Er war ein Weggefährte des Schweizer WWE-Stars Cesaro und diverser anderer Größen des Wrestling-Geschäfts.
Das Drama hinter einem Ringmärchen
Seine eigene Karriere allerdings kam fast 18 Jahre lang nie über einen gewissen Punkt hinaus und stand vor einem unwürdigen Ende - ehe seine Geschichte eine märchenhafte Wendung nahm.
Eddie Kingston war im vergangenen Jahr ein in Geldnot geratener Independent-Veteran, der seine Ringkleidung und diverse Andenken zum Verkauf stellen musste, um noch seine Miete bezahlen zu können. Ihm drohte ein bitterer persönlicher Abstieg zurück in die schwierigen Verhältnisse, in denen er aufgewachsen war.
Ein unverhofftes Engagement beim WWE-Rivalen AEW änderte alles. Und zusammen mit seinem alten Kumpel Jon Moxley - dem ehemaligen Dean Ambrose - schrieb er mit 39 Jahren noch eine Erfolgsgeschichte, die alle Erwartungen übertraf. Und die in dieser Woche unter neuen Vorzeichen fortgeschrieben wurde.
Eddie Kingston sticht WWE-Topstars bei großem Award aus
Kingston und Moxley lieferten sich im vergangenen Jahr bei AEW eine als bittere Hassfehde erzählte Rivalität, die viele Fans der Promotion wie kaum eine andere bewegte.
Bei den Wrestling Observer Newsletter Awards, der bekanntesten ligenübergreifenden Fanabstimmung der Showkampf-Welt, wurde die Story zur Fehde des Jahres gewählt – und der charismatische Kingston schnappte Moxley, dem Wrestler des Jahres, auch den Nebenpreis als "Best on Interviews", als bester Redner der Branche weg (Roman Reigns wurde als bester WWEler Siebter).
Kingston erlebte einen Karriere-Höhepunkt, weil es ihm und seinem Arbeitgeber gelang, seine dramatischen persönlichen Geschichte zu einer emotionalen Ringerzählung zu verweben.
Jugendlicher Schläger in New York
Kingston, am 12. Dezember 1981 als Eddie Moore im New Yorker Stadtteil Yonkers geboren, beschrieb seine Kindheit und Jugend in der New York Post als einen ewigen Kampf.
Weil er nicht nur irische, sondern auch puertoricanische Wurzeln hatte, sei er in seiner mehrheitlich weißen Nachbarschaft viel Rassismus ausgesetzt gewesen - und hätte seine Wut über persönliche Benachteiligungen nicht in die richtigen Bahnen gelenkt.
"In der sechsten, siebten Klasse habe ich angefangen mit der Einstellung: Der nächste, der sich über mich lustig macht, dem haue ich eine rein", berichtete Kingston, der ein "Schläger" gewesen sei. Sein hitziges Temperament brachte ihn in Konflikt mit Freunden, dem Gesetz und sorgte auch dafür, dass er aus seiner ersten Wrestling-Schule flog - aber es wurde dann auch zum Schlüssel für seine weitere Karriere.
WWE hatte nie Interesse
Kingstons Ringcharakter sei eine überdrehte Version seines 17-jährigen Selbst, heißt es in dem Post-Porträt. Die Rolle seines Lebens füllt der Rap- und Gangsterfilmfan Kingston dabei mit einer emotionalen Glaubwürdigkeit aus, die ihn aus der Masse hervorstechen ließ.
Der Schüler der Independent-Größen Chris Hero (Kassius Ohno bei WWE) und Mike Quackenbush (im vergangenen Jahr über Vorwürfe der #SpeakingOut-Bewegung gestolpert) feierte in Quackenbushs kleiner, aber wegen ihres speziellen Charmes lange kultisch verehrten Liga CHIKARA erste Erfolge.
Er entwickelte sich - ähnlich wie zum Beispiel sein CHIKARA-Kollege Cesaro (damals: Claudio Castagnoli) – zu einem gefragten Independent-Phänomen. Anders als Cesaro zog er jedoch nie das Interesse von WWE auf sich - und weil es im Mainstream lange keine Alternative gab, schien sein Weg auf eine größere Bühne daher verbaut.
