Der Blick der TV-Kameras, er war am vergangenen Sonntagabend in der Marshall Arena in Milton Keynes gar nicht mehr auf Stephen Bunting gerichtet.
Darts-Kultstar krönt Neuerfindung
Obwohl der 38-jährige Engländer gerade im Finale des PDC Masters mit 11:7, acht 180ern und einem Average von 102,5 über Michael van Gerwen triumphiert hatte. Vielmehr interessierte die Kameralinsen die Freude des Sohnemanns Toby in der Players Area.
Der Junge, seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, jubelte mit über den Masters-Erfolg der Nummer 16 der Order of Merit. Auch van Gerwen, bekanntlich von Siegeshunger durchtrieben, drehte sich noch vor seinem Abgang von der Bühne nach der schmerzenden Finalniederlage um, um beiden Buntings zu gratulieren.
Es waren liebenswerte Szenen - und glaubt man Darts-Kollege Ricky Evans, haben sie das Wesen von Papa Bunting perfekt eingefangen. „Hätte keinem netteren Mann passieren können“, schrieb Evans über „The Bullet“ - seit langem ein markantes Gesicht der Darts-Welt mit Kult-Faktor, das nun mit seinem ersten Triumph bei einem Major-Turnier der PDC eine neue Blüte erreicht hat.
Stephen Bunting erfand sich zuletzt neu
Bunting - 2014 Weltmeister des früheren Konkurrenzverbands BDO - hat in der jüngeren Vergangenheit einige Dinge verändert, um auch seine Karriere bei der PDC zu befeuern.
Lange Zeit warf Bunting 12 Gramm schwere Darts, mit Abstand die leichtesten auf der Tour. Er musste diese entsprechend wie Geschosse auf die Scheibe feuern - daher auch sein Spitzname „The Bullet“. Seine Umstellung auf 18 Gramm im vergangenen Jahr war nur eines der beiden großen Erfolgsgeheimnisse, die den Aufschwung begründen.
Auch der offene Umgang mit seiner mentalen Situation half Bunting. Seit 2023 begann er mit einem Psychologen zusammenzuarbeiten und gar Hypnosetechniken zu ergründen. In einer solchen Trance schien Bunting in jüngster Vergangenheit auch zu spielen. Nicht zuletzt den höchsten Average der WM 2024 mit über 112 Punkten, sondern auch konstante Averages im dreistelligen Bereich beim Masters.
Erst besiegte Bunting seinen guten Freund Ross Smith noch knapp mit 6:5, dann den amtierenden Weltmeister Luke Humphries mit 10:7. Wer dachte, später im Turnierverlauf würden die Gegner herausfordernder, der irrte. Nicht nur verteilte der Engländer dem ehemaligen Weltmeister Peter Wright eine 10:2-Abreibung, auch erwischte es Nathan Aspinall im Halbfinale knüppeldick mit 1:11 gegen den Landsmann.
„Ich fühle mich, als würde ich die besten Darts meiner Karriere spielen“, bestätigte Bunting im Gespräch mit Online Darts nach dem Triumph seine phänomenale Form. Und auch SPORT1-Experte Robert Marijanovic pflichtete dem bei: „Es war nicht überfällig, aber absehbar, dass dieser Titel kommen wird.“
Bei Social Media beachtlich populär
Der unter Kollegen hoch anerkannte und für seinen Humor beliebte Bunting wurde auch nach dem großen Coup seinem Ruf gerecht. Nicht nur tauchte am Montagmittag ein Bild auf, wie Bunting mit dem goldenen Siegerpokal im Bett lag, auch schnallte er diesen später für den Heimweg auf dem Rücksitz seines Autos fest.
Bunting ist seit langem ein Social-Media-Phänomen, nicht nur wegen seiner oft thematisierten Ähnlichkeit zu Comic-Figur Peter Griffin aus „Family Guy“. Eine hohe Schlagzahl witziger und selbstironischer Posts haben Bunting - von Fans angefeuert mit dem Schlachtruf „Let‘s go, Bunting mental“ - eine beachtliche Followerschaft von über 130.000 Personen auf Instagram ermöglicht.
Bunting bezwang vier Premier-League-Asse
Da mag der ein oder andere gar der Entscheidung der PDC nachtrauern, Bunting nicht für die diesjährige Premier League nominiert zu haben - immerhin nahm er bei seinem Masters-Sieg gleich die Hälfte aller PL-Spieler raus.
„Die PDC fährt auch eine gewisse Highlight-Strategie“, glaubt SPORT1-Experte Marijanovic - und trotz seines Social-Media-Erfolgs sei Bunting offenbar „nicht der auserkorene Spieler, den alle sehen wollen“.
Mit 65.000 Pfund Siegerpreisgeld mehr auf dem Konto dürfte die Nicht-Beachtung aushaltbar sein. Die sportliche Errungenschaft ist für Bunting aber offensichtlich die größere Errungenschaft.
„Ich werde in der Früh aufwachen und denken, es sei alles ein Traum“, sagte Bunting noch am Sonntagabend. Der Traum allerdings ist Wirklichkeit - und mit Blick auf die weiteren Darts-Highlights des Jahres womöglich noch nicht zu Ende ...