Bei den Telekom Baskets Bonn entstand in der vergangenen Saison eine enorme Euphorie bei Fans und Verantwortlichen, da alle Teile der Mannschaft perfekt zusammenpassten. Am Ende belegte der Klub völlig überraschend den ersten Platz in der BBL-Hauptrunde und feierte mit dem Gewinn der Champions League den ersten Pokal der Vereinsgeschichte.
Unfassbarer Ausverkauf bei CL-Sieger
Doch kurz darauf zeigte sich der hohe Preis für den Bonner Erfolg: Trainer Tuomas Iisalo und sein gesamtes Staff sowie nahezu sämtliche Spieler kehrten dem Verein den Rücken. „Es hat sich früh abgezeichnet, dass wir für den Gewinn der Champions League einen Preis zahlen werden. In einem Wort kann man diesen Preis Ausverkauf nennen“, fasste Bonn-Präsident Wolfgang Wiedlich zusammen.
Vor allem das 2017 neu gegründete Team Paris Basketball bereichert sich an dem Champions-League-Sieger. Ende Juni stellten die Pariser Tuomas Iisalo und Co-Trainer Adrian Kovacs als neues Trainergespann vor. Mit den Spielern Michael Kessens, Leon Kratzer, Tyson Ward, Collin Malcolm und Sebastian Herrera folgten gleich fünf CL-Sieger ihrem Trainer in die französische Hauptstadt.
Und auch TJ Shorts, der in der abgelaufenen Saison zum Champions-League-MVP und BBL-MVP gekrönt wurde und bei den Bonnern einen Rekord für erzielte Punkte aufstellte, verlässt den deutschen Klub in Richtung Paris. Sein Abschied war bereits vor fast zwei Wochen offiziell verkündet worden.
„Das vergangene Jahr wird mir für den Rest meines Lebens in Erinnerung bleiben. Und für alle Bonner Fans, die mich unterstützt haben, ihr werdet immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben. Ich kann euch nicht genug danken!“, ließ der wertvolle US-Amerikaner verlauten.
13 Spieler verlassen die Telekom Baskets Bonn
Am Mittwoch bestätigten die Verantwortlichen von Paris Basketball die Verpflichtung von Shorts. Berichten zufolge verdient er in der französischen Hauptstadt das Dreifache an Netto-Gehalt.
Ebenfalls klar ist seit Mittwoch, dass US-Profi Javontae Hawkins weiterzieht. Hawkins ist damit der 13. Spieler, der die Telekom Baskets nach der erfolgreichsten Spielzeit der Vereinsgeschichte verlässt.
Ein Faktor, der neben dem Erfolg wohl ebenfalls zum Bonner Ausverkauf beigetragen hat, ist das Hin und Her mit Hauptsponsor Telekom. Im November 2021 kündigte der Konzern an, dass man das finanzielle Engagement in Bonn nach und nach zurückfahren wolle, um mit Vertragsende 2024 komplett auszusteigen. Die unzureichende Kommunikation mit dem Sponsor und die dadurch fehlende langfristige finanzielle Perspektive sorgte für Unsicherheit im Verein.
Trägt der Sponsor Mitschuld am Ausverkauf?
Erst kurz vor Ende der Saison bestätigte die Telekom, dass man die vertraglich festgelegten Zuwendungen für die kommende Spielzeit um eine Million Euro erhöhen werde. „Hätten wir früher eine Entscheidung bekommen und unsere Spieler im Winter angesprochen, hätten wir vielleicht bessere Chancen gehabt, einige zu halten. So wurden andere Vereine aufmerksam“, klagte Sportdirektor Savo Milovic in einem WDR-Interview. „Wir hatten keine Möglichkeit, unseren Spielern einen langfristigen Vertrag anzubieten oder sie mit einem finanziell besseren Angebot zu locken.“
Nun will Hauptsponsor Telekom laut dem Vorstandsvorsitzenden Timotheus Höttges gemeinsam mit den Bonner Verantwortlichen „das Sponsoring breiter aufstellen und versuchen, dem Verein im Profibasketball eine Perspektive zu geben und den Basketball-Standort Bonn langfristig zu sichern“. Doch aufgrund der späten Zusage bleibt es dabei: Anders als die Konkurrenz konnte Bonn erst Mitte Juni mit den Planungen für die neue Saison beginnen.
Baskets Bonn: „Inzwischen haben wir uns gefangen“
Dass der Großteil eines Kaders zur neuen Saison neu zusammengestellt werden muss, ist längst kein Einzelfall mehr. Sportdirektor Milovic ist sich jedoch sicher, es sei außergewöhnlich, wenn so viele Spieler ihrem Trainer folgen. Allerdings spiegele es die Beziehung zwischen Trainer und Spielern wider.
Präsident Wolfgang Wiedlich kommentierte den drastischen Umbruch im Gespräch mit ntv.de und sport.de: „Man muss damit leben. Ich nehme ihm (Ex-Trainer Iisalo, Anm.d.Red.) das nicht übel. Wenn man in dem Haifischbecken Profisport unterwegs ist, muss man damit rechnen.“ Der 67-Jährige betonte: „Inzwischen haben wir uns gefangen, wir jammern nicht mehr, sondern gehen unsere Zukunft zuversichtlich an.“
Der Blick in Bonn geht nach vorne: Auf der Trainerposition verpflichtete der Klub den BBL-erfahrenen Roel Moers. „Wir waren sehr froh, dass er sich getraut hat, nach zwei erfolgreichen Jahren in Göttingen sich bei uns dieser Herausforderung zu stellen“, erklärte Milovic.
Neuer Kader nimmt langsam Formen an
Das Ziel sei es nun zusammen mit dem Trainer einen neuen Kader zusammenzustellen und die Neuzugänge mit Zweijahresverträgen auszustatten. Der Sportdirektor betonte: „Jedes Jahr eine ganz neue Mannschaft formen zu müssen, ist schwierig und riskant.“
Erste Transfers sind bereits getätigt, um den extrem schlanken Kader wieder aufzufüllen. So kam mit Moers aus Göttingen der norwegische Nationalspieler Harald Frey. Daneben soll Brian Fobbs, MVP aus der belgischen Liga, das Bonner Spiel anführen. Außerdem verpflichte der Verein mit Christian Sengfelder einen deutschen Nationalspieler aus Bamberg.
Noch ist die Mannschaft für die kommende Saison nicht vollständig, aber die Ziele sind bereits klar: „Wir müssen in der BBL die Playoffs erreichen“, gab Milovic die Marschrichtung vor. In der Champions League strebt der Verein einen Platz unter den besten 16 Teams an. Und wer weiß, vielleicht kann das neu zusammengestellte Team wieder für die ein oder andere Überraschung sorgen...