Für Martin Schindler geht es aktuell steil bergauf.
Exklusiv: Schindler über den 9-Darter
Bei den UK Open im März erreichte der Darts-Profi aus Strausberg in Brandenburg erstmals das Viertelfinale eines Major-Turniers, in Riesa folgte das erste Halbfinale auf der European Tour - und nun am Wochenende in Wigan der erste 9-Darter bei einem PDC-Weltranglisten-Turnier.
Im SPORT1-Interview spricht der 26-Jährige nun über diesen Meilenstein, seine weiteren Ziele, den Unterschied zwischen deutschen und englischen Darts-Fans und warum ihm die Frage, wer die deutsche Nummer 1 im Darts ist, unangenehm ist.
SPORT1: Herr Schindler, zum ersten Mal in einem Ranglisten-Turnier der PDC ist Ihnen am Sonntag beim Player‘s Championship in Wigan ein 9-Darter gelungen. Wie viel Auftrieb gibt so eine Momentaufnahme?
Martin Schindler: Im ersten Moment natürlich schon viel Auftrieb. Aber ich muss auch sagen, dass dann auch schnell der Gedanke da war, daran anzuknüpfen, weiterzumachen und das eigene Ding weiter durchzuziehen, um mein Spiel gegen Boris Krcmar zu gewinnen - was dann zum Glück ja geklappt hat.
SPORT1: Der 9-Darter ist dennoch ein weniger alltägliches Ereignis ...
Schindler: Ganz neu war das Erlebnis für mich nicht, es hat ja schon einmal in der Q-School geklappt. Aber es war nun natürlich nochmal ein besonderer Moment, der gefühlt verdammt schnell vergangen ist. Ich bin sehr glücklich darüber, dass mir dieser 9-Darter gelungen ist und hoffe, dass noch der eine oder andere folgen wird. Trotzdem ist es mir am Ende aber natürlich wichtiger, die Spiele zu gewinnen.
SPORT1: In dieser Hinsicht liefen die vergangenen Wochen gut: An diesem Wochenende drangen Sie zweimal bis ins Viertelfinale vor, Anfang April in Riesa standen Sie auch in ihrem ersten Halbfinale auf der European Tour.
Martin Schindler: Die Entwicklung geht nach oben. Wichtig ist aber auch, dass ich mich nicht darauf ausruhen darf. Ich muss immer weiter hart dafür arbeiten, bis es noch weiter nach oben geht. Der Weg ist noch lang. Ich bin noch nicht ultimativ zufrieden. Ich will schon Turniere gewinnen und bei den Majors gut abschneiden. Und hoffentlich eines Tages einer der Besten der Welt sein.
Schindler: „95 im Durchschnitt muss das schlechteste Spiel sein“
SPORT1: Was ist ihr aktuelles Ziel? Unter die Besten 20 der Welt zu kommen, oder vielleicht auch die deutsche Nummer eins zu werden?
Schindler: Das Thema mit der deutschen Nummer eins, dass wir das gleich mal erledigt haben: Das will ich außen vorlassen. „Gaga“ (Gabriel Clemens; Anm. d. Red.) ist ein guter Freund von mir und für mich geht es nicht darum, vor ihm in der Rangliste zu stehen. Für mich geht es einfach darum, in der Rangliste generell gut dazustehen. Die Order of Merit zählt. Ob man da die Nummer eins der Welt oder die Nummer eins in Deutschland ist, macht einen großen Unterschied.
SPORT1: Und doch gibt es bestimmt ein konkretes Ziel.
Schindler: Sicherlich würde ein kleiner Teil von mir gerne irgendwann die Nummer eins der Welt sein. Aber das ist eben ein so extrem hochgestecktes Ziel, mit dem man sich keinen kleinen Druck macht. Aber der Wille ist da. Der Wille ist da, immer wieder alles zu geben und zu 100% da zu sein. Tatsächlich ist meine Herangehensweise: Morgen ist mein Ziel. Heute ist mein nächstes Spiel, das will ich gewinnen. Und dann gucke ich auf morgen.
SPORT1: Sie sprechen es an: Ein Turniersieg ist der Wunsch. Was fehlt konkret, bis sie sich diesen Wunsch erfüllen können?
