Serbien ackerte hart, knabberte den Rückstand Punkt für Punkt ab und brachte Deutschland beim sensationellen Gewinn des Weltmeister-Titels (83:77) in der Crunchtime noch einmal in Bedrängnis. Doch inmitten dieser brenzligen Phase behielt vor allem einer den Kopf oben - und avancierte zum heimlichen Matchwinner: Johannes Voigtmann.
Der heimliche Finalheld
Der 30-Jährige absolvierte seine vermutlich beste Partie des Turniers. Ein Mann großer Gestik und Mimik ist Voigtmann nicht, gab dem DBB-Team mit seiner omnipräsenten Ruhe aber gerade deswegen den notwendigen Halt und hatte am Ende riesigen Anteil am Triumph von Manila.
Eine Aktion stand dabei sinnbildlich für Voigtmanns Gala-Auftritt: Als sich die Deutschen im Angriff vier Minuten vor der Schlusssirene unheimlich schwer taten und Serbien zwischenzeitlich auf fünf Punkte verkürzen konnten, fasste sich der Vize-Kapitän ein Herz und stellte den alten Abstand per Dreier aus der Ecke sofort wieder her.
Hinten sammelte der Forward dazu mehrfach wichtige Bälle ein, stoppte Nikola Milutinov immer wieder unter dem Korb. Am Ende verbuchte Voigtmann neben zwölf erzielten Punkten auch insgesamt acht Rebounds. Bei MagentaSport sagte er später sichtlich bewegt: „Das ist surreal. Deutschland steht jetzt für immer auf dem Pokal drauf.“
Der Titelgewinn sei „nicht in Worte zu fassen“, fügte Voigtmann hinzu, der eine turbulente Zeit hinter sich hat. Denn ab Februar 2022 hatte der DBB-Held für rund ein halbes Jahr kein Basketball mehr gespielt - wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.
Deswegen stand Voigtmann lange nicht auf dem Parkett
Voigtmann spielte beim russischen Topklub ZSKA Moskau, als Wladimir Putin am 24. Februar den Befehl für den Einmarsch in die Ukraine gab. An jenem Tag hielt er sich im Kreis seiner Mannschaft in München auf, weil dort ein Euroleague-Spiel gegen den FC Bayern auf dem Programm stand.
Weil an Basketball aber nicht mehr zu denken war, wurde das Match kurzfristig abgesagt. Einen Verbleib in Russland lehnte der gebürtige Eisenacher ab. Stattdessen schnappte er sich nach der Rückkehr seinen Schäferhund, räumte die Wohnung in Moskau leer und fuhr im Auto die rund 2500 Kilometer lange Strecke nach Deutschland zurück.
„Der russische Staatspräsident hat einen brutalen Angriffskrieg zu verantworten, wegen dem unschuldige Menschen in der Ukraine sterben, Millionen von Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssen, gerade auch Kinder ihr Zuhause oder gar ihr Leben verlieren. Da konnte ich einfach nicht in Russland bleiben und weitermachen, als sei nichts passiert“, sagte Voigtmann damals.
Wieder in Deutschland angekommen, hatte Voigtmann das plötzliche Ende in Moskau zunächst mental zu verarbeiten. Im Hinblick auf die Heim-EM 2022 entschloss er sich dann, nicht kurzfristig zu einem anderen Verein wechseln, um Spielpraxis zu sammeln, sondern seinem Körper erst einmal etwas Zeit zur Erholung zu geben.
Voigtmanns besondere Länderspiel-Anekdote
Im Nachhinein eine goldrichtige Entscheidung. Bei der Europameisterschaft im eigenen Land erreichte Voigtmann mit dem DBB-Team den dritten Platz, war mit durchschnittlich 6,7 Rebounds pro Begegnung bester Deutscher in dieser Wertung.
Anfang September 2022 wechselte er schließlich zum italienischen Verein Olimpia Milano, mit dem er auf Anhieb italienischer Meister wurde. Wie Voigtmann tickt, zeigte er, als er einmal zu einem Länderspiel am Freitagabend reiste – nachdem er noch 24 Minuten für Olimpia Mailand in der Euroleague gespielt hatte.
Nun legte der Thüringer bei der in Indonesien, Japan und den Philippinen ausgerichteten Weltmeisterschaft 2023 sogar noch eine Schippe drauf. Seine physische Stärke kam jederzeit zum Tragen. Er ging dorthin, wo es weh tut und war der Mann fürs Grobe, der aber auch in der Offensive oftmals brillierte. Sowohl im Viertelfinale gegen Lettland (81:79) als auch im Halbfinale gegen die USA (113:111) blieb Voigtmann ohne Fehlwurf.
Was für die gesamte deutsche Mannschaft gilt, trifft so auch auf Voigtmann zu. Der 2,11 Meter große Center übernahm die Aufgaben, die ihm Coach Gordon Herbert zugeteilt hatte - und erfüllte diese nahezu in Perfektion.