Seine Aura wirkt wie eh und je - erst in diesem Jahr hat er es eindrucksvoll bewiesen.
Der Schlüsselmoment einer WWE-Ära
Ein Nostalgie-Comeback beim alten Arbeitgeber WWE wurde im Frühjahr zum absoluten Triumphzug für „Stone Cold“ Steve Austin, das Match der Legende gegen Kevin Owens bei der Megashow WrestleMania begeisterte die über 70.000 Fans wie zu seinen besten Zeiten.
Die „Texas Rattlesnake“ hat das Vermögen des Wrestling-Imperium vermehrt wie kaum ein anderer, die „Attitude Era“, die erfolgreichsten Zeit der Liga, prägte er noch mehr als sein heute noch berühmterer Rivale Dwayne „The Rock“ Johnson. (Wie die WWE-Karriere von The Rock als Flop begann)
Ein Schlüsselmoment, nein: DER Schlüsselmoment auf dem Weg dorthin geschah heute vor 26 Jahren: Austins Sieg beim King of the Ring 1996 und seine zum Mythos gewordene „Austin 3:16 Promo“ im Anschluss.
Dass Austin sich von diesem Punkt aus zum größter Star seiner Zeit entwickeln würde, ahnte damals noch kaum jemand. Mehr noch: Es gab überaus prominente Kritiker, die der Ansicht waren, dass Austin nur einer von vielen war.
Hulk Hogan soll Steve Austin nicht viel zugetraut haben
Unglaublich aus heutiger Sicht: Ein Jahr vor seinem Meilenstein wurde Austin vom damaligen WWE-Rivalen WCW als vermeintlich verzichtbar abgestempelt und gefeuert.
Auch damals sorgte die Personalentscheidung von Ligaboss Eric Bischoff für gewisse Verwunderung: Als „Stunning“ Steve Austin hatte sich der damals noch blond behaarte 30-Jährige durchaus schon als einer der spannendsten Wrestler seiner Generation hervorgetan.
Der am 18. Dezember 1964 in Victoria geborene Austin (bürgerlich: Steve Anderson, später Williams, heute auch offiziell Austin) war ein exzellenter Ringhandwerker, der als potenzieller Erbe des großen Ric Flair gesehen wurde - und dass er auch zu unterhalten wusste, bewies er unter anderem als Teil des vielgelobten Tag Teams "The Hollywood Blonds" mit dem tragisch früh verstorbenen Weggefährten Brian Pillman.
Warum er dennoch gehen musste? Der gut vernetzte Wrestling Observer Newsletter erklärte es damals so: Austin sei "nicht gerade schweigsam gewesen, was seine Unzufriedenheit über die Art und Weise anging, wie er eingesetzt wurde".
Austin hätte auch unter dem Einfluss des damals frisch verpflichteten Hulk Hogan gelitten: „Als das Hogan-Camp an die Macht kam, hat es Austin als zu gut bezahlten Wrestler abgetan: ein guter Worker, aber kein Charisma.“ Keiner also, mit dem sich viel Geld verdienen lassen würde.
Austin rächte sich nach seinem WCW-Aus mit einer giftigen Hogan-Parodie in der damaligen Kultliga ECW - und bewies danach, dass Hogans Einschätzung ein Trugschluss war.
Als "Stone Cold" Schlüsselfigur der Attitude Era
Zwar hatte Austin auch bei der damaligen WWF Anlaufschwierigkeiten, sein erster Charakter als "Ringmaster" mit dem legendären "Million Dollar Man" Ted DiBiase als Manager floppte.
Die Neuerfindung als glatzköpfiger "Stone Cold" (Inspiration war Bruce Willis' Look in "Pulp Fiction") war der Wendepunkt: Austin wurde zum Mann der Stunde, als er das King-of-the-Ring-Turnier 1996 gewann und danach am Mikrofon von Interviewer Dok Hendrix (WWE Hall of Famer Michael Hayes) eine wegweisende Promo-Ansprache hielt.
Austin machte sich auf giftige Weise über den Gottesglauben des unterlegenen Finalisten Jake "The Snake" Roberts lustig ("Talk about your Psalms, talk about John 3:16... Austin 3:16 says I just whipped your ass!") - "Austin 3:16" wurde danach auf Millionen T-Shirts gedruckt, x-fach wiederholt und jedesmal aus tausenden Kehlen mitgegrölt wurde auch Austins Schlusssatz: "And that's the bottom line, 'cause Stone Cold said so."