AEW griff zu - Rücktrittsgedanken erledigten sich
WWE öffnete sich vor rund zehn Jahren zwar für viele Kollegen Kingstons, Kingston selbst aber passte immer noch nicht ins Raster: Er war nie ein muskulöser Modellathlet, schleppte oft Übergewicht mit sich herum - was ihm den Vorwurf von Einstellungsmängeln einbrachte -, nach eigenen Angaben hat ihm zudem auch "mein großes Maul" einige Chancen verbaut.
Mit zunehmendem Alter kamen bei Kingston Rücktrittsgedanken auf, ein Angebot, bei WWE als Nachwuchstrainer zu starten, bot ihm die Möglichkeit, sein Auskommen zu sichern. Kingston setzte sich selbst eine Einjahres-Frist, den Durchbruch zu schaffen oder hinzuwerfen - und der Ausbruch der Coronakrise, wegen der praktisch alle Ligen, zwischen denen er bis dahin pendelte, den Betrieb einstellen mussten, wirkte wie ein Schicksalswink, es gut sein zu lassen.
Stattdessen jedoch klopfte AEW an und engagierte Kingston für ein Match gegen TNT-Champion Cody Rhodes im Juli 2020 - und sein Auftritt überzeugte so sehr, dass er vom Fleck weg engagiert wurde.
Persönlich gefärbte Fehde mit Jon Moxley
Seine Titelfehde gegen Moxley war eigentlich nur eine Option für den Hinterkopf, die dann aber wegen einer Corona-Infektion von Moxleys damaligem Rivalen Lance Archer vorgezogen wurde - und zu Kingstons großer Stunde wurde.
Kingston stellte sich in der Fehde als von Verbitterung zerfressenen Neider dar, der Moxley vorhielt, seine Wurzeln verraten und sich von WWE für die große Karriere hätte weichspülen lassen (was Moxley in Teilen auch selbst so sieht), während er sich treu geblieben wäre und den Preis dafür bezahlt hätte.
Kingston und Moxley flochten viel persönliche Geschichte in die Rivalität ein, unter anderem auch Kingstons Verhältnis zu seiner Mutter, seine Kinderlosigkeit und einen Tribut an "Sweet and Sour" Larry Sweeney, Ringrivale und guter Freund Kingstons und ein ähnlich charismatisches Talent, das sich 2011 infolge von Depressionen das Leben nahm (Wenig später verlor Kingston durch den tragischen Tod von Brodie Lee einen weiteren Wegbegleiter).
Moxley und Kingston nun Partner bei AEW
Von der zunächst wie eine Notlösung anmutenden Titelfehde profitierte letztlich auch Sieger Moxley ungemein, das Zusammenspiel mit Kingston verlieh ihm eine neue Charaktertiefe, rundete sein MVP-Jahr 2020 perfekt ab.
Nicht verwunderlich daher, dass AEW sich nun entschieden hat, an die Story anzuknüpfen: Die beiden treten nun als Partner auf, nachdem Kingston bei Revolution vor dem Versuch eines Explosions-Attentats von World Champion Kenny Omega rettete.
Der ungeplante Fehlschlag des Explosions-Effekt überschattete zwar diese Inszenierung und mit einer Fehlimprovisation machte dabei auch Kingston - der trotz der Fehlzündung so tat, als wäre die Detonation markerschütternd gewesen - keine gute Figur.
Mittlerweile hat Kingston jedoch auch daraus eine Story gemacht und seine Reaktion als Folge eines Knast-Traumas dargestellt - und angefügt, dass Omega noch zu spüren bekommen werde, was seine Vergangenheit sonst noch mit ihm gemacht hätte.
Eddie Kingston wird offensichtlich weiterhin eine tragende Rolle bei AEW spielen. Seine späte Erfolgsgeschichte dürfte noch um einige Kapitel reicher werden.