Für Bret “The Hitman” Hart und Stone Cold Steve Austin, zwei der größten Wrestling-Stars aller Zeiten, war er ein Weggefährte im Ring und ein Freund außerhalb.
Tod vor WWE-Match: Pillmans Tragödie
Vielen weiteren Kollegen ist er in Erinnerung als einer, der selbst einer der größten Wrestling-Stars aller Zeiten hätte werden können: “Flyin‘“ Brian Pillman war ein Top-Athlet, ein leidenschaftlicher Handwerker und ein kreativer Kopf mit zahlreichen revolutionären Ideen, die er schon anwandte, bevor sie zum Branchenstandard wurden.
Pillman war mit seinem auch für viele Kollegen undurchschaubaren Charakter als “Loose Cannon” in den Neunzigern ein Wegbereiter und eine frühe Säule der Attitude Era, der erfolgreichsten WWE-Periode aller Zeiten.
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Bevor sich der Erfolg jedoch richtig einstellte, starb Pillman heute Nacht vor 25 Jahren unter dramatischen Umständen, mit nur 35. Sein Leben war von einer schier unglaublichen Menge tragischer Ereignisse geprägt - im vergangenen Jahr bewegend neu ausgeleuchtet in einer vielbeachteten TV-Doku aus der Vice-Reihe „Dark Side of the Ring“.
Brian Pillman als Kind über 30 Mal operiert
Schon als kleines Kind war das Leben Pillmans, der am 22. Mai 1962 in Cincinnati geboren wurde, überschattet.
Sein Vater starb an einem Herzinfarkt, als er drei Monate alt war, er selbst verbrachte einen Großteil seiner frühen Kindheit im Krankenhaus. Pillman litt unter großen Problemen mit Polypen im Halsbereich, wegen der er über 30 Operationen über sich ergehen lassen musste - die auch der Grund für seine charakteristische raue Stimme waren.
Trotz seiner gesundheitlichen Probleme tat er sich sportlich hervor, war als Footballer ungeachtet seiner vergleichsweise geringen Körpergröße von 1,83 Metern kurz vor dem Sprung in die NFL.
Wechselhafte Karriere bei WCW
1986 lernte Pillman bei Stampede in Kanada, der von Brets Vater Stu Hart gegründeten Promotion, das Wrestling - eine neue Passion, die er sich mit großem Tatendrang und historischer Wissbegierde aneignete.
Drei Jahre danach betrat Pillman beim damaligen WWE-Konkurrenten WCW die nationale Bühne. Seine Karriere dort war ein Wellental mit vielen Höhen und Tiefen. Zu den Höhen gehörten seine wegweisenden Matches mit Japan-Legende Jushin Thunder Liger, seine unterhaltsame Partnerschaft mit Austin als Hollywood Blondes und seine Zeit in der damaligen Inkarnation der legendären "Four Horsemen" um Ric Flair.
Gegen Ende seiner WCW-Zeit kann Pillman auch die Idee, für die er am meisten im Erinnerung bleiben sollte: Er erkannte das aufkeimende Bedürfnis vieler Fans nach intelligenten Drehbuch-Clous, nach dem Spiel mit Insider-Infos, nach „Worked Shoots“, die Realität und Fiktion vermischten - nicht zuletzt durch seine Freundschaft mit dem bis heute einflussreichen Wrestling-Journalisten Dave Meltzer (Wrestling Observer).
Pillman ersann die Figur der “Loose Cannon”. Wörtlich übersetzt: eine aus der Fassung geratene Bordkanone, die unkontrolliert auf einem Schiff hin- und herrollt - und deren Pulver jederzeit zu explodieren droht.
"Loose Cannon" - ein revolutionärer Charakter
Pillman porträtierte - auch hinter den Kulissen vor den größtenteils ahnungslosen Kollegen - einen Psychopathen, der dabei war den Verstand zu verlieren und durch sein seltsames Verhalten scheinbar auch seinen Job.
Die Story gipfelte in einem Match mit dem auch als Kreativ-Booker aktiven Kevin Sullivan - neben Ligaboss Eric Bischoff einer der wenigen Mitwisser. Pillman brach den Kampf vor laufender Kamera ab und warf Sullivan in Anspielung auf seine reale Rolle die Worte „I respect you, booker man“ hin (Eric Bischoff: Aufstieg und Fall des WWE-Erzfeinds).
Bischoff ging so weit, Pillman zum Schein rauszuwerfen und ihn bei Paul Heymans eigentlich mit WCW verfeindeten Kultliga ECW auftreten zu lassen, mit dem Endziel eines großen Überraschungs-Comebacks (zu dem es nie kommen sollte).
Pillmans Umtriebe erinnerten an die Anarcho-Stunts des ebenfalls mit der Wrestling-Branche verwobenen (und ebenfalls viel zu früh verstorbenen) Komikers Andy Kaufman. Anders als Kaufman verlor Pillman jedoch die Kontrolle über seine Inszenierung.
