"Enttäuschend." Red Bull-Teamchef Christian Horner braucht nur ein Wort für die Bewertung von Startplatz 12 für Red Bulls Nummer zwei Alex Albon (25). Dabei sollte in Silverstone alles besser werden (Formel 1, Großer Preis von Großbritannien, So., ab 15.10 Uhr im LIVETICKER). Ein neuer Renningenieur sollte dem Thailänder Flügel verleihen: Simon Rennie, der Ex-Einflüsterer von Daniel Ricciardo und Mark Webber.
Albon wegen Vettel unter Druck
Er galt als letzte Chance für Albon bei Red Bull. "Wenn ich meinem Fahrer einen neuen Renningenieur gegeben habe, wollte ich ihm helfen", sagt Ex-Teamchef Eddie Jordan gegenüber SPORT1. "Ich wollte ihm aber auch ganz klar zu verstehen geben: Jetzt musst du liefern!"
Albon lieferte nicht. Bisher jedenfalls. Am Freitag stimmte das Tempo, dann wurde er wieder ein Opfer des unberechenbaren Red Bulls und crashte brutal. Am Samstag schien das kurz aufflackernde Selbstbewusstsein wieder am Boden. Mit dem Ergebnis: Er schied schon im zweiten Qualifying-Abschnitt aus, während "Über-Teamkollege" Max Verstappen einmal mehr einziger Mercedes-Jäger war und Dritter wurde.
Albon versucht sich Mut zuzusprechen
Albon wirkte niederschlagen, wollte sich selbst aber (noch) Mut machen. "Ich würde nicht sagen, dass das Wochenende furchtbar war", sagte er mit leiser Stimme, "nur heute war es nicht sehr gut. Wir haben durch den Defekt in Q3 Zeit auf der Strecke verloren, und der Wind dreht hier die ganze Zeit, und auch die Balance verändert sich damit."
Allein: Noch springt Teamchef Horner seinem Nummer-Zwei-Piloten zur Seite. Der Batterietausch am Vormittag habe eine gute Vorbereitung verhindert, sammelt der Brite fast schon krankhaft weiter Argumente für einen weiteren Verbleib von Albon im Top-Team. Was Horner bewusst nicht erwähnte: Erst Albons Unfall hatte den Tausch der Batterie notwendig gemacht. (DATENCENTER: Die Fahrerwertung der Formel 1)
Der Thailänder, so sieht es im Moment aus, bewegt sich in einem Teufelskreis, aus dem er nur noch sehr schwer herauskommt.
Diese Abwärtspirale erinnert an den steilen Abstieg, den im Vorjahr auch Pierre Gasly an der Seite von Max Verstappen erlebte. Es gab Crashs, schlechte Rundenzeiten, immer mehr Druck und weniger Selbstvertrauen - mit dem Ergebnis, dass der Franzose ins Schwesterteam von Alpha Tauri degradiert wurde und Albon dessen Platz bekam. Den Aufstieg, den die Red-Bull-Macher vor gut einem Jahr Albon zugetraut hatten, erweist sich jetzt wohl doch als zu steil.
Vettel zu Red Bull noch nicht vom Tisch
Fest steht: Einer wird sich die weitere Entwicklung bei Red Bull ganz genau anschauen: Sebastian Vettel (33). Der Noch-Ferrari-Star hat die Möglichkeit zu Aston Martin zu wechseln. Sein Wunschteam aber ist Red Bull. Das Einzige, was Albon dort noch vor der Degradierung schützt, ist sein thailändischer Pass. Der Halb-Brite genießt den Segen von ganz oben. 51 Prozent von Red Bull gehören einer thailändischen Familie. Die will Albon immer noch im Haupt-Auto sehen.
Aber: Wenn Albon langfristig nicht performt, wird ihn auch seine Herkunft nicht mehr schützen. Alpha Tauri-Teamchef Franz Tost gibt einen ersten Hinweis, dass die Personalie Vettel intern noch immer nicht abgehakt ist. Der Österreicher, ein bekennender Fan des Deutschen, sagt: "Fahrerentscheidungen treffen bei Red Bull andere. Meistens im September oder Oktober. Warten wir mal ab." (Rennkalender 2020 der Formel 1)
Auch sein Team könnte im Fahrer-Wechsel-Dich-Spiel eine entscheidende Rolle spielen. Wird der Racing Point, die rosa Mercedes-Kopie, trotz Renault-Protest für legal erklärt, will Red Bull nur noch ein Chassis bauen – für Red Bull und Alpha Tauri. Dann ist es fast schon egal, wo Vettel fährt und wo Albon. Beide hätten dieselben Voraussetzungen innerhalb der Red Bull-Familie.
Viele Defekte bei Vettel
Dass Red Bull-Motorsportchef Helmut Marko immer noch ein besonderes Auge für Sebastian Vettel hat, zeigt auch die folgende Beobachtung. Zu SPORT1 sagt der Österreicher: "Es ist uns ein Rätsel, wo Leclerc (Platz vier) die Geschwindigkeit hergeholt hat. Er war schneller auf den Geraden als wir. Allerdings scheint das nur bei ihm der Fall gewesen zu sein, nicht bei Vettel."
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Der Heppenheimer war auf Platz zehn fast eine Sekunde langsamer als Teamkollege Leclerc. Entscheidender aber ist: Obwohl in Vettels Ferrari seit Freitag der Defektteufel steckte und er gar keine Chance hatte, auf dem gleichen Niveau wie Teamkollege Leclerc zu fahren, hat er immer noch die Ruhe weg.
Auch wegen seiner starken Nerven schaffte er es mit dem waidwunden Ferrari in den letzten Qualifyingabschnitt. Und starke Nerven sind genau das, was Red Bull am Ende des Tages sehen will.