Die UK Open 2022 waren für Peter Wright eine sportliche Enttäuschung - und doch führten sie ihn zur Erfüllung seines wohl letzten großen Traums, welcher der Dartsport noch für ihn bereitgehalten hat.
Wrights steiniger Weg zur Nummer 1
Der Schotte ist im Olymp der Sportart angekommen, er ist nun die Nummer eins der Order of Merit, der Weltrangliste des wichtigsten Dart-Verbandes der Welt.
Gerwyn Price ab, der bei den UK Open einen Finaleinzug gebraucht hätte, um den Platz an der Darts-Sonne zu behalten, muss nach seinem Viertelfinal-Aus dagegen weichen. (PDC Order of Merit: Aktuelle Weltrangliste im Darts)
Wright endlich die Nummer 1 im Darts
Wright selbst scheiterte zwar bereits im Achtelfinale - trotzdem zog er am „Iceman“ vorbei, um sich mit seinem stillen Triumph in eine illustre Liste einzureihen.
Alan Warriner-Little war 1993 zur ersten Nummer eins der Order of Merit der PDC geworden. Ihm folgten Dennis Priestley, Rod Harrington, Phil Taylor, Peter Manley, John Part, Colin Lloyd, Raymond van Barneveld, Michael van Gerwen und dann Price nach.
Darts-Legende Taylor war dabei mit 3351 Tagen mit Abstand am längsten an der Spitze vertreten.
Wright, als elfte Nummer 1 der Geschichte, ist im Gegensatz zu den meisten anderen ein Spätberufener. Mit seinen 51 Jahren hat er schon eine Menge im Dartszirkus erlebt, aus dem er eigentlich schon ausbrechen wollte, bevor er für ihn richtig begonnen hatte.
Aber der Reihe nach.
Titel bei der Darts-WM als Wendepunkt
Die 3.500 Zuschauer im Alexandra Palace in London stöhnten zwei Mal laut auf, als Peter Wright gegen Michael van Gerwen drei Matchdarts im WM-Finale auf die Doppel-10 hatte. (NEWS: Alles Wichtige zum Darts)
Die ersten beiden Pfeile landeten denkbar knapp an der Außenseite des wohl wichtigsten Doppelfeldes seiner Karriere. Der ein oder andere Fan in der Halle oder am TV-Gerät wird sicherlich im Hinterkopf gehabt haben, dass ein Verpassen dieser Matchdarts die Partie kippen lassen könnte. Zuvor hatte Wright gegen MvG alle zehn im TV übertragenen Finalduelle verloren - darunter neun Majors.
Doch mit dem dritten Dart räumte Wright alle Zweifel aus und machte sich selbst erstmals zum Weltmeister. Seine Emotionen übermannten ihn und Wright vergoss Freudentränen auf der Bühne des Ally Pally.
Sichtlich bewegt stand er danach in einem TV-Interview Rede und Antwort. Doch als die Frage kam, welchen Anteil Wrights Frau Joanne am Titel hat, winkte der Schotte ab und konnte seine Tränen ein weiteres Mal nicht mehr zurückhalten.
„Jo hat mich vom ersten Tag an unterstützt. Meine Familie hat alles mitgemacht. Das ist alles für sie heute“, sagte Wright später am SPORT1-Mikrofon.
Wright-Comeback dank seiner Frau
Joanne war es, die ihn 2010 ermunterte, es noch einmal als Profi zu versuchen. Zuvor war Wright lediglich bei der BDO-WM 1995 - damals noch dunkelhaarig und dunkel gekleidet – als Dartsspieler in Erscheinung getreten.
Er verlor aber in Runde eins gegen den späteren Champion Richie Burnett. Aus Wrights Sicht zu wenig, um mit Darts den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Stattdessen verdingte er sich als Reifenmonteur, Lagerarbeiter und Speditionsfahrer. Zwischenzeitlich war er sogar arbeitslos. Eine scheinbar ausweglose Situation, die er bereits aus seiner Kindheit kannte.
Wrights Vater verstarb früh, sodass die alleinerziehende Mutter beschloss, von Schottland aus nach London zu ziehen. Dort hielt sie mit gering bezahlten Servicejobs die Familie über Wasser.
Im Alter von 13 Jahren bekam Wright seine ersten Pfeile geschenkt, doch weil das Geld nicht für ein Board reichte, zielte er im Freien auf Bäume. Bereits damals schien sein Talent offensichtlich, doch Wright mochte nicht an eine Profikarriere glauben.
Snakebite verändert seinen Look
Stattdessen schlug er sich mit Geringverdiener-Jobs durch und lernte dabei Demut. In Londoner Darts-Ligen hielt er seine Leidenschaft fürs Pfeilewerfen nebenbei aufrecht. Noch im Jahr 2008 sammelte er lediglich 1.200 Pfund über das gesamte Jahr ein.
Mit der Unterstützung von Joanne wagte er sich 2010 dennoch auf die WM-Bühne der PDC, die nach und nach der BDO den Rang ablief.