Schindler: Wenn ich es genau wüsste, dann hätte ich wohl schon meinen Turniersieg (lacht). Ich muss weiter hart daran arbeiten und mein Training durchziehen. Mich immer wieder motivieren, jeden Tag aufs Neue alles zu geben. Ich denke, dass es dann an der Zeit sein wird. Wenn man es einmal geschafft hat, ein Turnier zu gewinnen, werden die anderen Turniersiege einfacher werden. Aber erstmal diesen Schritt zu schaffen, das ist das erste Ziel.
SPORT1: Sie waren im letzten Jahr schon einer der besten 180-Hitter auf der Tour. Wo sehen Sie dennoch Verbesserungspotenzial, woran arbeiteten Sie?
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Schindler: Es kann an einem Tag das Scoring nicht laufen, am anderen Tag die Doppel nicht. Im Endeffekt geht es darum, die Konstanz, die ich jetzt schon an den Tag lege, noch weiter nach oben zu schrauben: 95+ Averages - dass 95 im Durchschnitt das schlechteste Spiel sein muss. Es ist nicht natürlich einfacher gesagt, aber das muss das Ziel sein.
Van Barneveld und Anderson motivierten Schindler
SPORT1: Sie haben im letzten Jahr geheiratet, auch Tochter Hailey ist zur Welt gekommen. Inwiefern hat Ihnen das mental geholfen?
Schindler: Wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht, ob das drucktechnisch geholfen hat. Wenn ich am Board stehe, stehe ich immer noch für mich selbst dort. Ich stelle meinen Fuß immer noch selbst ans Oche. Da steht keiner neben mir, der meinen Arm hält. Es ist schön für den Hinterkopf, wenn man weiß, dass man eine Frau hat, auf die man sich verlassen kann. Es ist schön, wenn die eigene Tochter einen ansieht, anlächelt und so viel Blödsinn macht. Aber ich bin jemand, der versucht, das getrennt zu halten. Ich liebe meine Frau, ich liebe meine Tochter, aber beim Darts spielen geht es einfach ums Darts spielen.
SPORT1: Es hält Ihnen zwar niemand den Arm, dafür stehen bei Turnieren öfters tausende Menschen hinter Ihnen und feiern Sie - oder auch sich selbst. Wie empfinden Sie die Fankultur in Darts-Deutschland?
Schindler: Ich bin jemand, der sehr von Gary Anderson und Raymond van Barneveld motiviert wurde. Wenn ich mir nun vor Augen führe, dass Gabriel, Florian Hempel, Max Hopp oder ich verantwortlich dafür sind, dass junge Menschen Darts sehen, geil finden und deswegen zu diesem Sport kommen, dann ist das eine schöne Vorstellung. Und das motiviert mich extrem.
SPORT1: Können die deutschen Fans schon mit dem Publikum in England mithalten?
Schindler: Es ist schwer zu definieren. England hat eine ganz andere Fanbase. Es gibt keine zwei Meinungen, dass Darts ein englischer Sport ist. Aber es wird immer internationaler. Darts gewinnt auch in vielen anderen Ländern immer mehr an Stellenwert. Wenn man sich die European Tour anschaut oder den World Cup of Darts. Die Hallen sind rappelvoll! Die Leute haben Bock auf Darts, das wird immer größer werden. Ich sehe noch keine Kurve nach unten.
SPORT1: Spielen Sie lieber für sich selbst, oder wie beim World Cup of Darts mit Gabriel Clemens im Team zusammen?
Schindler: Der World Cup ist für uns mega-besonders, weil wir die Situation im Doppel gar nicht kennen. Das gibt es nur einmal im Jahr. Wenn wir Doppel spielen, weiß ich auch, dass ich für Gabriel alles geben will. Er hat es verdient. Aber genauso will er es auch für mich machen. Aber ich würde sagen, dass es einfacher ist, nur sich selbst Rechenschaft schuldig zu sein.
SPORT1: Sie dürfen beim World Cup Deutschland vertreten, wie klingt das?
Schindler: Hätte mir das jemand vor zehn Jahren gesagt, als ich mit Darts angefangen habe, also 2012, hätte ich das nie und nimmer glauben können. Ich habe niemals gedacht, dass es so weit geht. Wenn man darüber nachdenkt, ist das wirklich bombastisch. Dadurch wird der Druck nicht kleiner, das ist tückisch im Darts. Wir werden alles geben. Für uns und natürlich auch für Deutschland.