Sebastian Vettel bekam seinen ersten Wutausbruch bei über 300 km/h. "Sie stehlen uns das Rennen!", fluchte der Ferrari-Star im Cockpit, als ihm die Rennjury alle Chancen auf den erhofften Sieg beim Großen Preis von Kanada mit einer umstrittenen Entscheidung nahm.
"Blind!" Bestrafter Vettel giftet
Er brodelte gewaltig im viermaligen Formel-1-Weltmeister, Vettel konnte sich lange nicht beruhigen.
"Nein, nein, nein. So nicht!", schimpfte er, nachdem er das Ziel zwar als Erster erreicht hatte, wegen einer Fünf-Sekunden-Zeitstrafe aber nicht über den undankbaren zweiten Platz hinter Weltmeister Lewis Hamilton hinauskam. (Service: WM-Stand der Formel 1 im SPORT1-Datencenter)
Vettel tauscht Schilder aus
Seinen Wagen stellte er nicht wie üblich im Parc ferme ab. Als Vettel mit Verspätung wütend dorthin stapfte, tauschte er kurzerhand die Schilder für die Plätze "1" und "2" aus. Die Symbolik war unmissverständlich, Vettel fühlte sich um den verdienten Lohn gebracht.
Nach einem Ausflug ins Gras und einer Beinahe-Kollision mit Hamilton in der 48. Runde hatte Vettel nur mit größter Mühe die Führung behalten. Die Rennjury untersuchte den Vorfall und bestrafte den Deutschen. Für Vettel war das absolut unverständlich. "Du musst absolut blind sein zu denken, dass du durch das Gras fahren kannst und dann volle Kontrolle über das Auto hast. Ich konnte doch nirgendwo hin! Das ist nicht fair", sagte er.
Ferrari legt Protest ein
Später am Abend legte die Scuderia gegen die Entscheidung der Stewards Protest ein. Diesem werden jedoch keine großen Chancen eingeräumt, weil ein Protest gegen eine Fünf-Sekunden-Strafe in den Regularien der FIA grundsätzlich nicht vorgesehen ist.
Hamilton, der in all dem Trubel den 78. Formel-1-Triumph seiner Laufbahn eher verhalten feierte, vertrat eine gegensätzliche Meinung. Glücklich war er dennoch nicht. "Das ist nicht die Art, auf die ich gewinnen wollte. Aber ich nehme den Sieg gerne an", sagte der Mercedes-Pilot, der durch seinen fünften Saisonsieg den Vorsprung in der Fahrerwertung ausbaute.
Der 34-Jährige zog damit auch mit Kanada-Rekordsieger Michael Schumacher (sieben Erfolge) gleich.
Ferrari verpasst Befreiungsschlag
Der WM-Dritte Vettel hat bereits 62 Punkte Rückstand, der in Kanada viertplatzierte Finne Valtteri Bottas liegt als WM-Zweiter 29 Zähler hinter seinem Teamkollegen. Für Vettel und Ferrari geht die Seuchensaison weiter, der Kampf um den WM-Titel wird immer aussichtsloser. Das Podium komplettierte Charles Leclerc im zweiten Ferrari auf Rang drei.
Nico Hülkenberg beendete das Rennen im Renault auf Rang sieben.
Neben Vettel verpasste auch Ferrari nach zuletzt zahlreichen Problemen den erhofften Befreiungsschlag. Rivale Mercedes hatte bereits die ersten sechs Rennen gewonnen und dabei sogar fünf Doppelsiege gefeiert. Die einzige Konstante der Roten war ihre Fehleranfälligkeit gewesen. In Kanada lief endlich alles nach Plan - es reichte dennoch nicht.
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Hamilton und Vettel auf Augenhöhe
Vettel verteidigte die Spitze nach einem unspektakulären Start erfolgreich und führte das Feld vor Hamilton und Leclerc an. An der Spitze lieferten sich Vettel und Hamilton ein Duell auf Augenhöhe. Der Deutsche drückte auf den vielen langen Geraden mächtig aufs Gas, setzte sich aber nicht maßgeblich von seinem Verfolger ab.
Vettel fuhr nach 26 Runden als erster der beiden Top-Piloten zum Reifenwechsel in die Box. "Lewis, jetzt ist Hammertime", funkte Mercedes in Richtung Hamilton. Auf den abgenutzten Medium-Reifen gelang es dem Briten aber nicht, den erhofften Druck zu entwickeln. Als Hamilton zwei Runden später seinen eigenen Stopp hinter sich hatte, war der Rückstand auf Vettel sogar angewachsen.
Das Bild änderte sich jedoch schnell. Mercedes war Ferrari schon in den Rennsimulationen im Training deutlich überlegen gewesen. Dieser Eindruck bestätigte sich nun.
Hamilton nahm Vettel kontinuierlich Zeit ab. Der Druck zeigte Wirkung - und Vettel bei seinem Ausflug ins Gras Nerven.