Einer der berühmtesten Mordfälle Amerikas. Die Aufsehen erregende Ringpremiere einer neuen WWE-Horrorfigur.
WWE-Move von Mordfall inspiriert
Es gibt ein Detail, welches das Debütmatch von The Fiend, den Höhepunkt des SummerSlam 2019 mit einer realen Schauergeschichte verbindet: Die Mandible Claw, die Spezialaktion des neuen, maskierten Alter Egos von Bray Wyatt, wurde erfunden von einem Mann, der als Hauptfigur eines filmreifen Mysteriums in die Historie einging.
SPORT1 erzählt die unglaubliche Geschichte - in der auch eine WWE-Legende der Neunziger und Hollywood-Superstar Harrison Ford eine Rolle spielen.
Mick Foley machte Mandible Claw populär
Wrestling-Fans, die WWE schon länger verfolgen, kennen die Claw, mit der der Fiend am Sonntag Publikumsliebling Finn Balor klar besiegte: Die Aktion wurde in der Attitude Era populär gemacht von Mick Foley, Hall-of-Fame-Mitglied der Showkampf-Liga.
Der Aufgabegriff, bei der der Angreifer seinem Opfer mehrere Finger unter die Zunge steckt, um ihm das Bewusstsein zu rauben, war integraler Bestandteil des Charakters Mankind, mit dem Foley in den Neunzigern sein Debüt in der damaligen WWF feierte und eine große Fehde gegen den Undertaker bestritt. Der Fiend führte die Aktion vor einigen Wochen passenderweise mit einer Attacke auf Foley ein.
Was allerdings auch viele Fans von einst nicht wissen: Foley hat den Move (den er später mit der Sockenpuppe Mr. Socko zu einer Comedy-Nummer umarbeitete) nicht selbst kreiert. Er hat ihn übernommen von Dr. Sam Sheppard, einem Neurochirurgen, der in den fünfziger und sechziger Jahren im Zentrum einer der spektakulärsten Kriminalfälle der Nachkriegszeit stand.
Fall von Sam Sheppard erinnerte an "Auf der Flucht"
Der gut situierte Sheppard geriet 1954 unter Verdacht, der Mörder seiner Ehefrau Marilyn Sheppard gewesen zu sein, die im gemeinsamen Haus am Lake Erie bei Cleveland mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen worden war.
Sheppard sagte aus, dass ein Einbrecher den Mord begangen hätte und wurde unter gigantischer öffentlicher Anteilnahme erst zu lebenslanger Haft verurteilt. Sheppard saß zehn Jahre im Gefängnis, ehe der Oberste Gerichtshof eine Berufung annahm und das Urteil revidierte. In einem zweiten Prozess wurde Sheppard freigesprochen, vor allem weil Indizien nahelegten, dass der Mörder ein Linkshänder gewesen sein muss, während Sheppard rechtshändig war.
Der wendungsreiche, letztlich nie aufgeklärte Fall war über Jahrzehnte hinweg ein Boulevard-Großereignis. Zusätzlich befeuert wurde die Berichterstattung unter anderem auch noch dadurch, dass noch mehrere Angehörige der Sheppards Selbstmord begingen und dass Sheppard in zweiter Ehe eine Schwägerin des Nazi-Propagandaministers Joseph Goebbels heiratete.
Der Fall Sheppard wurde mehrfach verfilmt und soll auch Vorbild für die TV-Serie "Auf der Flucht" ("The Fugitive") und die spätere Film-Version mit Harrison Ford gewesen sein. Die Macher bestritten es, obwohl die Parallelen zu der Geschichte des zu Unrecht des Mordes an seiner Frau verdächtigten Arztes Richard Kimble offensichtlich sind.
Kurze Zweit-Karriere im Wrestling-Ring
Der echte Sheppard verfiel dem Alkohol und starb 1970 mit nur 46 Jahren an Leberversagen - kurz nachdem er eine zweite Karriere im Wrestling-Ring begonnen hatte.
George Strickland, der Vater von Sheppards dritter Ehefrau, war selbst Wrestler und hatte Geschäftspotenzial darin erkannt, einen Showkämpfer aus seinem prominenten Schwiegersohn zu machen.
Sheppard beendete seine Matches mit der Claw, auf die ihn sein medizinisches Wissen brachte: Unter der Zunge liegen relativ ungeschützte Nervenbahnen, fester Druck kann angeblich betäubend-lähmende Wirkung haben.
Passende Aktion für The Fiend
Dass Wyatt die Aktion nun übernimmt, passt ins Bild: Sein Charakter ist ohnehin voller Anspielungen auf reale und fiktive Gewaltgeschichte, für seinen ursprünglicher Charakter stand unter anderem auch der mörderische Sektenführer Charles Manson Pate.
Schon Foley war fasziniert von der implikationsreichen Geschichte der Aktion und empfand die Claw - seinerzeit eingeführt mit einer Attacke auf Kommentatorenlegende Jim Ross - als äußerst effektvoll. Er musste seine Bosse nach eigenen Angaben jedoch eine Weile überzeugen, bis sie ihm erlaubten, die Aktion zu übernehmen.
Bill Watts, einst kreativer Verantwortlicher von Foleys vorherigem Arbeitgeber World Championship Wrestling (WCW) soll sie als unglaubwürdig abgelehnt haben - Begründung: "Warum sollte dir dein Gegner nicht einfach in deinen gottverdammten Finger beißen?"