Verheerender Autounfall vor Wechsel zu WWE
Am 15. April 1996 baute ein von beruflichem und privaten Stress übermüdeter Pillman einen folgenschweren Autounfall: Er schlief am Steuer seines Hummer-Geländewagens ein, kollidierte mit einem Baumstamm und überschlug sich mehrfach. Pillman lag eine Woche im Koma, erlitt schwere Verletzungen im Gesicht und einen Trümmerbruch des Knöchels.
Zwei Monate später wechselte Pillman tatsächlich den Arbeitgeber, unterschrieb bei WWE (damals WWF), wo er seinen Charakter als "Tickin' Timebomb" wiederaufnahm und auch den alten Weggefährten Hart und Austin wieder begegnete.
Pillman wurde Teil der nicht nur wegen ihm tragisch umwehten Hart Foundation um den "Hitman", seine Fehde mit Austin blieb vor allem wegen einer berühmten Grenzüberschreitung in Erinnerung: Bei einem RAW-Segment, in dem Austin in Pillmans Haus einzudringen versuchte, richtete Pillman eine Pistole auf den Rivalen, sogar Schüsse wurden angedeutet.
Trotz seiner schweren Verletzung kämpfte sich der anfangs als Kommentator eingesetzte Pillman noch in den Ring zurück - ehe am 5. Oktober 1997 die Schocknachricht kam: Während der Großveranstaltung In Your House: Badd Blood teilte Ligachef Vince McMahon mit, dass Pillman gestorben war.
Todesursache: Infarkt nach unerkanntem Herzfehler
Pillman, der an dem Abend ein Match gegen Dude Love (Mick "Mankind" Foley) hätte bestreiten sollen, war wenige Stunden vor Eventbeginn tot in seinem Hotelzimmer in Bloomington, Minnesota aufgefunden worden.
Die Autopsie ergab, dass Pillman eine nicht diagnostizierte Herzschwäche hatte, die er wohl von seinem früh verstorbenen Vater geerbt hatte. Er erlag einem Infarkt, dessen tödlicher Ausgang auch durch andere Faktoren mitverursacht gewesen sein könnte.
Steroidmissbrauch kann etwa eine Rolle gespielt haben: Als Footballer flog Pillman damit auf, auch im Wrestling hat er ihn nach Angaben seines Freundes Meltzer betrieben - obwohl ihm die gesundheitlichen Risiken bewusster als vielen anderen gewesen seien.
Pillman nahm wegen der Folgen seines Unfalls zudem auch zahlreiche Schmerzmittel ein, sein gesundheitlicher Allgemeinzustand galt als besorgniserregend.
In seinem Nachruf für Pillman stellte Meltzer heraus, dass Pillman auch seelisch stark angegriffen war: Er hätte sich nach seinem Unfall selbst stark unter Druck gesetzt, aus persönlichem Ehrgeiz und auch aus Sorge um die finanzielle Sicherheit seiner Familie.
Sohn Brian Pillman Jr. heute bei AEW aktiv
Pillman trug infolge eines auch privat bewegten Lebens die Verantwortung für fünf Kinder (unter ihnen der nun beim WWE-Rivalen AEW aktive Brian Pillman Jr.), ein sechstes kam nach seinem Tod zur Welt.
Brian Jr. stammte aus der krisenreiche Ehe mit Frau Melanie, einem früheren Penthouse-Nacktmodel, das vorher Freundin des Ultimate Warrior war, beide hatten auch zwei eigene Kinder aus früheren Beziehungen. Die Mutter von Pillmans ersten beiden Kindern hatte Drogenprobleme und beging schließlich Suizid - eine weitere Tragödie, die Pillman schwer mitgenommen hatte. Im Juni 2022 starb auch Melanie Pillman nach langjährigen Drogenproblemen mit 56 Jahren.
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Anmerkung der Redaktion: Wenn Sie sich selbst von Depressionen und Suizidgedanken betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (http://www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in zahlreichen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.
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Pillman war bei weitem nicht der einzige Wrestling-Star seiner Zeit, der tragisch früh verstarb - außer Bret sind mittlerweile auch alle anderen Mitglieder der Hart Foundation tot: Brets Bruder Owen Hart stürzte 1999 bei einem missglückten Einlauf-Stunt in den Tod, Schwager "British Bulldog" Davey Boy Smith erlitt 2002 ebenfalls einen tödlichen Herzinfarkt, Jim "The Anvil" Neidhart erkrankte an Alzheimer und starb 2018.
Die Heftigkeit, mit der Pillman schon vorher vom Schicksal gebeutelt war und auch die Art und Weise, wie sein wahres Leben zum Spiegel seines Ringcharakters wurden, machten seine Geschichte noch einmal besonders beklemmend.
Sein früherer WWE-Vertrauter Jim Cornette fasst es in der Doku so zusammen: “Sein Privatleben hat ihn verrückt gemacht, auf der Arbeit sollte er den Verrückten spielen - und irgendwo dazwischen ist er wahrscheinlich wirklich verrückt geworden.”