Doch statt eines dunkelhaarigen und schlicht gekleideten Mannes trat ein bunter Paradiesvogel mit dem Darts-Namen „Snakebite“ - Wrights Lieblingsdrink - ans Oche.
Der neue, teilweise schrille Look wurde zu seinem Markenzeichen und ließ ihn binnen kürzester Zeit zum Fanliebling werden.
Doch der sportliche Erfolg bei großen Turnieren ließ noch auf sich warten, daher wurde Wright wieder von Selbstzweifeln geplagt und kündigte vor der WM 2014 an, dass er nach dem Turnier wieder einen „richtigen“ Job machen werde.
Wright liefert ohne Druck ab
Ohne Druck trumpfte Snakebite jedoch plötzlich auf und stürmte ins Finale. Dort wartete mit van Gerwen aber ein übermächtiger Gegner, der den Überraschungsfinalisten deutlich in die Schranken wies.
Beflügelt durch den Finaleinzug glaubte Wright wieder an seine Chance als Darts-Profi. Plötzlich konnte er Titel einfahren und auch finanziell verbesserte sich seine Situation schlagartig.
Mit Ende vierzig wurde er zum Millionär und gönnte sich als einzigen bekannten Luxus ein paar Hühner im Hinterhof.
Wright mischte nun in der Spitze des Darts-Sports mit, doch bei den wichtigen Major-Turnieren ging er zumeist nicht als Sieger hervor. Schnell haftete ihm das Etikett des „ewigen Zweiten“ an und Spötter bezeichneten ihn aufgrund seines optischen Auftretens als „Dartsclown“.
2017 holte er bei den UK Open schließlich seinen ersten Major-Titel. Zwei Jahre später ließ er beim World Cup of Darts im Duett mit Gary Anderson eine zweite wichtige Trophäe folgen.
Häufiger Pfeilwechsel und Gallenstein-OP
Immer wieder bremste sich Wright aber selbst aus, indem er schon bei kleinsten Krisen noch während der Partie plötzlich die Darts wechselte.
So waren Spiele mit mindestens drei unterschiedlichen Darts-Sets bisweilen keine Seltenheit für den Schotten. Zwischenzeitlich sorgte auch eine Gallenstein-OP für eine Formdelle.
Folgerichtig galt Wright für die WM 2020 nicht als Favorit, doch sie wurde schlussendlich die vorläufige Krönung. Bis es soweit war, musste Wright aber einige Widerstände durchbrechen. Bereits in seinem Auftaktmatch gegen Noel Malicdem setzte er sich erst im Sudden-Death-Leg durch.
Im Achtelfinale gegen den Niederländer Jeffrey de Zwaan sah Wright bereits wie der sichere Sieger aus, bevor de Zwaan eine Aufholjagd startete. Letztlich reichte es aber zum Weiterkommen.
Wright behält im Hass-Duell mit Price kühlen Kopf
Auch im Halbfinale, beim Hass-Duell gegen Gerwyn Price, behielt Wright die Nerven. Schließlich setzte er sich im Finale überraschend deutlich gegen seinen Angstgegner Michael van Gerwen durch und bot dabei neben spektakulären Finishes auch eine starke mentale Leistung.
Unbeeindruckt von van Gerwens teilweise furiosen Averages jenseits der 120 Punkte in einzelnen Sätzen behielt Wright einen kühlen Kopf und zeigte sich vor allem auf die Doppelfelder als eiskalter Vollstrecker.
„Wenn du immer hart arbeitest, belohnt dich der Weihnachtsmann irgendwann. Heute ist es soweit“, erklärte er anschließend am SPORT1-Mikrofon seinen WM-Triumph, der ihn damals auch Rang zwei in der PDC Order of Merit bescherte.
Der „ewige Zweite“ war ein Mitglied im Weltmeister-Klub - und legte nach. Ein starkes Jahr mit Major-Siegen krönte er bei der WM 2022 mit dem Triumph im WM-Endspiel gegen Michael Smith - danach war die Nummer 1 in Reichweite.
Im Moment des Triumphes dachte Wright aber lieber zuerst an seinen Gegner, der sein zweites WM-Finale verloren hatte und bis heute noch keinen Major-Titel gewinnen konnte: „Er wird bald dran sein.“
Wright bleibt weiter auf dem Boden
Wright als Mann der großen Worte auf der Bühne - und als fairer Sportsmann. Auch diese Rolle füllt er nun seit Jahren aus.
Auf den Darts-Bühnen dieser Welt ist er ein bunter Vogel, der den großen Auftritt liebt. Daneben schlägt er aber nicht die lauten Töne an - und ist froh, wenn er mal nicht im Mittelpunkt steht.
Dazu passt, dass sich Wright zu seiner neuen Weltranglisten-Position auch einen Tag danach noch nicht auf seinen Social-Media-Kanälen zu Wort gemeldet hat.
Snakebite als stiller Genießer - das passt auf dem ersten Blick so gar nicht zu seinem schrillen Image. Bei einem genaueren Blick aber eben doch perfekt.