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Bernie Ecclestone fordert: Formel 1 absagen - Vettel sollte sich verändern

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Bernie Ecclestone fordert: Formel 1 absagen - Vettel sollte sich verändern

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Aufhören? Das rät Ecclestone Vettel

Bernie Ecclestone sorgt sich wegen Corona um die Formel 1 und stellt eine klare Forderung. Im SPORT1-Interview spricht er auch über die Zukunft von Sebastian Vettel.
Bernie Ecclestone war bis 2017 Geschäftsführer der Formula One Group
Bernie Ecclestone war bis 2017 Geschäftsführer der Formula One Group
© Getty Images
Bernie Ecclestone sorgt sich wegen Corona um die Formel 1 und stellt eine klare Forderung. Im SPORT1-Interview spricht er auch über die Zukunft von Sebastian Vettel.

Die Corona-Pandemie bereitet auch Bernie Ecclestone große Sorgen.

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Im exklusiven SPORT1-Interview stellt der langjährige Formel-1-Patron das Vorgehen einiger Politiker und Staaten in Frage: Donald Trump kommt im Gegensatz zu den Entscheidungsträgern in Deutschland nicht gut weg.

Für den weiteren Saisonverlauf in der Königsklasse des Motorsports fordert der 89-Jährige Brite eine drastische Maßnahme: Hätte er noch etwas zu sagen, würde er ein Machtwort sprechen.

Doch Ecclestone, der im Sommer zum vierten Mal Vater wird, blickt auch in die Zukunft: Sebastian Vettel rät er zu einer Alternative, den "jungen Wilden" um Max Verstappen und Charles Leclerc sagt er Großes voraus.

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Ecclestone: Frühstück aus dem Hühnerstall

SPORT1: Herr Ecclestone, wie geht es Ihnen im Moment?

Bernie Ecclestone: Sehr gut. Auf meiner Kaffeeplantage vor den Toren Sao Paulos lebe ich mit meiner brasilianischen Frau und meinen Hühnern völlig abgeschottet, weil die Farm wegen Corona abgeriegelt wurde. Keiner darf raus, keiner darf rein. Höchstens zum Einkaufen, zur Not mit dem Helikopter. Aber wir sind was Nahrungsmittel betrifft relativ autark. Das Frühstück zum Beispiel besorge ich selbst. Im Hühnerstall.
 
SPORT1: Im Juli werden Sie zum vierten Mal Vater...

Ecclestone (lacht): Ja. Nachdem ihr die Nachricht verbreitet habt, stand in den ersten zwei Tagen das Telefon nicht mehr still. Zuerst gratulierte man mir zu meinem Sohn, der im Juli hier zur Welt kommen wird, dann wollten alle ein Interview. Eine Frage kam immer wieder: Ob er ein neuer Senna wird oder ein neuer Pélé? Am besten nichts von beidem. Ein Geschäftsmann wäre nicht schlecht.
 
SPORT1: Wie informieren Sie sich über das Weltgeschehen und über die Formel 1?

Ecclestone: Ich habe rund um die Uhr internationale Nachrichtensender auf meinen Bildschirmen laufen. So werde ich umfassend informiert.

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Bernie Ecclestone lobt Deutschlands Vorgehen bei Corona

SPORT1: Wie lautet Ihre Analyse der Pandemie?

Ecclestone: Ich habe nicht das Gefühl, dass Einigkeit bei der hiesigen Regierung herrscht, wie man in diesem riesigen Land mit den immer noch vielen Armenvierteln den Ausbruch des Virus in den Griff bekommen kann. Das gilt aber für viele Politiker. Was mir auffällt: Wie uneins viele Politiker in der Krise sind. Beispiel USA: Trump sagt etwas, was nur wenig später von einem Verantwortungsträger in New York wieder revidiert wird. Das schafft Misstrauen unter der Bevölkerung und Verunsicherung. Was mich dagegen erstaunt, wie in Deutschland Politiker der verschiedensten Parteien im Moment ihre Gesinnung vergessen und mit einer Sprache sprechen. So sollte das sein. In Deutschland seid ihr selten gut aufgestellt. Wenn ich etwas im Leben gelernt habe, dann das: Man muss sich so schnell wie möglich mit den Gegebenheiten abfinden, die man nicht beeinflussen kann, und dann versuchen das Beste daraus zu machen. 

SPORT1: Gilt das auch für Ihre Nachfolger von Liberty als Formel-1-Chefvermarkter?

