Er sorgte wohl für das Bild dieser Basketball-Weltmeisterschaft: Nach dem Gewinn der Gold-Medaille sackte Bundestrainer Gordon Herbert auf dem Boden zusammen und musste diese Emotionen erstmal verarbeiten.
„Der eigentliche Star dieser Mannschaft“
Der gebürtige Kanadier hatte etwas geschafft, was noch keinem Trainer der DBB-Auswahl vorher gelungen war. Selbst Legenden wie Dirk Bauermann und Stanislav Pesic, der ihm im Finale gegenüberstand, haben mit einer deutschen Nationalmannschaft nie den Sprung ins WM-Endspiel geschafft.
Dieser Triumph ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die deutsche Mannschaft bei der vergangenen WM kläglich in der Vorrunde an Frankreich und der Dominikanischen Republik gescheitert waren.
Mit seiner Art und Weise hat Herbert aber für einen neuen Spirit gesorgt, der bereits mit EM-Bronze im Vorjahr einen ungeahnten Höhepunkt hatte.
Herbert war Nationalspieler für Kanada
Im Oktober 2021 übernahm er das Amt von Henrik Rödl, dessen Vertrag nach den Olympischen Spielen in Tokio ausgelaufen war. Nach vier Jahren wollte der Verband einen Neustart auf der Position.
Die Wahl fiel auf den routinierten Kanadier, der selbst jahrelang in Europa auf höchstem Niveau spielte. Er war sogar derart gut, dass er sein Land 1984 an den Olympischen Spielen und 1986 an der WM vertrat. Zu einer Medaille reichte es allerdings nicht.
Auch als Trainer hatte er bereits einige Erfolge feiern können. So wurde er mit den FRAPORT Skyliners 2004 deutscher Meister und bei seinem dritten Intermezzo in Frankfurt holte er 2016 den FIBA Europe Cup - es ist der bisher einzige deutsche Erfolg in diesem Wettbewerb.
Zudem führte er seine Heimatland 2019 zur Weltmeisterschaft, schied allerdings wie die DBB-Auswahl in der Vorrunde aus.
Herbert sorgt für Wandlung bei Schröder
Trotz der eher geringen Lorbeeren, die er bis dato eingefahren hatte, entpuppte sich der 64-Jährige als absoluter Glücksgriff. Für Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic ist er gar „der eigentliche Star dieser Mannschaft“.
Dabei schaffte Herbert das, woran sein Vorgänger gescheitert war: Er entfaltete das komplette Potential von Dennis Schröder, dem besten deutschen Spieler der vergangenen Jahre.
„Im September 2021 unterhielten wir uns drei oder vier Stunden lang mit Dennis. Ich spürte sein Herz, sein Engagement, seine Fürsorge, und damit fing alles an“, erklärte der Bundestrainer in der Pressekonferenz nach dem Finale.
Als „wichtigste“ Entscheidung seiner knapp zweijährigen Amtszeit bezeichnet er die Ernennung von Schröder zum Anführer des Teams: „Er ist sehr stolz darauf, Kapitän der deutschen Nationalmannschaft zu sein.“
Herbert fordert Commitment von seinem Team
Diese neue Rolle beflügelte den gebürtigen Braunschweiger quasi. Der Spielmacher, der einst mit dem deutschen Publikum fremdelte und viel Kritik im Nationalmannschaftsdress einstecken musste, entwickelte sich zum Leader einer mittlerweile verschworenen Einheit.
Zwar eckte er mit seiner Kritik an Maxi Kleber mal wieder an, aber er steht damit für die Werte ein, die sich auch Herbert wünscht: totales Commitment für die Mannschaft, in jedem Sommer.
„Wir hatten Dennis, Isaac Bonga und Johannes Voigtmann, die im Juni-Fenster (2022, Anm. d. Red.) spielten. Jungs, die keinen Vertrag hatten, kamen und haben sich verpflichtet und damit ein Beispiel für alle anderen gesetzt“, glaubt Herbert.
Spieler feiern Herbert
Der Grund ist nicht zuletzt der Bundestrainer. Mit seiner herzlichen, aber auch zugleich strengen Art kommt er bei dem Team an. Er predigt die Worte wie „Einsatz“ und „Identität“ gebetsmühlenartig.
