Er kündigte an, die mexikanische Nationalhymne auf seinem Dudelsack zu spielen und trug stattdessen "La Cucaracha" vor. Er beleidigte den fidschianischen Publikumsliebling Jimmy Snuka und schlug ihn mit einer Kokosnuss nieder. Und er malte sich schwarz an, als er gegen einen afroamerikanischen Wrestler-Kollegen in den Ring stieg.
WWE hat Skandal-Match gelöscht
Die 2015 verstorbene Wrestling-Legende "Rowdy" Roddy Piper - bekannt auch aus dem Kultfilm "Sie leben" und als Vorbild von Ronda Rousey - war ein Mann, der immer wieder für eine Kontroverse gut war. Und nun ist einer seiner am meisten berüchtigten Einfälle auch noch sechs Jahre nach seinem Tod Anlass für einen großen Konflikt.
WWE hat sein Match gegen Bad News Brown bei WrestleMania VI im Jahr 1990 - bei dem Piper eine Hälfte seines Körpers schwarz eingeschmiert hatte - aus ihrem Streaming-Portal WWE Network herausgeschnitten und damit die eigene Fangemeinde gespalten.
"Cancel Culture" bei WWE? Die Showkampf-Promotion hat nun ihren eigenen Ableger des großen Kulturkampfs um die Frage wie umzugehen ist mit historischen Inhalten, die die Grenzen von heute überschreiten.
Auch N-Wort-Segment mit Vince McMahon und John Cena gelöscht
In anderen Sparten gab und gibt es ähnliche Konflikte etwa um das N-Wort in den Pippi-Langstrumpf-Büchern oder auch einen darum kreisenden Witz in "Otto - der Film". Und auch bei WWE gibt es ein zweites, ähnlich gelagertes Segment, das nun der virtuellen Schere zum Opfer gefallen ist.
Bei den Survivor Series 2005 nahm Ligaboss Vince McMahon (weiß) das N-Wort in den Mund, um seinen Star John Cena (weiß) anzukumpeln ("my n***a") - was als Gag gedacht war, auf den Cenas afroamerikanischer Kollege Booker T kopfschüttelnd reagierte und seinen Standardspruch abließ: "Tell me you didn't just say that" (Sag mir bitte, dass du das grad nicht gesagt hat).
Als guten Witz hatte das schon damals bei weitem nicht jeder empfunden, seitdem ist die Tabuisierung des N-Worts nochmal deutlich weiter fortgeschritten. Auch Booker T hat 2015, im Zuge des Rassismus-Skandals um Hulk Hogan, für jegliche Verwendung des Ausdrucks vor der Kamera um Entschuldigung gebeten - während WWE sich damals noch rechtfertigte, dass der McMahon-Spruch doch offensichtlich als "eigenwilliger und satirischer Sketch" zu erkennen gewesen sei.
Umzug des WWE Network zu Peacock als Auslöser
Nun hat WWE den Sketch und das Piper-Match plus das vorangehende Promo-Interview mit "Mean" Gene Okerlund nun selbst in den Giftschrank verbannt. Ein in dieser Form beispielloser Vorgang, für den offensichtlich eine Veränderung der Verantwortlichkeiten beim Network der Auslöser war: Im Zuge eines milliardenschweren Deals mit dem TV-Partner NBC Universal zieht es in den USA gerade auf dessen Streaming-Dienst Peacock um.
Der mächtige TV-Verbund prüft die Inhalte nun strenger: Man begutachte "die WWE-Inhalte, um sicherzustellen, dass sie den Standards von Peacock entsprechen", teilte er der New York Times mit.
WWE selbst spricht fast wortgleich von einem gemeinsamen Prozess, "um sicherzustellen, dass alle vergangenen Inhalte unseren Standards von 2021 entsprechen" - dementsprechend sind das Piper-Match und der McMahon-Spruch auch von der internationalen Version des Network und damit auch für deutsche Fans gelöscht.
