zwei Tage vorher rüberfliegen. Dann habe ich noch den einen Tag Karenz für den Fall, dass wieder etwas mit den Koffern sein sollte und ich noch reagieren kann (lacht). Ich werde auch einmal in die Halle gehen und Gabriel Clemens bei seinem Spiel zuschauen, auch um wieder im Ally Pally anzukommen und sich ein bisschen zu akklimatisieren, sodass ich voll angreifen kann.
SPORT1: Die ersten Deutschen treten allerdings schon vorher an. Verfolgen Sie die Spiele im TV?
Schindler: Ich bin nicht so einer, der jedes Spiel der Darts-WM gucken wird. Ich werde mir auf jeden Fall die Ergebnisse ansehen, aber ob ich die Spiele selbst verfolgen werde, weiß ich nicht. Ich könnte jetzt aus dem Kopf auch gar nicht sagen, wann genau die Deutschen spielen. Ich weiß das Gabriel einen Tag vor mir spielt, weil ich geschaut habe, wer an meinem freien Tag spielt.
SPORT1: Warum möchten Sie die Spiele der Konkurrenten nicht aktiver verfolgen?
Schindler: Ich sage mal so. Mich interessiert es nicht wirklich, was die anderen machen. Ich bin Profi und für mich geht es mehr um die Konzentration auf mich und meine Sachen. Speziell, wenn ich im Alexandra Palace bin, interessiert mich nicht, wie das Spiel vor mir oder das Spiel nach mir ausgeht.
Schindler spürt den deutschen Darts-Boom
SPORT1: Erstmals nehmen fünf Deutsche an der Darts-WM teilnehmen. Was sagt das über den deutschen Dartsport aus?
Schindler: Es ist auf jeden Fall ein Rekord, dass erstmals fünf Deutsche bei der Darts-WM dabei sind. Ich glaube, man kann an allen Leuten, die am Turnier teilnehmen, erkennen, dass sich etwas entwickelt. Es passiert eine ganze Menge mit diesem Sport auch in Deutschland. Ricardo (Pietreczko, Anm. d. Red.) hat in diesem Jahr ein Turnier gewonnen. Gabriel Clemens, der letztes Jahr bei der WM im Halbfinale stand und vor kurzem ein weiteres Halbfinale bei einem wichtigen Major erreicht hat. Ich, der auch seinen Teil dazu beiträgt und Viertelfinals in anderen Majors erreicht hat. Ich denke daher, dass man bei dieser WM eine Menge von den Deutschen erwarten kann.
SPORT1: Wie viel merken Sie persönlich vom deutschen Darts-Boom?
Schindler: Man merkt generell immer einen Boom, wenn es auf die WM zugeht und dass viele richtig Bock auf Darts haben. Im Vergleich zum letzten Jahr, als Gabriel Clemens das Halbfinale erreicht hat, gab es auf jeden Fall einen Riesenschub. Selbst ich habe viel mehr Follower auf Instagram oder Facebook. Ich hoffe, dass diese Entwicklung so weitergeht und noch eine Menge Menschen von dem Sport begeistert werden, denn er ist einfach in vielerlei Hinsicht grandios.
SPORT1: Wenn wir mal den Blick auf das letzte Jahr zurückwerfen, dann war es für Sie auch etwas Besonderes. Sie haben ihren ersten Sieg bei der WM gefeiert. Wie war die Erfahrung für Sie?
Schindler: Die letzte Reise war teilweise sehr stressig, weil unser Koffer nicht nur einmal, sondern gleich zweimal nicht gekommen ist. Da ist die Birne natürlich schon am Rattern. Keine Darts da und alles, aber wir konnten es dank des eingeplanten Puffertags noch hinkriegen, dass wir die Darts vom Flughafen bekommen. Aber an sich war die WM spielerisch eine tolle. Es waren tolle Finishes dabei, unter anderem die 170. Eine Runde später hätte ich mit Michael Smith fast den späteren Weltmeister herausgehauen.
Schindler immer noch Stolz auf Spiel gegen Weltmeister Smith
SPORT1: Hat Sie es am Ende etwas getröstet, dass es der spätere Champion war, gegen den Sie ausgeschieden sind?
Schindler: Ich brauchte nicht getröstet zu werden. Ich glaube, ich habe eine sehr gute Partie gespielt, mich gut reingekämpft und zeitweise absetzen können. Er war hintenraus einfach besser, das muss man anerkennen. Für mich war es trotzdem definitiv eine positive Erfahrung.
SPORT1: Wen wünschen Sie sich jetzt als ersten Gegner bzw. erste Gegnerin: Fallon Sherrock oder Jermaine Wattimena?
Schindler: Das ist mir persönlich ziemlich egal, wenn ich ehrlich bin. Ich weiß, dass beide kein einfaches Los sein werden. Wattimena hat zuletzt gut gespielt bei den Players Championship Finals. Fallon Sherrock ist Publikumsliebling, da werden die Zuschauer gegen mich sein, was auch keine einfache Situation ist. Aber wenn ich hochgehe und mein Spiel mache, dann sollte ich beide schlagen können.
Schindler womöglich gegen Fallon Sherrock
SPORT1: Die Erfahrung mit einer gegen Sie gerichteten Kulisse haben Sie auch schon im Vorjahr gemacht.
Schindler: Genau. Gegen Martin Lukeman war es auch so, dass die Fans ein bisschen gegen mich waren. Allerdings ist das nicht damit zu vergleichen, was gegen Fallon Sherrock passieren würde.
SPORT1: Kann man sich darauf ein bisschen einstellen oder vorbereiten?
Schindler: Es ist ganz wichtig, wenn man vorher im Kopf weiß: Die Zuschauer werden jetzt gegen mich sein. Sie werden mich ausbuhen und auspfeifen. Was man machen könnte, wäre sich Oropax in die Ohren zu stopfen, dann hätte man einen gewissen Geräuschschutz - was für mich aber eher nicht infrage kommt. Die mentale Vorbereitung ist das A und O.
SPORT1: Statt Oropax - oder Kopfhörer wie Gerwyn Price gegen Clemens im vergangenen Jahr - also lieber auch ein bisschen die Stimmung aufsaugen?
Schindler: Ja, ich meine, es kann ja auch eine Motivation sein, die Zuschauer gegen sich zu haben. Man möchte es dann auch den Leuten zeigen, nach dem Motto: Hey, ich bin auch noch ein Spieler, ich kann auch Darts spielen. Egal ob ihr für meine Gegnerin seid. Ich will für mich gewinnen und möchte das ihr ruhig seid. (lacht)
Schindler träumt vom WM-Titel
SPORT1: Gibt es generell irgendwelche Wünsche und Ziele, mit denen Sie dieses Mal in den Ally Pally reisen?
Schindler: Auf jeden Fall das erste Spiel zu gewinnen. Das ist mit die schwierigste Hürde, weil der Gegner schon eine Partie hatte und auch bereits einmal gewonnen hat und definitiv ein bisschen vertrauter mit der Situation ist. Aber der große Traum ist natürlich, am Ende des Turniers mit dem großen Pokal in der Hand dazustehen und Weltmeister zu sein.
SPORT1: Stimmt es, dass Sie tatsächlich nach dem ersten Spiel direkt wieder nach Deutschland fliegen wollen?
Schindler: Ja, das stimmt. Dadurch, dass die Lücke dann etwas größer ist, liegt fast eine Woche Pause dazwischen. Und dann fällt natürlich auch Weihnachten dazwischen. Ich will die Tage auch dafür nutzen, um bei der Familie zu sein. Aber trainiert wird natürlich trotzdem.