Der Ally Pally gilt während der WM als das Epizentrum des Darts. Was jedoch die übrigen rund 350 Tage des Jahres auf der Darts-Tour passiert – und was Deutschland damit zu tun hat –, hoben einige der Darts-Stars im Gespräch mit SPORT1 besonders heraus.
„Die größte Darts-Nation der Welt“
Denn: Die deutschen Fans sorgen bei den European-Tour-Events wie im Glaspalast beim NEO.bet European Darts Grand Prix in Sindelfingen oder der Münchner Zenith-Halle für Ekstase, peitschen sowohl die Lokalmatadoren als auch internationale Stars nach vorn. Und in den Pausen? Da feiert man sich eben selbst.
„Wir spielen viel in Deutschland – und sie lieben Darts“, freute sich Nathan Aspinall, die Nummer vier der Welt, am Rande des German Darts Grand Prix über das Osterwochenende – zwar fernab der Familie, aber dafür in bester Atmosphäre: „Sie genießen es und die Stimmung ist jedes Mal fantastisch.“
Und auch Weltmeister Luke Humphries sagte nach seinem Turniergewinn in München bei SPORT1: „Die deutschen Fans sind die besten. Ich liebe es, in Deutschland zu spielen – und ich sage das nicht nur, weil ich auf Kamera bin.“
So mag es kaum verwundern, dass der Veranstalter des Münchner Turniers, die PDC Europe, am frühen Dienstag Rekordzahlen vermeldete: So viele Zuschauer wie über die Ostertage waren noch nie in München – rund 20.000 verteilt auf drei Tage.
„Jede Session hier ist ausverkauft. Es gibt einige Familien, die zu Hause sein könnten an Ostern, aber sie sind hier, um Darts zu schauen“, zeigte sich Youngster Gian van Veen sichtlich fasziniert.
Aspinall: „Sie werden mit jedem Jahr lauter ...“
Zusammenhängen mag das mit der immer weiter steigenden Leistung der heimischen Spieler. Martin Schindler musste sich erst im Halbfinale Michael van Gerwen geschlagen geben, Gabriel Clemens erreichte vor nunmehr anderthalb Jahren das WM-Halbfinale und Ricardo „Pikachu“ Pietreczko feierte im vergangenen Jahr gar einen Turniersieg auf der European Tour.
Aber einer der Gründe ist auch die Stimmung, für die die Fans verantwortlich zeichnen.
Knaller wie „Hey Baby“ oder diverse Techno-Remixe sorgen für kollektive Chöre, am Rande des Einlauf-Steges bilden sich unterdessen beinahe Fünfer- oder Sechserreihen – auch zum Gefallen der Stars wie Nathan Aspinall: „Sie lernen meinen Walk-On-Song Mr. Brightside immer besser kennen und sie werden mit jedem Jahr lauter.“
Beinah scheint es, als würden die Fans versuchen, die Dezibel-Marke des vorherigen Veranstaltungsortes zu überbieten – und das merken die Spieler. Rob Cross, der Weltmeister von 2018, ging im Gespräch mit SPORT1 gar noch einen Schritt weiter: „Für mich sind die deutschen Fans die größten auf der Tour. Deutschland ist der Ort für Darts auf der Welt.“
Darts-Stars lieben Deutschland
Der sich inzwischen einstellende Usus, dass selbst die Top-Ten der Order of Merit kaum mehr Turniere in Deutschland auslassen - anders als noch vor einigen Jahren -, ist somit kaum verwunderlich. „Ich liebe Deutschland, es ist ein tolles Land – und wenn ich ehrlich bin, der beste Ort, um Darts zu spielen“, sagte Cross.
Die Stimmung begrenzt sich dabei aber nicht einmal mehr auf Landesgrenzen. Van Veen, der das WM-Finale der Junioren 2023 gegen Luke Littler verlor, sei das bereits im Ally Pally aufgefallen: „Sie sind überall, wo wir sind. Bei der WM in London – alles ist voll mit deutschen Fans.“ Und auch Ryan Searle nimmt das wahr: „Es ist verrückt zu sehen, dass bei European-Tour-Events in Deutschland teils mehr Zuschauer da sind als bei manchen Major-Turnieren.“
Die Frage, die offen bleibt: Hat die Popularität von Darts in Deutschland bereits das Level von den Niederlanden oder dem Vereinigten Königreich erreicht - oder gar übertroffen? Vielleicht.
Deutsche Fans stören Darts-Profis
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass deutsche Fans mitunter negativ auffallen, so unter anderem bei Joe Cullen, der sich bei der German Darts Championship durch deren Pfiffe gestört fühlte.
„Warum sollten Leute zu Darts-Turnieren kommen und pfeifen, um jemanden absichtlich abzulenken? Ich liebe es, in Deutschland zu spielen, und dies ist ein einmaliger Vorfall, aber es war unangebracht. Vor allem, wenn das Spiel ausgeglichen ist. Bleibt das nächste Mal zu Hause“, schrieb der 34-Jährige im März 2022.
Weitere Vorfälle ereignete sich bei der vergangenen Darts-WM, als deutsche Fans den späteren Weltmeister Humphries mit Pfiffen bedachten. „Da waren ungefähr drei Leute, die bei jedem einzelnen Wurf gepfiffen und gebuht haben. Das ist einfach lächerlich“, sagte er nach dem Sieg gegen den deutschen Darts-Profi Ricardo Pietreczko.
Caller-Legende legt sich fest: Deutschland größte Darts-Nation
Nicht der erste und nicht der letzte Vorfall dieser Art - und trotzdem bleibt Deutschland ungeheuer beliebt. Das sieht auch die Caller-Legende Russ Bray so.
Der 66-Jährige mit der so unverkennbaren Stimme, die ihm auch den Spitznamen „The Voice“ – „die Stimme“ einbrachte, ist bereits seit über 30 Jahren auf der Tour unterwegs, hat bei allen Turnieren im PDC-Kalender mindestens einmal auf der Bühne gestanden und gecallt.
Auf die Frage nach der größten Darts-Nation legte sich Bray im Rahmen einer Abendveranstaltung am vergangenen Freitag, auf der Legende Raymond van Barneveld Episoden aus seiner Karriere zum Besten gab, fest: „Deutschland. Ohne Zweifel.“