Mit blutigem Knie hat Konstanze Klosterhalfen die erste deutsche WM-Medaille über die 5000 Meter geholt.
"Koko" trotzt den Schmerzen
Die 22-jährige Ausnahmeathletin bekam während des Rennens mehrmals die Spikes ihrer Konkurrentinnen ab, ließ sich davon aber nicht beirren und stürmte auf Platz 3. Als die Sanitäter im Khalifa Stadium sie nach dem Rennen verarzten wollten, lehnte Klosterhalfen ab.
"Vielleicht gehe ich nächste Saison noch öfter boxen", sagte sie augenzwinkernd. "Mein Krafttrainer wird sich freuen. Im Rennen kriegt man davon aber nichts mit."
Am Ende musste sie sich nach 14:28,43 Minuten nur den beiden Kenianerinnen Helen Obiri (14:26,72) und Margaret Kipkemboi (14:27,49) geschlagen geben. In einem dramatischen Schlussspurt sicherte Klosterhalfen am Ende den dritten Platz - auch wenn sie sich auf der Zielgerade nicht sicher war und mehrmals nach hinten blickte.
"Ich dachte mir, das wäre jetzt bitter"
"Ich dachte mir, dass wäre jetzt wirklich bitter, wenn mich noch jemand überholt", sagte "Koko" auf SPORT1-Nachfrage. "Es wäre zwar auch nicht schlimm gewesen, wenn ich mit dem vierten Platz nach Hause gegangen wäre. Denn ich weiß, dass ich das gemacht habe, was wir uns vorgenommen haben."
Für den Shootingstar geht jetzt bereits der Blick zu den Olympischen Spielen in Tokio im kommenden Juli. "Es war ein weiterer Schritt in meiner Entwicklung. Und in acht Monaten steht noch ein größeres Ereignis bevor - aber zum Glück hat es ja zu einer Medaille gereicht."
Im Ziel angekommen schaute Klosterhalfen ein bisschen ungläubig, erst nach einigen Sekunden reckte sie den rechten Finger in die Luft. Und begriff dann mit der deutschen Fahne um den Schultern, dass sie Leichtathletik-Geschichte geschrieben hatte. Mit einem Wahnsinnslauf rannte Klosterhalfen bei der WM in Doha zu Bronze.
Die erst 22-Jährige musste sich nach 14:28,43 Minuten nur den beiden Kenianerinnen Helen Obiri (14:26,72) und Margaret Kipkemboi (14:27,49) geschlagen geben. Klosterhalfen holte damit als erste deutsche Läuferin über diese Distanz eine WM-Medaille und die vierte für das DLV-Team in Katar - trotz des ganzen Doping-Wirbels um Alberto Salazar.
Klosterhalfen: "Das hätte ich nie gedacht"
"Ich wollte das beste Rennen laufen. Ich bin sehr stolz auf mich, wie ich das Rennen gelaufen bin. Es war ein gutes Tempo, aber ich bin nervös geworden und wollte schon loslaufen. Am Ende ging es richtig ab. Meine Beine sind schwer geworden, aber dass ich bei diesem Sprint eine Medaille raushole, hätte ich nie gedacht", sagte Klosterhalfen in der ARD.
Obiri verteidigte mit einem Start-Ziel-Sieg erfolgreich ihren Titel und ist mit 29 Jahren und 296 Tagen die älteste Weltmeisterin der Geschichte über diese Distanz.
Dabei hatte Klosterhalfen sich erst kurz vor dem Start ein neues Trikot organisieren müssen. "Ich habe das Trikot nach dem Training mit meinen Teamkollegen getauscht und gedacht, ich habe noch ein zweites. Dafür habe ich jetzt ein USA-Trikot. Ich war dann nervös, weil ich gedacht habe, ich kann ohne Trikot schlecht laufen", erklärte "Koko". Letztlich fand sie aber noch rechtzeitig vor dem Rennen das passende Shirt.
