Es waren mal wieder umjubelte Festtage für das deutsche Darts - diesmal allerdings mit einem neuen Hauptdarsteller.
Deutschlands neue Darts-Sensation
Bei den European Darts Open vor einem euphorischen Publikum in Leverkusen scheiterten WM-Held Gabriel Clemens und auch Martin Schindler in ihrem jeweils ersten Spiel, umso mehr begeisterte einer, den vorher kaum einer auf der Rechnung hatte: Ricardo Pietreczko stürmte ins Viertelfinale.
„Pikachu“ schaltete dabei „Snakebite“ Peter Wright und Stephen Bunting aus. Zwei ehemalige Weltmeister. Außerdem machte er auch mit einer starken Fairplay-Ansage auf sich aufmerksam.
Wer ist diese neue deutsche Sensation?
Ricardo Pietreczko: Warum man ihn „Pikachu“ nennt
Der schmächtige 28-Jährige, der sich erst im Januar 2022 zum ersten Mal eine Tourkarte gesichert hatte, ist dem breiten Publikum noch nicht groß vertraut - und erste Probleme kommen bei vielen bei der Aussprache seines Namens auf.
Von ‚Pitreschko‘ bis ‚Pi-etreschko‘ dürfte alles dabei gewesen sein. Zum Glück brachte der Berliner bereits Mitte Februar im SPORT1 Darts-Magazin Madhouse (jeden Donnerstag ab 18.00 Uhr auf Youtube) Licht ins Dunkel. Angesprochen auf seinen Namen erklärte er die richtige Aussprache: „Man spricht es ‚Pietrezko‘, mit Z.“
Probleme mit seinem Namen begleiten ihn schon seine ganze Darts-Karriere über und stecken auch hinter seinem Beinamen. „Entstanden ist der Name durch einen Versprecher. Als bei einem Turnier mal ein Spieler nach mir rief, verstand jemand meinen Nachnamen als Pikachu. Ich hatte mit Pokémon nie etwas am Hut, aber es hat sich durchgesetzt“, erklärte er im vergangenen Jahr der Tageszeitung Fränkischer Tag - der gebürtige Berliner wohnt in Nürnberg.
Nun läuft der gelernte Maler mit Pokemon-Musik ein - und will seinen Namen noch um einiges bekannter machen.
Auch die Eltern spielen Darts
„Ich möchte es als Vollzeitprofi versuchen, solange es geht“, hat er als Ziel formuliert. Auf die Unterstützung seiner Familie kann er sich dabei verlassen. Mit seinen Eltern, seinem kleinem Bruder und der Großmutter wohnt er seit 2011 in einem Haus in Nürnberg. Zudem sind seine Eltern ebenfalls im Darts aktiv. „Meine Eltern spielen E-Darts in einem Nürnberger Verein, sie unterstützen meinen Traum von der Tour.“
Abseits des Darts hat Pietreczko ein erklärtes Faible für Fußballer wie Mario Basler, „die ihr Ding durchgezogen haben. So bin ich auch manchmal, wenn es mal chaotisch wird“.
Fairplay-Ansage nach Buhrufen gegen die Gegner
In Leverkusen hat Pietreczko sich nicht nur sportlich, sondern auch als Typ hervorgetan. Nach dem Achtelfinal-Erfolg gegen Ex-BDO-Champion Bunting bedankte er sich beim Publikum für die Unterstützung, redete ihnen aber auch wegen der Pfiffe gegen seinen Kontrahenten ins Gewissen: „Ich habe eine Gänsehaut. Aber bitte tut mir einen Gefallen. Alle Spieler, die hier oben stehen, sind sehr, sehr gute Dartspieler. Und bitte buht keinen aus. Das finde ich einfach nicht in Ordnung.“
In Madhouse sprach Pietreczko jüngst auch offen darüber, dass er sich im Verhältnis zu den anderen deutschen Spielern eher als Außenseiter sieht. „Wenn ich ausgeschieden bin, gehe ich ziemlich schnell“, erklärte er, warum er nur selten am deutschen Tisch zu finden ist.
Zwar versuche er sich später noch mit den Landsleuten zu verabreden, „aber direkt nach der Niederlage will ich meine Ruhe“. Diese Eigenschaft begleitet ihn bereits seit den Anfängen seiner Karriere - „außer es war ein schönes Spiel, dann ist es mir egal“.
Diese Einschränkung könnte in Zukunft vielleicht aber mehr zur Regel als zur Ausnahme werden. Zwar hatte „Pikachu“ einen schweren Start in sein erstes Tourjahr, „weil ich den Spaß etwas verloren hatte. Da musste ich viele Niederlagen wegstecken“. In der zweiten Jahreshälfte hat er jedoch seinen Spaß wiedergefunden „und ich glaube, das sieht man auch, wenn man mir beim Spielen zuschaut“.
Pietreczko ist ein anderes Ziel wichtiger als die WM
Dieser Spaß soll ihm nun bei der Umsetzung seines großen Ziels für dieses Jahr helfen. „Meine Hauptpriorität ist es momentan, unter die besten 64 (in der Order of Merit, Anm. d. Red.) zu kommen, damit ich die Tourkarte weiter halten kann.“ Dafür würde er sogar auf seine erste Teilnahme bei der Darts-WM im Londoner Ally Pally verzichten. Zwar wäre diese ein schöner Erfolg, „sollte ich jedoch das Ziel Top-64 ohne die WM-Teilnahme schaffen, wäre die WM erstmal zweitrangig für mich“.
Zweitrangig sind für den deutschen Shootingstar auch Instagram, Twitter und Co.: Er sei „überhaupt kein Social-Media-Typ. Da muss schon viel zusammenkommen, dass ich da mal was poste“, gestand er. Da die Vermarktung über die sozialen Kanäle heutzutage jedoch dazugehört, hat er eine Agentur damit beauftragt, diese Aufgabe zu übernehmen. Und sollte der sportliche Aufstieg „Pikachus“ weitergehen, wird die Agentur viel zu tun bekommen.