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WWE im Rekord-Tief - die Gründe

Baron Corbin wird bei Monday Night RAW von Seth Rollins zum Sündenbock für die miesen Ratings gemacht. Die wahren Gründe sind natürlich andere. Die Analyse.
WWE Monday Night RAW steckt im Quoten-Tief - Baron Corbin (l., mit Seth Rollins) ist nicht der wahre Schuldige
WWE Monday Night RAW steckt im Quoten-Tief - Baron Corbin (l., mit Seth Rollins) ist nicht der wahre Schuldige
© WWE
Baron Corbin wird bei Monday Night RAW von Seth Rollins zum Sündenbock für die miesen Ratings gemacht. Die wahren Gründe sind natürlich andere. Die Analyse.

Es war die sprichwörtliche Flucht nach vorn, die WWE an diesem Montag antrat.

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"Die Moral hinter den Kulissen, die Unterstützung der Fans, die TV-Quoten sind auf einem Allzeit-Tief": Diesen bemerkenswerten Satz legten die Autoren der Wrestling-Liga bei ihrer wichtigsten Fernsehshow Monday Night RAW Publikumsliebling Seth Rollins in den Mund - und mischte damit ihre Story-Fiktion mit zumindest einer bitteren Realität.

Die Zuschauerzahlen der bekanntesten Wrestling-Sendung der Welt sind tatsächlich so gering wie nie zuvor in ihrer bald 26-jährigen Geschichte. Und der offensive Umgang damit hat erstmal nichts zum Besseren gewendet - im Gegenteil: Die Show am Montag unterbot das ohnehin historisch niedrige Rating der Vorwoche.

Nur 2,19 Millionen Fernseher waren in den USA im Durchschnitt eingeschaltet, in ihren besten Zeiten Ende der Neunziger lockte RAW teils über 10 Millionen vor den Bildschirm.

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Aus heutiger Sicht ist dieser Wert illusorisch, wofür die WWE-Verantwortlichen nur zum Teil etwas können. Dennoch hat das Ausmaß der aktuellen Quotenkrise hausgemachte Gründe. SPORT1 erklärt die Ursachen für das historische Tief.

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- Klassisches Fernsehen im Abschwung

Ihr größtes Quoten-Hoch erlebte WWE in der legendären Attitude Era mit Stone Cold Steve Austin und The Rock um die Jahrtausendwende. Die Marken von damals sind heute, in einer drastisch veränderten Fernsehlandschaft, aber kein realistisches Ziel mehr.

Die Digitalisierung, Streaming-Dienste wie Netflix und Online-Videoplattformen wie YouTube schwächen das klassische lineare Fernsehen, in den USA ist die Entwicklung noch weiter fortgeschritten als hier. Nach einer Schätzung der New Yorker Beratungsfirma Magna wird es in zwei Jahren rund 48 Millionen Haushalte ohne Kabelfernsehen geben, vor allem das junge Publikum geht verloren.

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Bei den sehr online-affinen Wrestling-Fans ist der Medienwandel in aller Deutlichkeit ablesbar: Das Durchschnittsalter der Fernsehzuschauer, die sich Wrestling ansehen, ist laut Magna zwischen 2000 und 2016 von 28 auf 54 Jahre gestiegen.

Die Folgen für WWE sind vielschichtig und teils widersprüchlich: Einerseits ist die Liga auf den digitalen Plattformen (unter anderem mit ihrem eigenen Streaming-Dienst WWE Network) sehr erfolgreich - bei YouTube etwa steht WWE aktuell auf Platz 6 in der Liste der weltweit meistabonnierten Kanäle (37,3 Mio. User). Andererseits kann sie es sich auch nicht leisten, das Fernsehgeschäft zu vernachlässigen. Im Gegenteil: Es ist gerade finanziell wichtiger als je zuvor geworden.

Erst in diesem Jahr hat WWE Rekord-TV-Verträge für RAW und SmackDown Live abgeschlossen. Insgesamt 2,35 Milliarden Dollar zahlen die Sender USA Network (RAW) und Fox (SmackDown) ab Herbst 2019 für die kommenden fünf Jahre - in der Erwartung, dass die Live-Shows von WWE einen für die heutige Zeit immer noch vergleichsweise hohen Quoten-Sockel garantieren. Diese Erwartung muss WWE nun aber auch erfüllen.

 - Roman Reigns und andere Stars schmerzlich vermisst

Der langfristige Zuschauerschwund des Fernsehens ist das eine, der akute bei RAW das andere Thema: Zwar fallen die RAW-Quoten im Herbst immer wegen der NFL-Saison und der direkten Konkurrenz durch das Monday Night Game, im vergangenen Jahr schalteten um dieselbe Zeit dennoch rund 500.000 Zuschauer mehr bei RAW ein - der Abwärtstrend ist stärker als gewöhnlich.

