Sein Landsmann Alexander Wolfe ist bereits bei SmackDown, er ist der zweite deutsche Wrestler, der auf dem Weg ist, bei WWE durchzustarten.
Barthel: "Wrestling ist eine Kunst"
Marcel Barthel - in der deutschen Szene früher bekannt als Axel Dieter Jr. - steht seit 2017 bei der größten Showkampf-Liga der Welt unter Vertrag, pendelt aktuell zwischen ihren Entwicklungsligen NXT und NXT UK in England hin und her (wo kürzlich auch sein langjähriger Weggefährte WALTER debütierte).
Zusammen mit dem aus Südtirol stammenden Fabian Aichner bildet Barthel ein deutschsprachiges Tag Team und hat mit athletischen und technisch starken Matches bereits Eindruck beim harten Kern der WWE-Fans gemacht. Beim Royal Rumble 2019, dem traditionsreichen ersten WWE-Großereignis des Jahres, ist er noch nicht im Ring dabei, ist aber vor Ort in Phoenix, für Promo- und Fan-Termine und als Zuschauer.
Barthel, 28 Jahre alt, 1,90 Meter groß und 85 Kilo schwer, ist Wrestler in zweiter Generation. Der Pinneberger steht seit zehn Jahren im Ring, spielt dort gerade einen recht arroganten Charakter. Im SPORT1-Interview ist er ganz anders zu erleben: gut gelaunt und in Plauderstimmung über seinen Lebensweg, seine Ring-Idole und das Wrestling früher und heute.
SPORT1: Marcel Barthel, als Zuschauer vor Ort dürfen Sie den Royal Rumble schon mal miterleben. Auf welches Erlebnis freuen Sie sich am meisten?
Marcel Barthel: Auf die Überraschungen. Die unerwarteten Auftritte und Comebacks, die es im Rumble-Match gab, machen die Show für mich aus. Als Mr. Perfect 2002 zurückkam, war das für mich als junger Fan ein ganz krasser Moment. Da mal live dabei zu sein, diese Atmosphäre zu erleben, das ist schon ein Kindheitstraum.
SPORT1:Mr. Perfect alias Curt Hennig war Wrestler in zweiter Generation, Sie auch. Für die, die ihn nicht kennen: Wer war ihr Vater, der 2015 verstorbene Axel Dieter Senior? Und was hat er ihnen mitgegeben?
Barthel: Mein Vater war der erfolgreichste deutsche Berufsringer - so nannte er das - nach dem Zweiten Weltkrieg. Er stand 33 Jahre im Ring, hat auf der ganzen Welt gekämpft. Seine Leidenschaft für das Geschäft war extrem, nichts anderes hatte für ihn diese Bedeutung - was auch zur Folge hatte, dass er am Ende insgesamt fünfmal verheiratet war. Ich war früh bei seinen Kämpfen dabei, wurde immer wieder durch die Kabine reingeschmuggelt, wenn die Kämpfe eigentlich ab 18 waren. Mir bedeutet das Wrestling also auch schon seit Kindertagen sehr viel, ich wollte schon früh in die Fußstapfen meines Vaters treten.
SPORT1: Ihre WWE-Karriere kann er leider nicht mehr miterleben, davor hat er ja aber eine große Rolle gespielt.
Barthel: Er hat mich früh gepusht, ich habe auch auf seinen Rat hin Amateurringen und Boxen gelernt, um eine athletische Grundlage zu haben, bevor ich das eigentliche Wrestling-Training begonnen habe. Es ist mein großer Antrieb, meinen Vater stolz zu machen - mehr als alles andere, Geld oder was auch immer. Ich habe alles daran gesetzt, möglichst viel zu kämpfen und zu reisen - daran hängt mein Herz mehr als an allem anderen. Anfangs war mein Vater oft auch noch mit dabei und das war eigentlich bis heute trotz allem die Zeit, die ich als die schönste empfand. Ich habe lange auch noch in den alten Stiefeln meines Vaters gerungen - eine Geste, die mir wichtig war.
"Hätte nicht gedacht, dass ich bei WWE landen würde"
SPORT1: Hatten Sie also schon als Kind das Ziel WWE im Kopf?
Barthel: Das hat denke ich jeder Wrestler meiner Generation im Hinterkopf. Ich bin wie viele andere aufgewachsen mit der früheren WWF, mit dem Undertaker, mit Shawn Michaels, mit Bret "The Hitman" Hart. Dass ich selbst bei WWE landen würde, hätte ich bis vor einigen Jahren nicht gedacht, das war für mich so was wie der Goldtopf am Ende vom Regenbogen.