Ecclestone: Das Krisenmanagement in Australien funktionierte nicht. Eine geordnete Kommunikation bis zur endgültigen Absage des Rennens fand nicht statt. Das hat sich im Prinzip bis heute fortgesetzt. Und zwar bei allen Verantwortlichen.

"Formel 1 müsste abgesagt werden"

SPORT1: Was würden Sie Ihnen raten?

Ecclestone: Man müsste die Formel 1 jetzt absagen. Für die ganze Saison. Denn keiner weiß doch genau, wie es weitergeht. Am Ende entscheiden doch die Politiker. Doch da wird keiner wieder Großveranstaltungen freigeben, so lange noch ein Risiko besteht. Diese Verantwortung wird niemand übernehmen. Die Leute von Liberty glauben zu wissen, was sie tun. Aber die Formel 1 hat eine europäische DNA. Du kannst sie und ihre Protagonisten nicht so führen als wäre es Football oder Basketball. Es wird zu viel geredet, aber zu wenig geführt.

SPORT1: Wie meinen Sie das?

Ecclestone: Ich wurde ja oft kritisiert, weil ich positiv über Diktaturen gesprochen habe. Das wurde aber zum Teil missverstanden oder mein britischer Humor wurde für bare Münze genommen. Ich meinte damit nicht, dass man die Demokratien abschaffen sollte. Natürlich nicht. Aber ich bin immer noch der Meinung, dass es einzelne Personen geben muss, die Entscheidungen treffen, wenn es darauf ankommt. Das sieht man während der Corona-Krise mehr denn je. In der Formel 1 hat jedenfalls Demokratie nie funktioniert. Ich kam mir immer vor wie ein Kaiser, der ständig mit Fürsten reden musste, die einzig und allein nur an sich dachten. An ihren ureigenen Gewinn. Aber nicht ans ganze Land. Also musste ich öfters mal ein Machtwort sprechen oder ihnen Angst machen. Sonst hätte es mit der Formel 1 nie so funktioniert.

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"Die anderen Teams müssen die FIA verklagen"

SPORT1: Was denken Sie über das geheime Abkommen zwischen der Automobilbehörde FIA und Ferrari, das wegen Zweifel an der Legalität des Ferrari-Motors aus 2019 für viel Wirbel vor der Corona-Krise geführt hat?

Ecclestone: Das hätte ich nie zugelassen. Was soll das? Entweder hat jemand betrogen oder eben nicht. Das FIA-Statement klang doch wie ein Schuldeingeständnis von Ferrari. Warum hätten sie sich sonst überhaupt darauf eingelassen? Die anderen Teams müssen jetzt hart bleiben und im Notfall die FIA verklagen. Es geht schließlich um mehrere Millionen Dollar von Preisgeldern, die ihnen zustehen. Als McLaren 2007 in den Spionageskandal involviert war, ließ ich es erst gar nicht zum Prozess kommen. Wir disqualifizierten McLaren nachträglich und bestraften sie mit 100 Millionen Dollar. Die anderen Teams rückten logischerweise in der Preisgeldtabelle auf. Alles wurde transparent aufgearbeitet.
 
SPORT1: Wie bewerten Sie die Situation bei Ferrari und für Sebastian Vettel im Allgemeinen?

Ecclestone: Ferrari-Teamchef Mattia Binotto ist ein sehr guter Techniker. Das sieht man ja daran, dass sein Motor brillant war, warum auch immer. Aber muss er deshalb auch ein guter Chef sein? Ich meine nicht. Er lacht immer nett, egal ob die Sonne scheint oder es regnet. Egal ob Ferrari gewinnt oder verliert. Das strahlt nicht gerade Souveränität aus.

"Vettel muss sich nach Alternativen umsehen"

SPORT1: Leidet auch Sebastian Vettel darunter?

Ecclestone: Ich denke, dass Sebastians Leistungen in der letzten Zeit unter der Ferrari-Konstellation mit dem neuen Teamkollegen Charles Leclerc, der auch noch vom Sohn des FIA-Präsidenten gemanagt wird, gelitten hat. Ich vermute, er sieht in Binotto nicht den Unterstützer, den er in seiner Situation braucht. Sebastian sollte deshalb aufhören oder sich nach Alternativen für 2021 umsehen. McLaren, dann wieder mit Mercedes-Motoren, könnte so eine sein.

SPORT1: McLaren-Mercedes und nicht das Werksteam?