Die Krebserkrankung Roman Reigns dürfte ein Faktor sein: WWE fehlt der Star, den sie in den vergangenen Jahren trotz aller Fan-Vorbehalte zum Aushängeschild aufgebaut haben (gerade hatte er John Cena als besten Merchandise-Verkäufer eingeholt) - und die Liga wirkt kalt erwischt.

Die meisten anderen Stars, die sich in den vergangenen Jahren als Unterschiedmacher hervorgetan haben - Cena, der Undertaker, Brock Lesnar -, sind aus Alters- oder anderen Gründen nur noch teilzeitaktiv und jetzt gerade nicht. Lesnar hat Reigns zwar als Universal Champion wieder abgelöst, ist aber bei RAW fast nie anwesend und nie im Ring: Rollins strich am Montag erst heraus, dass der 41-Jährige seit seinem WWE-Comeback 2012 kein einziges RAW-Match bestritten hat. Der aktuell größte Star, der immer bei RAW ist, ist Ronda Rousey - wegen ihres UFC-Ruhms.

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Der 32 Jahre alte Rollins wird nun als WrestleMania-Herausforderer Lesnars aufgebaut und scheint vorerst der neue "Go-to-Guy" von RAW zu sein. Bei den Fans wird er für sein herausragendes Können im Ring geschätzt - ob er langfristig das ist, was WWE sich von einem Topstar a la Rock, Austin, Cena verspricht, muss er aber erst beweisen.

- Kreativteam nicht in Form - und Vince McMahon macht's nur schlimmer

Die Klage, dass das WWE-Kreativteam immer schlechter wird, verfolgt die Liga seit dem Ende der Attitude Era, mal mehr, mal weniger berechtigt.

Aktuell können auch Wohlmeinende nicht verhehlen, dass WWE nicht in Form ist. Die aktuelle RAW-Kerngeschichte um den bösen General Manager Baron Corbin, der den Publikumslieblingen das Leben schwer macht, ist der x-te Aufguss eines verbrauchten Story-Konzepts.

Mit dem eigentlichen Problem hat Corbin, der nur vor der Kamera als Entscheider auftritt, nichts zu tun: Hinter den Kulissen trägt nach wie vor der 73 Jahre alte Ligachef Vince McMahon die Verantwortung, der in den vergangenen Wochen auch sehr viel, was sein Kreativteam angeliefert hat, sehr kurzfristig umgeschrieben haben soll.

Herausgekommen ist dabei viel unzusammenhängendes Stückwerk ohne sichtbaren Langzeitplan und auch viele Plattheiten, die sehr erkennbar McMahons Handschrift tragen. Man denke an die Story um den sich vor Angst einpinkelnden Drake Maverick oder die fragwürdige Verarbeitung realer Schicksale wie Reigns' Krebserkrankung oder den Tod von Jim Neidhart.

- Ein Kurswechsel, der keiner ist

McMahon scheint die Kritik durchaus vernommen zu haben: Letztlich war Rollins' Abrechnung mit Corbin - die an CM Punks berühmte Pipe Bomb 2011 erinnerte - eine Metafiktion, die den Fans signalisieren sollte: Wir haben verstanden.

Ob McMahon und Kollegen das aber wirklich tun? Das Kritiker-Echo war am Montag einmal mehr verheerend, Gefallen fand nur der starke Hauptkampf zwischen Rollins und Corbin, ein kreativer Richtungswechsel war ansonsten nicht zu spüren.

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Zum Teil wurden die von Rollins gesandten Signale sogar unmittelbar unterlaufen: Er erwähnte etwa das Tag Team The Revival (Dash Wilder und Scott Dawson) und äußerte Unverständnis, das dessen Potenzial bei RAW völlig ungenutzt bliebe. Dash und Dawson hatten diese Woche dann gar keinen Auftritt.

Bei der letzten Großveranstaltung TLC 2018 am Sonntag tritt Corbin gegen Braun Strowman an. Seine Macht als GM steht darin auf dem Spiel und dürfte enden, nachdem er bei RAW symbolisch zum Sündenbock für die Quotenkrise erklärt wurde. Ob danach aber ein echter Neustart erfolgt oder WWE sich weiter in Aktionismus verrennt, wird sich erst in den Wochen und Monaten danach zeigen.

Mit Spannung verfolgen werden das nicht nur die Fans von WWE - sondern auch ihr Ex-Wrestler Cody Rhodes, der mit seinem Projekt All Elite Wrestling seine spannende Alternative in den Startlöchern stehen hat.