Für Marko Pesic wird das Finale der Basketball-WM am Sonntag zwischen Deutschland und Serbien (14.40 Uhr im LIVETICKER) ein ganz besonderes.
Bayern-Boss reagiert auf Obst-Wahnsinn
Denn Svetislav Pesic, Vater des Geschäftsführers des FC Bayern Basketball, steht bei den Serben an der Seitenlinie. Die Trainer-Legende fügte seiner hochdekorierten Karriere, zu der der EM-Titel 1993 mit Deutschland gehört, einen weiteren Meilenstein hinzu.
Im SPORT1-Interview verrät Marko Pesic, wem er im Endspiel die Daumen drückt, wie er die grandiose Leistung von Bayern-Star Andreas Obst erlebt hat und wie der deutsche Coup gegen die USA einzuordnen ist.
„Ein historischer Tag für den deutschen Sport“
SPORT1: Herr Pesic, wie haben Sie den Sieg der deutschen Basketballer erlebt, wie ist der Coup gegen die USA einzuordnen?
Marko Pesic: Das war ein historischer Tag für den deutschen Sport. Für den deutschen Basketball sowieso, aber auch für den europäischen Basketball, weil zum ersten Mal seit langer Zeit wieder zwei europäische Mannschaften im WM-Endspiel stehen – und diese quasi zwei NBA-Mannschaften rausgeworfen haben. Das war emotional ein großer Tag.
Was mich bei Deutschland am meisten beeindruckt hat: Sie haben die Amerikaner mit den eigenen Waffen geschlagen. Mir war klar, dass wir eine Chance haben – aber dass wir sie mit schnellem, aggressivem Spiel, viel Risiko und einem unfassbaren offensiven Spektakel geschlagen haben, hat mich schon etwas überrascht.
SPORT1: Ein deutscher Sieg gegen USA war vor nicht allzu langer Zeit noch unvorstellbar. Was ist passiert – ist es einfach ein Sinnbild der Entwicklung des Basketballs?
Pesic: Das hängt auch ein bisschen von den US-Amerikanern ab, in welcher Verfassung, Zusammenstellung und Vorbereitung sie auftauchen. Wären sie mit einer anderen Mannschaft gekommen, wäre es wohl ein bisschen schwieriger geworden. Aber das, was passiert ist, ist nicht gestern vom Himmel gefallen, sondern eine Entwicklung.
Wir haben eine deutsche Generation, die 2019 schlechte Erfahrungen gemacht und 2021 bei Olympia überrascht hat - und bei der EM vergangenes Jahr die Leistung bestätigt hat. Und jetzt zeigt die Mannschaft, dass sie nicht nur zu den Top 3 in Europa gehört, sondern zu den Top 2 der Welt.
Bleibt Obst in München?
SPORT1: Eine entscheidende Rolle spielte Bayern-Spieler Andreas Obst.
Pesic: Ich freue mich für ihn und Isaac Bonga, der auch ein großes Spiel gemacht hat. Andi spielt immer gleich, egal, gegen wen es geht. Er hat eine unfassbare mentale Stärke, die ich in Deutschland so selten gesehen habe. Er hat ein Selbstvertrauen in sein Können, in seinen Wurf. Und er hat sein Spiel weiterentwickelt. Ich freue mich wirklich für ihn, dass er das in so einem wichtigen Spiel bestätigt hat. Er hat einen enorm starken Charakter.
SPORT1: Obsts Leistung und sein Name gingen anschließend um die Welt, in den USA rieben sich einige verwundert die Augen. Gab es nach dem Spiel schon Anfragen – oder bleibt er sicher in München?
Pesic: Ich glaube, dass Andi nirgendwo anders hingehen will. Vertraglich ist es ohnehin geregelt, aber Andi identifiziert sich mit dem, was wir machen – und wir mit ihm. Er ist eine Identifikationsfigur, die Leute erkennen ihn auf der Straße. Es gab keine Anfrage und es wird auch keine kommen. Er bleibt bei uns.
Svetislav Pesic: „Er ist ein Kämpfer“
SPORT1: Jetzt steht ein Finale an, das vor allem aus Ihrer Sicht besonders ist. Es geht gegen Serbien, wo Svetislav Pesic, Ihr Vater, Trainer ist. Wem drücken Sie die Daumen?
Pesic: Ich drücke beiden die Daumen. Natürlich steht die Familie über allem. Wir sind alle sehr stolz auf meinen Vater. Er hat es in Serbien nicht ganz einfach gehabt. Dass er in diesem Alter diese Kraft, dieses Kämpferherz und diese Energie hat, solche Leistungen abzurufen, mit dieser Mannschaft, ist beeindruckend. Ich würde ein riesengroßes Problem zu Hause bekommen, wenn ich nicht für meinen Vater wäre. Das hat aber nichts mit Deutschland oder Serbien zu tun.
SPORT1: Wie hat Ihr Vater diesen Erfolg denn geschafft? Nach seinem Amtsantritt lief es ja nicht immer rund, vor der WM haben einige prominente Namen wie NBA-Champion Nikola Jokic abgesagt.
Pesic: Mein Vater ist jemand, der immer nach vorne guckt. Ich habe ihn öfters mal gefragt: „Warum tust du dir alles an?“ Aber wenn er sich etwas als Ziel gesetzt hat, dann gibt er nie auf. Er ist so ein Kämpfer. Vor allem, wenn es schlecht läuft, ist er mental enorm stark. Er glaubt an das, was er tut.
Er hat eine Mannschaft, die sich voll mit seinen Forderungen identifiziert hat. Beide Seiten vertrauen sich, das passt einfach. Er hat so eine enorme Erfahrung, das hat man in diesem Turnier wieder gesehen. Das kann man nicht lernen oder kaufen. Deshalb schafft er das auch.
Darum hat Deutschland einen kleinen Vorteil
SPORT1: Worauf wird es aus deutscher Sicht im Finale ankommen, was ist Ihre Prognose?
Pesic: Deutschland muss versuchen, die Emotionen zu kontrollieren. Traditionell gesehen: Die Mannschaften, die die USA geschlagen haben, haben im Spiel danach große Probleme gehabt und meistens verloren. Es ist nicht einfach nach so einem emotionalen Spiel.
2005 haben wir Spanien in einem Wahnsinnsspiel im Halbfinale geschlagen. Und dann musst du noch ein Endspiel spielen. Aber wenn Deutschland die mentale Reife an den Tag legen kann, hat das DBB-Team aufgrund der Breite des Kaders und aufgrund dessen, dass sie so lange zusammenspielen, einen kleinen Vorteil. Aber es wird ein offenes Spiel, da bin ich mir sicher.