Der Wetterbericht für Doha verspricht in den kommenden Tagen pralle Sonne, keinerlei Niederschläge und nur ein laues Lüftchen. Auf den ersten Blick scheint die am Freitag beginnende Leichtathletik-WM also unter einem guten Stern zu stehen - zumindest meteorologisch.
So absurd ist die Katar-WM
Wo die Organisatoren vor zwei Jahren in London gebannt zum Himmel schauten und den englischen Sommer verfluchten, können sie sich dieses Mal scheinbar zurücklehnen.
Ganz so entspannt dürften sie aber doch nicht sein, denn trotz des späten Zeitpunktes ist die sengende Hitze im Wüstenstaat Katar noch immer unerbittlich. Bis zu 40 Grad am Nachmittag schnellt das Thermometer in die Höhe, nachts fällt es kaum unter 30 Grad: Es droht die Gefahr, dass vor allem die Ausdauer-Athleten buchstäblich aus den Latschen kippen.
"Für die Zehnkämpfer und Langstreckenläufer sind Temperaturen über 40 Grad eine Katastrophe und eigentlich nicht vertretbar", sagt die deutsche Zehnkampf-Hoffnung Niklas Kaul bei SPORT1. "Es ist eben die Frage ob man die WM in ein Land geben muss, bei dem man weiß, dass die klimatischen Bedingungen nicht optimal sind."
Leere Ränge? Gastarbeiter sollen aushelfen
In der Tat war eine Leichtathletik-WM noch nie so fragwürdig wie diese - denn nicht nur die Hitze macht die Doha-Spiele umstritten. Bei der Vergabe sollen Millionen Petrodollar über dunkle Kanäle geflossen sein, zudem ist die Menschenrechtslage in Katar weiter besorgniserregend.
Zudem besteht bei den Organisatoren Anlass zur Sorge, dass die WM-Arena gerade einmal zur Hälfte gefüllt sein wird. Damit die drohende Leere auf den Fernsehbildschirmen nicht allzu intensiv wahrgenommen wird, sind die Organisatoren laut der englischen Zeitung Guardian damit beschäftigt, die obersten Sitzbereiche abzudecken.
Außerdem sollen Gastarbeiter und Kinder mit Freikarten in Bussen zum Stadion transportiert werden, um die leeren Plätze zu füllen.
Für die Athleten selbst spielen aber die klimatischen Bedingungen die Hauptrolle - und wie man sich vor hohen Temperaturen und Luftfeuchtigkeit am besten schützen kann. "Hitze kann unter den Bedingungen in Doha dazu führen, dass die Körperkerntemperatur ansteigt, dass man verstärkte Schweißbildung und auch einen veränderten Natriumhaushalt vorfindet", erklärt DLV-Generaldirektor Idriss Gonschinska bei SPORT1. "Das könnte in schwierigen Situationen auch Einflüsse auf die komplexen Regelkreise haben."
Betroffen sind vor allem die Athleten, die ihre Wettkämpfe außerhalb des Khalifa-International-Stadiums austragen - also Marathon-Läufer und Geher. Hier wird die Absurdität der Doha-Spiele am deutlichsten: Die jeweiligen Rennen werden um 23.30 Uhr (Gehen), bzw. Mitternacht (Marathon) ausgetragen, um zumindest halbwegs erträgliche Bedingungen vorzufinden.
Hitzepillen sollen Athleten kontrollieren
Doch auch zur Geisterstunde wird der Schweiß bei den Athleten in Strömen fließen, so dass der deutsche 20-km-Geher Christopher Linke im südafrikanischen Trainingslager die Doha-Bedingungen mit Laufbandeinheiten vor Heizstrahlern und nassen Handtüchern simulierte.
Der 30 Jahre alte Sportsoldat experimentierte auch mit der hochmodernen "Hitzepille", die der Weltverband IAAF in Doha testet. Ein Sensor, der geschluckt oder wie ein Zäpfchen eingeführt wird, übermittelt die exakte Körpertemperatur an ein Handy, sodass die Sportler jederzeit überwacht werden können.
"Die Kapseln werden nur für Läufer im Ausdauerbereich ab 10 000 Meter, Marathon und Gehen angewendet", erklärt Gonschinska. "Ich glaube schon, dass sich jeder individuelle Athlet unterschiedlich mit besonderen Bedingungen auseinandersetzt. Auf die Ergebnisse bin ich daher gespannt."
Die Erkenntnisse von Doha sollen dann in die Vorbereitungen zu den Olympischen Spielen in Tokio einfließen, die im Juli 2020 unter ähnlichen klimatischen Bedingungen über die Bühne gehen werden.
Wüstenmütze mit Eisfach
Geher Dohmann setzt für sein Rennen am kommenden Freitag lieber auf weniger ausgefallene Kniffe: "Unser Arzt hat eine Wüstenmütze entworfen, die ist oben offen und hat im Nacken ein Fach, in das man Eis reintun kann."
Der Großteil der Sportler wird während ihrer Wettkämpfe von der Hitze allerdings verschont bleiben: Dank modernster Technik wird die Innentemperatur des Stadions auf angenehme 23 Grad herunter gekühlt.
Das birgt allerdings andere Gefahren, wie Gonschinska erklärt: "Als Risikofeld ist der Übergang zwischen Hitze, hoher Luftfeuchtigkeit und klimatisierten Räumen einzuordnen. Und wir wissen ja auch, dass das Stadion gekühlt sein wird und dass ein Großteil der Disziplinen unter diesen gekühlten Bedingungen stattfinden wird."
Die Athleten wurden angewiesen, sich nicht dem ständigen Wechsel zwischen der Hitze Dohas und den klimatisierten Räumen auszusetzen. Hindernisläuferin Gesa Krause verriet SPORT1, sie werde sich auf ihren Wettkampf am Samstag auf dem Laufband vorbereiten und alle Freiluft-Aktivitäten auf ein Minimum beschränken.
Holzdeppe: "Ich freue mich auf Doha"
"Das medizinische Kompetenzteam hat sich umfassend auf diese Situation vorbereitet", sagt Gonschinska. "Es geht um Pre-Cooling, es geht um Verweildauer in der Hitze, es geht um das Management des Wechsels zwischen hoher Luftfeuchtigkeit und Hitze, sowie Trockenheit und Kälte in den klimatisierten Bereichen."
Bei so vielen Warnungen und Vorkehrungen gibt es aber tatsächlich auch Athleten, die sich mit den Bedingungen im Wüstenstaat wunderbar arrangieren.
"Ich freue mich auf Doha", sagt Stabhochspringen Raphael Holzdeppe bei SPORT1. "Das Einzige ist, dass man eine Klimaanlage im Stadion eingebaut hat. Ich finde, dass wir eine Sommersportart sind, da braucht man keine Klimaanlagen. Ansonsten habe ich nichts gegen Doha, ich mag warme Orte mit heißem, trockenen Wetter."