Reizthema Blackfacing
Konkrete Kommentare, um welche Segmente es geht und warum sie den neuen Standards nicht entsprochen haben, gibt es von keiner der beiden Unternehmen. Leicht zu entschlüsseln ist es letztlich jedoch in beiden Fällen: Pipers Auftritt ist eine Form von "Blackfacing". Das Anmalen weißer Personen, um Schwarze nachzuahmen, ist - heute mehr noch als damals - als rassistisch verpönt.
Während über diese Deutung in Deutschland teilweise noch diskutiert wird ("Kulturelle Aneignung über Hautfarben und ethnische Grenzen hinweg muss möglich sein" meinte zuletzt etwa Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse im Deutschlandfunk), sind die Fronten in den USA klarer.
Das "Blackfacing" war dort einst Bestandteil der so genannten "Minstrel Shows", in der sich Weiße zur Unterhaltung des Publikums als Klischee-Schwarze mit überzeichneten Körpermerkmalen verkleideten. Ein harmloser Spaß aus Interesse an der afroamerikanischen Kultur war das nie, es ging um Spott und Herabwürdigung - entsprechend vergiftet ist alles, was an die unselige Tradition erinnert.
Roddy Piper wollte eigenwillige Botschaft vermitteln
Pipers auch schon damals umstrittener WrestleMania-Auftritt im Windschatten des berühmten Hauptkampfs zwischen Hulk Hogan und dem Ultimate Warrior hatte nach eigenen Angaben ein anderes Ziel: Er trat damals als Publikumsliebling auf und Brown als Bösewicht, der seine Herkunft aus einem Problemviertel des New Yorker Stadtteils Harlem betonte und den Ghetto-Schläger mimte.
Piper verkaufte seine Bemalung als Hinweis darauf, dass es egal sei, ob jemand schwarz oder weiß sei, die innere Einstellung zähle. Er sei nicht wegen seiner Hautfarbe mit Brown verfeindet, sondern weil er ein "jerk" und ein "bully" sei, ein bösartiger Idiot.
Was bei wohlmeinender Deutung also eine Art Plädoyer sein sollte, dass die Hautfarbe keine Rolle spielen sollte, hatte bei näherer Betrachtung allerdings doch fragwürdige Untertöne - etwa, als Piper in einem Vorab-Interview einen afroamerikanischen Akzent imitierte und seine "schwarze Seite" betonte, indem er "Beat it, beat it" vor sich hinsagte.
Gegner Bad News Brown nannte Piper "Rassisten"
Der 2007 verstorbene Brown (bürgerlich: Allen Coage) deutete Pipers Aktion auch im wahren Leben nicht wohlmeinend. In einem späteren Interview mit Title Match Network nannte er Piper einen "Rassisten" und dessen Auftritt als "eine der dümmsten Sachen, die ich je gesehen habe". Der bis heute amtierende WWE-Boss Vince McMahon hätte es aber als "großartige Idee" empfunden.
Er selbst sei damals zwar nach seiner Meinung gefragt worden, hatte aber wohl nicht den Eindruck, dass sie eine Rolle gespielt hätte. Er hätte schlicht sarkastisch geantwortet "Jaja, klingt toll, Vince", der Auftritt wurde durchgezogen.
Warum Brown mitmachte? "Ich hab mir gedacht: Lass ihn nur machen, eines Tages wird ihn ein Bruder in die Finger kriegen und dann wird's ihm leidtun." Er sei froh gewesen, dass sein Programm mit Piper nach WrestleMania beendet gewesen wäre: "Ich hätte ihm wohl irgendwann in den Arsch getreten und wäre gefeuert worden."
Piper selbst hat sich von Rassismus-Vorwürfen nie angesprochen gefühlt. Im Jahr vor seinem Tod hatte er sich auch noch über den Hogan-Skandal gewundert - und die Meinung vertreten, dass Wrestler "überhaupt gar keine Zeit haben, Rassisten zu sein".