SPORT1: Welche Wrestler haben dich sonst beeinflusst?
Barthel: Viele, je tiefer ich ins Wrestling vorgedrungen bin, desto mehr. Als kleiner Fan fand ich ja zum Beispiel Ric Flair ätzend, wenn er Hulk Hogan verprügelt hat. Heute finde ich unfassbar, was er für ein "Worker" war, was für ein Talent er hatte. Er, Shawn Michaels und Kurt Angle sind auf jeden Fall ganz weit vorn auf der Liste derer, von denen ich viel mitgenommen habe. Aber durch meinen Vater habe ich ja auch früh den Einfluss der europäischen Größen schätzen gelernt: Leute wie früher Mile Zrno und Steve Wright oder später Robbie Brookside, Fit Finlay und William Regal, die ja nun alle hinter den WWE-Kulissen arbeiten und ihr Wissen weitergeben. Die Vernetzung von Wrestlern und Wrestling-Stilen aus der ganzen Welt, die WWE gerade betreibt, finde ich übrigens unfassbar toll.
"Wrestling ist: Emotionen, Charaktere, Geschichten"
SPORT1: An ihre alten Idole lassen ja auch viele Fans nichts kommen, oft geht es so weit, dass man liest: 'Wrestling, das ist nicht mehr das, was es war. Die Wrestler von heute kann man doch vergessen - kein Vergleich zu den Typen von damals.' Was antworten Sie, wenn Sie diese Meinung hören?
Barthel: Ich glaube, das ist dasselbe Phänomen wie bei anderen Diskussionen auch. Einige Fußball-Fans sind ja auch überzeugt: Mit Stefan Effenberg wäre das bei der WM gegen Südkorea nicht passiert. Ja, nee. Man kann das so nicht vergleichen, alles entwickelt sich, das Wrestling ebenso wie der Fußball. Nicht falsch verstehen: Der Old-School-Charme ist toll, ich mag den auch sehr, aber nicht alles, was früher funktioniert hat, würde auch heute noch funktionieren.
SPORT1: Welche entscheidende Veränderung hat das Wrestling denn durchgemacht?
Barthel: Einerseits bin ich überzeugt, dass das Fundament immer gleich bleibt. Wrestling baut auf auf Emotionen, auf Charakteren, auf Geschichten, die im Ring erzählt werden. Aber die Art und Weise, wie die Geschichten erzählt werden, was die Fans sehen wollen, die ändert sich. Die Matches von Pat O'Connor (neuseeländische Ring-Legende der fünfziger bis siebziger Jahre, d. Red.), der mit seinen Gegnern 45 Minuten lang Haltegriffe ausgetauscht hat: Das würde sich heute kaum einer anschauen. Heute wird mehr Tempo, mehr Athletik, mehr Vielfalt verlangt.
SPORT1: Die das Wrestling ja durchaus bietet ...
Barthel: Ich muss ehrlich sagen: Ich habe das Gefühl, dass die, die am lautesten darüber klagen, dass Wrestling nicht mehr so ist wie früher nicht diejenigen sind, die sich mit dem Wrestling heute wirklich ernsthaft beschäftigen. Paul Heyman hat sinngemäß mal gesagt: Wrestling ist eine Kunst - und man sollte nicht seine Zeit damit vergeuden, sie denjenigen zu erklären, die sie nicht verstehen und nicht verstehen wollen. Das stimmt auch: Letztlich machen wir unseren Job um die zu begeistern, die sich auch damit auseinandersetzen wollen.
WrestleMania als großes Ziel
SPORT1: WWE richtet den Blick immer mehr auch nach Europa, neben dem schon existierenden NXT UK hat WWE auch schon ein NXT in Deutschland ins Gespräch gebracht. Was wäre dir lieber: Bei WrestleMania in den USA zu kämpfen oder bei einem NXT TakeOver in Deutschland?
Barthel: Am besten beides. Aber natürlich ist WrestleMania der größere Traum. Letztes Jahr in New Orleans haben Fabian und ich uns die Bühne im Superdome von New Orleans schon angeschaut. In einem solchen Riesenstadion vor 78.000 Zuschauern anzutreten: Die Chance wollen wir uns natürlich erarbeiten. Und ich bin auch überzeugt: Wir schaffen das!