Um das fluchende Großmaul mit der faszinierenden Mischung aus Aggression und Coolness entwickelte sich ein Kult, den WWE mehr und mehr ins Zentrum ihres Programms rückte.
In einer großen Fehde mit Bret „The Hitman“ Hart - mit dem wohl besten WWE-Match aller Zeiten bei WrestleMania 13 - wurde Austin vom Bösewicht zum Publikumsliebling. Im Jahr darauf besiegte er in einem wirkungsvollen PR-Schachzug mit Hilfe von Gastringrichter Mike Tyson Shawn Michaels und wurde erstmals WWF-Champion. Seine große, wendungsreiche Fehde mit Ligaboss Vince McMahon wurde dann zur großen Gelddruckmaschine der „Attitude Era“ - in der Austin auch in seinen großen Fehden gegen The Rock, den Undertaker und Triple H glänzte.
Austin brach bei WWE alle kommerziellen Rekorde
Austins Popularität entfesselte einen neuen Wrestling-Boom, hob die Quoten der TV-Show Monday Night RAW und die Pay-Per-View-Verkäufe in ungeahnte Höhen, er trieb als Zugpferd der Liga Ex-Arbeitgeber WCW aus dem Geschäft und brach alle denkbaren Box-Office-Rekorde - auch die von Hogan, wie nicht nur McMahon vielfach betonte.
Der Erfolg Stone Colds war beispiellos und die Frage, ob er bei WWE der GOAT, der Größte aller Zeiten vor Hogan, Bruno Sammartino, Rock, John Cena, Brock Lesnar und Roman Reigns war, wird wohl nur noch deshalb diskutiert, weil die Ära Austin von einer schweren Verletzung unfreiwillig verkürzt wurde.
Schon während seines WWE-Aufstiegs schleppte Austin schwere Nackenprobleme mit sich herum, die durch eine Horror-Landung im Match gegen den später tödlich verunglückten Owen Hart beim SummerSlam 1997 verschlimmert worden waren.
Im Jahr 2003 war Austin so lädiert, dass er im für einen Wrestler vergleichsweise jungen Alter von 38 Jahren Schluss machte - nach einem letzten großen Match gegen den großen Rivalen The Rock bei WrestleMania XIX.
Skandale um häusliche Gewalt als dunkler Schatten
Die Popularität des Phänomens Austin bei WWE-Fans ist ungebrochen: Seine regelmäßigen Nostalgie-Auftritte, in denen er wie ehedem Bier trinkt, Sprüche klopft und Stone Cold Stunner verteilt, sorgen jedesmal für Jubelstürme und Quotenschübe.
Die Beziehung zwischen Austin und WWE hatte dabei auch hässliche Tiefen - 2002 verließ er die Liga zwischenzeitlich im bitteren Streit, als er sich weigerte, zum damaligen Zeitpunkt gegen den jungen Brock Lesnar zu verlieren.
Auch privat offenbarte Austin damals dunkle Seiten: Zwei Ex-Partnerinnen warfen ihm häusliche Gewalt vor, unter anderem seine frühere Ehefrau und WWE-Managerin Debra Marshall. In ihrem Fall kam es 2002 zu einer Verurteilung, Austin kassierte eine einjährige Bewährungsstrafe. Brisant außerdem: Marshall warf WWE vor, einen Gewaltakt gegen sie vertuscht zu haben und brachte ihn in Verbindung mit „Roid Rage“ - Missbrauch von Steroiden hätte Austin demnach psychisch aus dem Gleichgewicht gebracht.
Nach der aktiven Karriere: Filme, Serien, ein Podcast
Seit mehr als 15 Jahren ist es nun aber ruhig geworden um das persönliche Leben von Austin, der seit 2009 in vierter Ehe mit Frau Kristin zusammenlebt und eine Ranch in Nevada sein eigen nennt.
Austin tauchte in diversen Action-Filmen (unter anderem "The Expendables"), Serien ("Nash Bridges", "Celebrity Deathmatch") und TV-Shows auf, er moderiert auch die "Broken Skull Sessions", eine regelmäßige Interview-Show auf dem WWE Network und einen Podcast.
Auch der frühere Kritiker Hogan war dort schon zu Gast, Austin und er haben ihren Frieden gemacht und ihn bei der Supershow WrestleMania 30 2014 (ein Jahr, bevor Hogans Rassismus-Skandal ihn in Verruf brachte) demonstrativ bei einem gemeinsamen Bier mit The Rock begossen.
Dass Austin mittlerweile auf einer Stufe mit seinem einstigen Kritiker steht, daran bestand aber schon vorher längst kein Zweifel mehr.