"The greatest trick the devil ever pulled was convincing the world he didn't exist."
Als Punk ein WWE-Beben vorwegnahm
Film-Freunde kennen das Zitat aus "Die üblichen Verdächtigen" - und den Schluss-Clou um die Identität des Oberbösewichts Keyser Soze, den es umrahmt.
Bei langjährigen Wrestling-Fans weckt der Satz aber auch eine andere Erinnerung: Er war - in leicht abgeänderter Form - die Schlüsselstelle bei einem der größten und besten Auftritte von Kultstar CM Punk heute vor 15 Jahren.
Der spätere Rivale von John Cena nahm damals vieles von dem vorweg, was später seinen großen Erfolg bei WWE begründete. Und das alles, noch ehe er überhaupt beim Showkampf-Marktführer aktiv geworden war.
CM Punk stach schon vor WWE-Engagement bei ROH vor
Am 18. Juni 2005 bestritt der damals 26 Jahre alte Punk sein scheinbar letztes großes Match für Ring of Honor, die damals stilbildende US-Independent-Liga.
Im Jahrzehnt nach ECW (Extreme Championship Wrestling) und dem Höhepunkt der Attitude Era rückte ROH damals ins Zentrum, was vorher im Mainstream-Bereich nicht immer der wesentliche Punkt war: das Wrestling an sich. Junge Talente wie Samoa Joe, Bryan Danielson (Daniel Bryan) und AJ Styles begeisterten ihr Publikum mit ambitionierter und handwerklich hochwertiger Ring-Action.
Aus dem All-Star-Feld späterer WWE-Größen stach Punk (bürgerlich: Phil Brooks) aber nochmal hervor: Neben wrestlerischer Klasse bot er schon damals Superstar-Aura, einen einprägsamen Charakter und rhetorisch ebenso scharfe wie glänzende Promo-Ansprachen.
Große Fehde mit Raven war Vorbote
Punk schloss sich der frisch gegründeten Liga im Jahr 2002 an, nachdem er zuvor schon in kleineren Ligen wie IWA Mid-South mit sehenswerten Fights gegen Indy-Größen wie Colt Cabana, Christopher Daniels und vor allem Chris Hero (Kassius Ohno bei WWE) auf sich aufmerksam gemacht hatte - und auch mit einem Match gegen den zwischenzeitlich von WWE gefeuerten Eddie Guerrero.
Bei ROH bestritt Punk zunächst eine große Fehde mit Raven, mit seinem Grunge-Charakter und der denkwürdigen Rivalität mit Tommy Dreamer einer Schlüsselfiguren des ECW-Kults. Im Kontrast zu seinem lange von realen Alkohol- und Drogenproblemen geplagten Gegenspieler inszenierte Punk seinen Straight-Edge-Charakter, basierend auf seiner tatsächlichen Ablehnung jeglicher Rauschmittel - und thematisierte auch den persönlichen Hintergrund dieser Einstellung: seinen alkoholkranken Vater, mit dem er Raven verglich.
Punks bösartige Übermoral ("Straight Edge means I'm better than you") war später auch Kernelement seiner WWE-Fehde mit dem ähnlich skandalbehafteten Jeff Hardy, der alkoholkranke Vater sollte noch eine Rolle in seiner bei WrestleMania 28 gipfelnden Feindschaft mit Chris Jericho spielen. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass Punk bei ROH Ideen durchspielte, die er später auf größerer Bühne wieder hervorholte und variierte.
Völlig überraschend noch Champion
Der Hype, den der zum absoluten Publikumsliebling avancierende Punk am Mikrofon und im Ring kreierte - vor allem die Titelfehde mit Samoa Joe festigte seinen Ruf -, ließen WWE kaum eine andere Wahl, als Punk zu engagieren.
Im Juni 2005 unterschrieb Punk, ein Titelmatch gegen den inzwischen amtierenden World Champion Austin Aries (später bei WWE unter Wert verkauft) schien seine Abschiedsvorstellung zu sein. Doch der Kampf bei der Show Death Before Dishonor IV endete völlig unerwartet: Punk siegte und gewann den Titel!
Die anwesenden Fans waren aus dem Häuschen - und bekam dann Teil 2 der Überraschung serviert: Punk wandte sich gegen sie.
"Pipe Bomb" schon 2005 gezündet
In einer metaphernreichen Ansprache verglich Punk sich mit einem Puppenspieler, der die jubelnden Fans wie Marionetten gesteuert hätte, mit einer Schlange, die von ihnen in unbedarfter Naivität genährt worden sei ("You stupid old man, I'm a snake"). Er sei der Teufel, der die Menschen überzeugt hätte, dass er keiner sei:
"The greatest thing the Devil ever did was make you people believe he didn't exist - and you're looking at him right now."
Auch Punks legendär gewordener Vergleich, dass das Mikrofon in seinen Händen eine Rohrbombe sei, fiel in der Rede übrigens schon.
Punks "Pipe Bomb" von damals hatte viel gemeinsam mit der, die er sechs Jahre darauf bei WWE zündete - und auch die anschließenden Storys glichen sich in ihrer konstvollen Vermischung von Fiktion und Realität: Nach dem Überraschungssieg 2005 drohte Punk, den Gürtel zu WWE mitzunehmen und ihn dort in den Müll zu werfen wie einst Madusa / Alundra Blayze ihren WWE-Damengürtel bei WCW. Die Publikumslieblinge von ROH setzten in den Wochen darauf alles daran, das zu vereiteln.
Im spannungsgeladenen "Summer of Punk" verteidigte der abtrünnige Champion den Gürtel jedoch gegen Jay Lethal, Roderick Strong, James Gibson (Jamie Noble) und Christopher Daniels - ehe Gibson Punk in einem Vierkampf mit Daniels und Joe doch noch entthronte.
Doch noch ein Comeback bei WWE?
Mit einem emotionalen Match gegen seinen Weggefährten und Freund Cabana beendete Punk schließlich sein Engagement bei ROH und heuerte kurz darauf bei der damaligen WWE-Farmliga OVW an - wo er erstmals mit dem früheren ECW-Promoter Paul Heyman zusammenarbeitete, einem weiteren Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Jeder, der Punk damals miterlebte, bekam eine klare Ahnung, was er bei WWE noch in Gang bringen sollte - und weiß, was seine Fans vermissen, seit er 2014 einen geräuschvollen Abgang bei WWE hinlegte, seine Ringkarriere beendete und sich erfolglos als realer Kämpfer bei der UFC versuchte.
Noch lebt die Hoffnung, dass sein Halb-Comeback als TV-Analyst der WWE-Shows in einer richtigen Ring-Rückkehr münden könnte - die Punk inzwischen nicht mehr ausschließt. Sollte es je zu diesem Moment kommen, sind seine "Pipe Bombs" von einst die Messlatte.