Ecclestone: Ja, dazu muss ich aber ausholen: Ich habe den jetzigen Mercedes-Chef Ola Källenius kennengelernt, als er noch die F1-Motorenfabrik von Mercedes in Brixworth geleitet hat. Er weiß also, worum es geht. Er hat im Moment aber andere Probleme als sein Formel-1-Projekt. Doch was ich mitbekomme, wie er den Konzern durch den Abgasskandal und die Corona-Krise in die Zukunft führt, beeindruckt mich zutiefst. Wäre ich er, würde ich Ende 2020 das Team verkaufen. Was hat Mercedes noch zu beweisen nach sechs Titeln in Folge? Gar nichts mehr. Jeder Weltmeister danach müsste doch mit dem Manko leben, nur wegen des Fehlens von Mercedes den Titel geschafft zu haben. Die Hybridmotoren sollte er aber weiterhin liefern. Das ist ihr Marketinginstrument. High-Tech pur, die kosteneffizientesten Motoren, die es gibt, die dazu noch in der Formel 1 siegen. 
 
SPORT1: Sie waren aber früher nie ein Freund der Hybridmotoren.

Ecclestone: Ja, aber das hatte andere Gründe: Schon kurz nach ihrer Einführung 2014 war mir klar, dass wir alle einen Fehler gemacht haben. Mercedes war hoffnungslos überlegen und nicht zu schlagen. Das wird auch so bleiben, solange mit diesen Motoren gefahren wird. Warum also nicht McLaren wie früher zum Werksteam machen und bei allen anderen Kunden den Stern groß aufs Auto packen? Denn eins ist klar: Egal, welches Team mit seinem Motor gewinnt, immer wird Mercedes hinter dem Erfolg stehen.

"Leclerc und Verstappen werden einmal die WM gewinnen"

SPORT1: Und was wird dann aus Lewis Hamilton?

Ecclestone: Mercedes findet bestimmt einen Käufer, der das Team erfolgreich weiterführt. Lewis hat bislang viel Glück gehabt, hatte immer das beste Auto und das beste Team. Das Beste von allem. Um ihn muss man sich keine Sorgen machen.
 
SPORT1: Wie sehen Sie Sebastian Vettel im Vergleich mit Lewis Hamilton?

Ecclestone: Vettel wird unterschätzt. Er hat das Wettbewerbs-Gen, das die Fahrer früher auch hatten. Schon als ich ihn das erste Mal im Freitagstraining in der Türkei 2006 gesehen habe, wusste ich das. Weil ich es in seinen Augen sehen konnte. Die Formel 1 braucht einen Sebastian, der gewinnt. Er hatte letztes Jahr ein Tief, aber so wie ich ihn kenne, gibt es keinen Grund, warum neben Lewis nicht auch Sebastian Michael Schumachers sieben Titel erreichen kann. Wie schon gesagt: Die Leute unterschätzen Sebastian.
 
SPORT1: Und Max Verstappen? Er gilt neben Leclerc als neuer Shootingstar.

Ecclestone: Ich traf Max das erste Mal, da hatte er noch nicht mal Barthaare. Aber ich konnte sehen: Der hat was Spezielles. Leider ist er reifer geworden (lacht) und sorgt nicht mehr für so viel Entertainment. Er wird die WM irgendwann gewinnen, genau wie Leclerc.

"Formel-1-Piloten sind wie Astronauten"

SPORT1: Bekommt die Formel 1 wegen des grünen Zeitgeistes langfristig ein Problem?

Ecclestone: Die Formel 1 wird überleben, in welcher Form auch immer. Weil sie größer ist als einzelne Personen. War die Mondlandung notwendig? Machte sie die Hungernden satt? Nein, aber trotzdem war die Menschheit fasziniert. Die Menschen brauchen Helden. Rennfahrer, speziell Formel-1-Piloten, sind in gewisser Weise Astronauten, auf die man voller Bewunderung hinaufschaut. Ayrton Senna ist das beste Beispiel. Selbst den Ärmsten hier in Brasilien brachte er Licht und Lebensmut in ihren finsteren Tunnel des Daseins. Im Moment bräuchte man ihn hier mehr denn je.
 
SPORT1: Warum haben Sie nicht in die Formel E investiert?

Ecclestone: Ich hatte mal die Chance, lehnte aber ab. Aber eines finde ich bei der Formel E gut: Die Autos sind so leise, da kann man sich immer noch entspannt unterhalten.