Wer das Wrestling nicht verfolgt oder damals noch nicht verfolgt hat, dem lässt sich dieses Phänomen wohl am besten über einen Umweg erklären.
Wrestling-Hammer mit tragischem Ende
"Ravishing" Rick Rude, das war für das Wrestling das, was Miami Vice, Magnum, Knight Rider fürs Fernsehen waren: die ultimative Verkörperung der Achtziger.
Der Schnurrbart! Die Minipli-Frisur! Das Panorama der dauergewellten Frauen im Publikum, die ihn anschmachteten, diese muskulöse Mischung aus Tom Selleck, einem Chippendale-Stripper und David Hasselhoff, der seinen eigenen bösen Zwilling spielte (das tat er damals übrigens wirklich): Die alten Highlight-Clips des damaligen WWE-Erzschurken sind eine herrliche Zeitreise.
Auch nach seiner aktiven Karriere hatte Rude einen ikonischen Moment, womöglich sogar seinen berühmtesten: Am 17. November 1997 - heute vor 25 Jahren - schrieb er Geschichte, indem er in derselben Nacht bei den Flaggschiff-Shows von WWE und dem damaligen Rivalen WCW auftauchte.
Rude ist Showkampf-Fans in Erinnerung geblieben als eine der markantesten, charismatischsten Typen seiner Zeit, als Mitglied mehrerer berühmter Gruppierungen - und leider auch als eine von vielen Legenden ihrer Zeit, die viel zu früh verstorben sind. Am 20. April 1999 starb Richard Rood, wie er eigentlich hieß, mit nur 40 Jahren.
Unvergessene Routine bei WWE
Seine Blüte als Charakter erlebte der oft kopierte Rude, geboren am 7. Dezember 1958 in Robbinsdale im US-Bundesstaat Minnesota, bei seinem ersten Engagement in der damaligen WWF. Zwischen 1987 und 1990 gab er dort einen arrogant-schmierigen Schönling, mit einer außergewöhnlichen Besessenheit, auch noch das letzte Quäntchen an Abneigung aus dem Publikum hervorzukitzeln.
Rudes unvergessene Routine: der Einmarsch mit Gigolo-Musik und Glitzerrobe, die Aufforderung an die "fetten, untrainierten Schwitzschweine" aus der jeweiligen Veranstaltungsstadt ("fat, out-of-shape Atlantic City sweathogs"), nun doch bitte Ruhe zu geben und ihre Frauen betrachten zu lassen, wie ein echter Mann aussehe - und schließlich die Vorführung seiner perfekt austrainierten Muskeln samt provokativem Hüftschwung.
Rude, kongenial ergänzt von der 2017 verstorbenen Manager-Legende Bobby „The Brain“ Heenan, bestritt in der WWF enorm erfolgreiche Fehden gegen Jake „The Snake“ Roberts und den 2014 selbst früh verstorbenen Ultimate Warrior und auch einige Duelle mit Überfigur Hulk Hogan.
Nach einem Wechsel zur Konkurrenzliga World Championship Wrestling (WCW) erreichte er sogar noch größere Weihen: Als Kopf der Dangerous Alliance des jungen Paul E. Dangerously alias Paul Heyman wurde er Widerpart von Topstars wie Ric Flair und Sting an die Spitze der Liga gepusht. Am 19. September 1993 gewann er gegen Flair den ersten seiner drei World Titles - im Jahr darauf jedoch zwangen ihn Verletzungsprobleme zu einem frühen Ende der aktiven Karriere.
Rick Rude war ein knallharter Typ
Als Hassobjekt funktionierte Rude perfekt, auch deshalb, weil er zugleich ein ernstzunehmender "Bad Ass" war - was keine Showkampf-Fiktion war.
Rude arbeitete vor seiner Ring-Karriere als Türsteher in einem der berüchtigtsten Nachtclubs in seinem Heimatstaat Minnesota, war zudem Amateurboxer und bestritt erfolgreich Armdrück-Wettbewerbe, 1983 wurde er Sechster bei den Weltmeisterschaften in Las Vegas.
Der Schulfreund des ebenfalls jung verstorbenen Wrestler-Kollegen "Mr. Perfect" Curt Hennig war hinter den Kulissen für seine reale Kraft und Härte gefürchtet. In Rudes Nachruf im Wrestling Observer ist vermerkt, dass er in einem Backstage-Streit einst den 180 Kilo schweren Paul Neu (Cannonball Grizzly) k.o. schlug - mit einem einzigen offenhändigen Hieb.
Legendärer Auftritt bei WCW Monday Nitro
Auch nach seiner aktiven Karriere blieb Rude im Wrestling präsent, trat für Weggefährte Heyman in dessen Kultliga Extreme Championship Wrestling (ECW) auf, war in der WWF als Bodyguard Gründungsmitglied der D-Generation X.
Geschichte schrieb er dann nochmal, als er 1997 kurzerhand aus Empörung über den „Montreal Screwjob“ um den scheidenden Champion Bret Hart zu WCW mitwechselte. Er trat damals in einem denkwürdigen Höhepunkt des „Monday Night War“ in derselben Nacht für die beiden Ligen auf - beim damals voraufgezeichneten RAW und dem live ausgestrahlten WCW Nitro. Für WWE eine von WCW genüsslich ausgekostete Blamage.
Zwei Jahre später war Rude auch mit WCW zerstritten, peilte ein aktives Comeback in der WWF an, für das er intensiv trainierte - ehe ihn seine Frau Michelle am Morgen des 20. April 1999 leblos auffand.
In einer Autopsie wurde Herzversagen als Folge einer Überdosierung verschiedener Medikamente als Todesursache diagnostiziert. Rude war ein geständiger Steroidnutzer (was zu seinen aktiven Zeiten lange noch legal war), außerdem soll die damalige Modedroge GHB eine Rolle gespielt haben.
Passende Hommage bei Hall-of-Fame-Einzug
Rude (der nicht mit dem ihm nacheifernden WWE-Star Robert "Bobby" Roode verwandt war) hinterließ Ehefrau Michelle und die Kinder Richard Jr., Merissa und Colton, der 2016 19-jährig tragischerweise bei einem Motorradunfall ums Leben kam.
Die Hinterbliebenen nahmen 2017 vor WrestleMania 33 in Orlando für ihren Vater, den sie als treu sorgenden Familienmenschen beschrieben, die posthume Hall-of-Fame-Ehrung von WWE an.
Rick Rude, der Jüngere, leitete seine Dankesrede dabei ein mit den unsterblichen Worten: „So what I‘m gonna need right now is for all of you fat, out-of-shape, overweight Central Florida sweathogs ...“