Er hat als Mercedes-Sportchef mit und gegen Michael Schumacher gekämpft, Lewis Hamilton zum ersten Weltmeistertitel begleitet und die Formel 1 20 Jahre lang als Mercedes-Motorsportchef verfolgt.
Das sagt Haug zum grünen Vettel
Am Sonntag ist er zu Gast im AvD Motor und Sport Magazin, live ab 21.45 Uhr auf SPORT1. Vorher analysiert Norbert Haug hier schon mal die bisherige Saison - und Sebastian Vettels Aufsehen erregende Forderungen zum Thema Umweltschutz und sein Bekenntnis zu den Grünen.
SPORT1: Norbert Haug, nach den ersten acht Rennen der Saison: Was macht Red Bull und Max Verstappen dieses Jahr so gut?
Norbert Haug: Es wirkt, als wären alle Bestandteile des sogenannten "Packages" verbessert worden: Meist fehlerloser und auf den Punkt schneller Fahrer, stärkerer Motor, verbessertes Chassis mit enorm gutem Wirkungsgrad und viel Abtrieb, ohne diesen durch übertriebenen Luftwiderstandsbeiwert zu erkaufen. All das zusammen bringt die entscheidenden Zehntel - und vielleicht noch mehr, sollte Red Bull nur so schnell fahren, wie es fahren muss, was kluge Teams bei Überlegenheit stets tun. (Alles zur Formel 1)
SPORT1: Mercedes will sich bei der Entwicklung des Autos auf 2022 konzentrieren: Wie kann man Red Bull in diesem Jahr trotzdem noch kontern?
Haug: Dieses Rennen ist noch nicht gelaufen. Ich wurde früher öfter belächelt, wenn ich sagte, Mercedes sollte man nie abschreiben. Am Schluss hat's aber immer gestimmt, manchmal dauert's etwas länger, aber eingelöst wurde diese Einschätzung immer, sowohl bei McLaren-Mercedes mit Siegen und insgesamt drei WM-Titeln wie auch danach noch überzeugender beim Silberpfeil-Werksteam mit bisher sieben WM-Titeln in Folge. Nach dem ersten Saisondrittel folgen noch zwei und ich müsste mich sehr täuschen, würde Mercedes jetzt schicksalsergeben alles auf die nächste Saison ausrichten. (Der Rennkalender der Formel 1)
SPORT1: Sie kennen Lewis Hamilton schon sehr lange: Wie gut ist er als Jäger und wie wichtig ist ihm der achte Titel?
Haug: So wichtig wie die ersten sieben - und vielleicht noch wichtiger, sollte das überhaupt möglich sein. (alle Rennen der Formel 1 im LIVETICKER)
"Verstappen und Hamilton fahrerisch auf Augenhöhe"
SPORT1: Wer hat also Vorteile im WM-Duell: Der 23-jährige Max Verstappen oder der 36-jährige Lewis Hamilton?
Haug: Verstappen hat augenblicklich wohl das etwas bessere technische Rüstzeug. Fahrerisch schätze ich ihn und Lewis ziemlich auf Augenhöhe ein, wobei Max noch fortgesetzt beweisen muss, dass er auch mit einem grundsätzlich nicht überlegenen Auto dauerhaft gewinnen kann. Hier ist Lewis ein Weltmeister wie es Michael Schumacher war und wie es in der Historie des Sports ganz sicher keine Handvoll Fahrer gibt.
SPORT1: Wie bewerten Sie Sebastian Vettels Saison?
Haug: Den Umständen entsprechend. Es läuft offensichtlich noch nicht so rund wie gewünscht und erwartet.
SPORT1: Er kämpft mittlerweile nicht mehr nur um Podestplätze, sondern auch für eine saubere Zukunft. Wie finden Sie seine Wandlung?
Haug: Auch ich bin ein sehr überzeugter Vertreter der Nachhaltigkeit und des sinnvollen Umgangs mit der Umwelt und ihrer Ressourcen und bei mir klappt das prima, ohne Grün zu wählen. Sebastian hat seine Gründe artikuliert, ich habe diese gelesen und sie sind allemal zu akzeptieren. Nur treffsichere Lösungen helfen Natur, Klima und Umwelt, Fantasien tun das nicht. Mit Nachhaltigkeit nachhaltig Geld verdienen muss aus meiner Sicht die Formel der Zukunft sein - auch in der Formel 1.
Lob für Schumachers Saisonstart
SPORT1: Ihr Fazit zu Mick Schumachers erstem Saisondrittel?
Haug: Auf einer Skala von 1 bis 10 bekommt er keine 11, eine 9 aber auf jeden Fall. Ein paar kleine Fehler nur, so gut wie immer vor dem Teamkollegen, auch wenn der nicht die oberste Messlatte im Feld ist, einige Highlights mit sehr guten Rundenzeiten, zieht man sein Auto in Betracht. Mick ist auf Kurs und muss fokussiert so weiter machen.
SPORT1: Sie haben Michael Schumacher in demselben Alter selbst im Mercedes-Juniorteam erlebt: Inwiefern ähneln sich die beiden und was unterscheidet sie?
Haug: Zwanzigjährige von heute ähneln selten Zwanzigjährigen von vor 40 Jahren, und das ist in Ordnung. Aber Mick schätzt sich garantiert glücklich, dass er ganz Wesentliches von Vater und Mutter vorgelebt und beigebracht bekommen hat, das jetzt Basis für eine hoffentlich ganz große Karriere ist.
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SPORT1: Die Formel-1-Macher treffen sich an diesem Wochenende mit Herstellervertretern, um über den Motor der Zukunft zu beraten. Welche Kriterien muss der neue Antrieb Ihrer Meinung nach erfüllen?
Haug: Das künftige Triebwerk muss weit kostengünstiger sein als das aktuelle, so technisch hochstehend und faszinierend die aktuellen Hybrid-Turbo-Motoren mit über 1000 PS aus dem Hubraum eines Kleinwagens auch sind. Synthetische Kraftstoffe, eFuels, sind künftig Pflicht und sie werden in der Formel 1 eindrücklich beweisen, dass Verbrennungsmotoren vollkommen klimaneutral zu betreiben sind. eFuels kommen in der Formel 1 leider zehn Jahre zu spät, was sehr negativ ist. Überaus positiv ist indes, dass sie auch noch morgen Motoren mit einem Sound von gestern füttern können.