„Er schafft die perfekte Rollenverteilung. Jeder weiß ganz genau, was er zu tun hat. Er treibt uns an, hält uns auf dem Boden, aber gibt dir trotzdem immer Selbstvertrauen. Er ist völlig verdient jetzt Weltmeister-Coach“, lobt Schröder seinen Coach.
Dabei ließ er sich auch nicht von dem zwischenzeitlich Zoff mit Schröder aus der Ruhe bringen. Er setzte ihn nach einem Wortgefecht gegen Slowenien länger als ursprünglich geplant auf die Bank. Was zuerst nach einer Strafmaßnahme aussah, hatte Kalkül, denn im Anschluss liefert der Point Guard und führte die Mannschaft zum Sieg.
„Wir haben wieder zusammengefunden, alles ist gut“, beschwichtigte Herbert im Anschluss und auch Schröder ließ schnell Gras über das Thema lassen.
Team schwärmt von „Gordie“ Herbert
Schließlich weiß der MVP der WM um die menschliche Stärke seines Chefs. Damit ist aber nicht alleine, denn durch die Reihe schwärmen die Spieler von „Gordie“, wie er liebevoll genannt wird. „Ich liebe Gordie“, schildert beispielweise David Krämer, obwohl er nur selten zum Einsatz kam.
Der Bundestrainer gibt jedem Spieler das Gefühl, dass er gebraucht wird. Und klagt auch nicht, wenn Spieler wegen Verletzungen oder anderen Verpflichtungen wie Euroleague oder NBA nicht zur Verfügung stehen. „Es ist, wie es ist“, meint er dann.
So hielt er sich nicht nur aus dem Streit zwischen Kleber und Schröder raus, sondern klagte auch nicht über den Ausfall von Nick Weiler-Babb vor dem Turnier noch über die Verletzung von Franz Wagner während des Turniers.
Herbert mit akribischer Arbeit
Er konzentrierte sich vielmehr darauf, ein Team zu formen und das Spiel zu verbessern. „Im letzten Sommer war unser Spiel etwas vorhersehbar“, meinte er am Medientag vor dem ersten Testspiel. Der Fokus war klar: Die Defense sollte in diesem Jahr besser werden.
Mit zehn Spielern aus dem letztjährigen EM-Team und den starken Isaac Bonga und Moritz Wagner ging er die Aufgabe an. In der Vorbereitung gab es bereits erste Anzeichen, als das Team Kanada bezwang. Doch bei der WM legten Schröder, Daniel Theis und Co. nochmal eine Schippe drauf.
Dabei konnten sie sich auf die Analysen von Herbert verlassen. Er saß teils bis tief in der Nacht an der Vorbereitung auf den nächsten Gegner. „Es gibt keine Zeit zu feiern und keine Zeit, sich irgendwie gut zu fühlen“, sagte er nach dem Coup gegen die USA im Halbfinale.
Herbert: Triumphiert er auch bei Olympia?
Diese Akribie machte sich bezahlbar, denn sowohl im Halbfinale als auch im Endspiel überzeugte die Mannschaft immer wieder durch starke Defensivaktion wie der Block von Isaac Bonga gegen US-Star Anthony Edwards kurz vor Ende.
Er sorgte somit für Sicherheit bei seinem Team. „Wir waren so gut vorbereitet, dass wir zu keiner Sekunde das Gefühl hatten, das Feld nicht als Sieger zu verlassen“, erläutert Johannes Voigtmann.
Der Verband handelte daher bereits und verlängerte seinen Kontrakt bereits vor dem Turnier bis 2025. Schließlich ist der Weg noch nicht beendet, denn im nächsten Jahr stehen die Olympischen Spiele an.
Dort soll der Coach, der in Interviews nicht für große Wörter bekannt ist, dann im besten Fall erneut eine Medaille holen. Es wäre dann vielleicht der größte Triumph seines Lebens, denn der WM-Titel ist nur auf Position zwei. „Nach der Geburt meiner Kinder, die meine Familie sind, ist das hier die Nummer 2 in meinem Leben“, meint der sympathische Kanadier.
Für ihn ist der Weg nämlich noch nicht beendet. „Dies ist das zweite Jahr unseres Drei-Jahres-Plans“, schickt er schon jetzt eine Kampfansange an die Konkurrenz.