Gerade erst sind die ersten beiden Trainings zum Großen Preis von Monaco (Formel 1, Monaco-GP: Das komplette Rennwochenende im SPORT1-Liveticker) absolviert, da gerät schon das nächste Rennen in Aserbaidschan in den Fokus. (Formel-1-Rennkalender)
Mercedes mit vielsagender Drohung
Grund: Die angeblich flexiblen Flügel, die ab dem Frankreich-GP schärfere Belastungstests bestehen müssen. Lewis Hamilton hatte das Thema nach dem Qualifying zum Großen Preis von Spanien aufgebracht, als er den zu biegsamen Flügel an Max Verstappens Red Bull monierte.
Tatsächlich existieren Videos, auf denen sich der Heckspoiler auf den Geraden absenkt und so den Luftwiderstand verringert. Laut Paragraph 3.8 des technischen Regelwerks ist das verboten. Allerdings konnten die Regelhüter den Betrug bislang nicht nachweisen.
Die FIA verdoppelt deshalb ab dem Grand Prix von Frankreich die Belastungstests. So lange will man den Teams Zeit geben, die Flügel zu verstärken. Im Visier ist aber nicht nur Red Bull. Auch am Alpine, am Ferrari und am Alfa Romeo wurde das Phänomen beobachtet.
Frist bis nach Baku? Mercedes wütet
Doch die Galgenfrist stößt bei den Gegnern auf wenig Gegenliebe. Denn ausgerechnet beim GP in Baku dürften die Flexi-Wings so noch zum Einsatz kommen. Auf den langen Geraden des Straßenkurses wäre damit ein Zeitgewinn von mehr als drei Zehntelsekunden pro Runde möglich.
Die Wutrede übernimmt Mercedes-Teamchef Toto Wolff. "Wir räumen ein, dass es schwierig ist, in zwei Wochen stabilere Flügel zu bauen. Aber vier Wochen Vorlauf ist definitiv zu lang. Es ist absolut unverständlich, dass bis Baku nichts passiert. Das lässt uns im Niemandsland. Gerade auf der Strecke, auf der ein flexibler Flügel den größten Vorteil bietet."
Der Mercedes-Boss warnt deshalb die Konkurrenz – und droht den Machern der Königsklasse: "Die FIA hat die Bewegung der Flügel als exzessiv eingestuft. Die Teams, die diese Flügel weiter fahren, riskieren also einen Protest. Der könnte bis zum Internationalen Sportgericht gehen und sich Wochen hinziehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Formel 1 so etwas leisten will."
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Auch Aston Martin und McLaren vor möglichem Protest
Dabei müsste noch nicht einmal Mercedes selbst Protest einlegen. Wolff: "Es gibt mindestens zwei andere Teams, die ein großes Interesse daran haben, dass diese Flügel verschwinden." Der Österreicher meint damit Aston Martin, aber auch McLaren.
Wolff gießt sogar noch mehr Öl ins Feuer, kritisiert die neue Technische Direktive insgesamt als "halbgare Lösung" und ergänzt halb ernst, halb ironisch: Mercedes werde seinen Heckflügel ebenfalls modifizieren – und zwar so, dass er sich stärker als bisher verbiegt.
Red Bull und Ferrari reagieren gelassen
Bei Red Bull sieht man die verbalen Attacken und Drohgebärden gelassen. Teamchef Christian Horner: "Unser Auto hat bis jetzt alle Tests bestanden. Damit erfüllt es auch die Regeln. Wenn sich jetzt der Belastungstest ändert, ist das wie eine Regeländerung. Und wir werden darauf reagieren. Das kann eine halbe Million Dollar kosten."
Auch Ferrari-Teamchef Mattia Binotto räumt ein, dass man das Schlupfloch bislang genutzt habe. "Solche Diskussionen sind Formel-1-Folklore", sagt er. "Wenn es jetzt neue Richtlinien gibt, werden wir reagieren. Bei uns sind es aber nur kleine Korrekturen."