Klosterhalfen dankt dem Box-Training
In Doha lieferte Shootingstar Klosterhalfen, die alle nur "Koko" nennen, endgültig ihr Meisterstück ab. Sie fuhr auch mal die Ellenbogen aus, um ihre Position zu verteidigen und verhielt sich taktisch sehr klug - immer knapp hinter der Spitze laufend. Fünf Runden vor Schluss waren dann nur noch sechs Läuferinnen vorne mit dabei, das Tempo wurde immer schneller. Doch Klosterhalfen hielt mit, musste Obiri und Kipkemboi erst in der letzten Kurve ziehen lassen.
"Dass ich in meinem ersten WM-Rennen eine Medaille hole, ist unglaublich", freute sie sich. "An etwas anderes habe ich gar nicht gedacht", sagte die 22-Jährige hinterher. "Es ist crazy, einmal ganz vorne mitzulaufen. Es war ein starkes Rennen. Das Finish war bisher nicht meine Stärke, daher ist es etwas ganz Besonderes, das Rennen im Sprint zu entscheiden."
"Ich will mein bestes Rennen der Saison zeigen", hatte Klosterhalfen vor dem Finale gesagt. Mit ihrem deutschen Rekord von 14:26,76 Minuten, gelaufen Anfang August, war sie die Nummer zwei der Meldeliste - und damit natürlich eine Medaillenkandidatin. Doch so ein Finale ist dann ja doch etwas ganz anderes, Klosterhalfen aber blieb erstaunlich cool und lieferte trotz zahlreicher Rempler mit den Konkurrentinnen ab.
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"Ich hatte Angst, dass man mich von der Bahn stößt und ich disqualifiziert werde. Da muss man aufpassen, aber ich habe versucht, die Balance zu halten. Wenn man stärker ist, kann man damit umgehen. Wir gehen im Training auch Boxen, vielleicht hilft das auch", sagte Klosterhalfen.
"Der Wirbel hat mich nicht abgelenkt"
Ob die Saison für Klosterhalfen mit WM-Bronze beendet ist, wusste sie selbst noch nicht. "Ich fände es traurig, wenn die Saison jetzt zu Ende sein soll. Vielleicht mache ich noch ein Rennen, danach kommt der Urlaub mit der Familie. Wir fahren nach Dubai, das ist ja um die Ecke", scherzte sie.
Insgesamt sechs deutsche Rekorde hatte das "German Wunderkind" in diesem Jahr aufgestellt, doch erst jetzt ist sie ganz oben angekommen, setzte auch auf der ganz großen Bühne ein Zeichen nach all den Salazar-Schlagzeilen in den vergangenen Tagen.
Klosterhalfen trainiert ja seit Ende 2018 in den USA unter Pete Julian, seit April gehört sie offiziell dem umstrittenen Nike Oregon Project (NOP) an. Dessen bisheriger Cheftrainer und Gründungsvater Salazar war am Dienstag wegen Verstößen gegen die Anti-Doping-Regeln für vier Jahre gesperrt wurde. Klosterhalfen wollte all das ausblenden - für den ganz großen Traum.
"Der Wirbel hat mich gar nicht abgelenkt. Wir hatten ein Team-Meeting und haben das geklärt. Uns betrifft das alle aus dem Team nicht, mein Coach ist Pete Julian. Ich habe mich gefreut über die positiven Nachrichten. Ich bin dankbar, dass ich dort trainieren kann. Vor einem Jahr habe ich gehofft, im Finale zu stehen und jetzt stehe ich ganz vorne. Das ist unglaublich", sagte Klosterhalfen nach dem Finale.
Hassan-Triumph beflügelt Klosterhalfen
Auch der Triumph von Sifan Hassan, die 30 Minuten vor Klosterhalfen über 1500 Meter triumphiert hatte und ebenfalls beim NOP trainiert, half der Deutschen. "Als ich mitbekommen habe, dass Hassan gewonnen hat, habe ich noch mehr Selbstbewusstsein bekommen. Das zeigt mir, dass wir ein gutes Training absolviert haben."
Tatsächlich geht es bei den Verfehlungen, die die US-Anti-Doping-Behörde USADA gegen den Trainer-Guru Salazar zusammentrug, um die Jahre 2010 bis 2014. Also um eine Zeit, in der Klosterhalfen noch nicht vor den Toren Portlands an ihrer Form feilte.